Amnesia - Jutta Maria Herrmann

  • Klappentext
    Du hast nichts zu verlieren.
    Du hast eine mörderische Wut.
    Und du kannst dich an nichts erinnern …
    Als die Berlinerin Helen die Diagnose Krebs im Endstadium erhält, ist es ihr einziger Wunsch, sich vor ihrem Tod endlich mit ihrer Mutter auszusöhnen, zu der sie ein schwieriges und distanziertes Verhältnis hat. Bei ihrer Familie in der südwestdeutschen Heimat angekommen, muss sie dann schockiert erfahren, dass ihre schwangere Schwester Kristin von ihrem Ehemann Leon misshandelt wird. Am liebsten würde Helen Leon dafür umbringen, zu verlieren hat sie ja nichts mehr. Aber einen Menschen töten? Helen glaubt nicht, dass sie dazu wirklich fähig ist.
    Am nächsten Morgen allerdings ist Leon tot – und Helen, die Medikamente mit schwersten Nebenwirkungen nimmt, hat keinerlei Erinnerung an die vergangene Nacht. Amnesie …


    Zur Autorin
    Jutta Maria Herrmann ist gebürtige Saarländerin, gelernte Buchhändlerin, studierte Germanistin. Sie hat Rockkonzerte veranstaltet, Synchrondrehbücher geschrieben und arbeitet zurzeit für eine Tageszeitung. Ihre Kurzgeschichten wurden in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Beim MDR-Literaturwettbewerb 2010 kam ihr Beitrag in die Liste der Top 25. Seit 2003 lebt sie mit ihrem Mann, dem Autor Thomas Nommensen, im Berliner Speckgürtel im brandenburgischen Panketal. Sie ist Mitglied im Syndikat.


    Meine Meinung
    Dies war mein erstes Buch von Jutta Maria Herrmann und ich werde auf alle Fälle, die vorher erschienenen Thriller, auch noch lesen.
    Beeindruckend war für mich vor allem dieser wundervolle Schreibstil. Packend, mit Wendungen und Wahrnehmungen, mit Irrsinn und Wahnsinn und besonders hervorheben möchte ich, die bildliche Vorstellungskraft die ich beim Lesen empfunden habe, wenn es um Örtlichkeiten ging, um Wetterbeschreibungen, die Gruselszene auf dem Friedhof und um die tiefen Träume. In letzter Zeit habe ich selten eine so intensive und ausdrucksstarke Beziehung zu einer Protagonistin herstellen können, wie in dieser Geschichte zu Helen. Ich hatte sofort einen Draht zu ihr, wenn auch nicht aus Mitleid, aber auch nicht sofort aus Zuneigung, das kam erst später hinzu, sondern eher aus der Situation heraus, wie sie ihr Leben nun weiterführen soll. Den Spannungsbogen hat die Autorin fast durchgehen hochgehalten mit Wendungen und neuen Ansätzen, die alles sofort wieder in einem anderen Licht haben erscheinen lassen. Es wurden Personen in das Geschehen eingearbeitet, denen man auch alles zutrauen würde, aber es wurde dann im Gegensatz, auch genauso glaubwürdige deren Unschuld beschrieben. Ach, ich wusste irgendwann gar nicht mehr, wem ich was glauben sollte und wem nicht. Und ich schätze mal, das war es auch, was Jutta Maria Herrmann ihren LeserInnen zumuten wollte.
    Zum Ende hin wird man zwar mit angerissenen, klitzekleinen Hinweisen dazu verleitet, als LeserIn selbst zu entscheiden, wem man nun diese Taten anlasten möchte, aber ich mag es eher, wenn ich das Buch nach dem Beenden zuklappe und genau weiß, was nun passiert ist, warum es geschehen ist und vor allem, wer es denn nun war.
    Aber ich habe für mich entschieden, das es ...... war.
    Ob es stimmt? Keine Ahnung!

  • Helen hat die Diagnose Lungenkrebs erhalten und weiß, daß sie aller Voraussicht nach noch ein Jahr leben wird. Sie ist psychisch fertig und durch die Medikamente auch physisch stark beeinträchtigt. Die Gedächtnislücken häufen sich und jetzt hat sich auch noch ihr Freund Sven von ihr getrennt. Um dem zu entfliehen, flüchtet sie zu ihren Wurzeln in die alte Heimat, um die Mutter und ihre kleinere Schwester Kristin zu besuchen, die von ihrer Krankheit noch keine Ahnung haben und sich mit ihnen zu versöhnen. Ihrer Mutter geht jede Herzlichkeit ab, deshalb nimmt sie gerne die Einladung ihrer Schwester an, bei ihr und ihrem Ehemann zu übernachten. Leon, ihren Schwager, kennt sie noch von früher und hat ihn in denkbar schlechter Erinnerung. Denn er hatte nach einer ausgiebigen Feier ihre damalige beste Freundin vergewaltigt und es hinterher abgestritten. Die polizeiliche Anzeige hatte ihre Freundin nach einem Tag aus unerfindlichen Gründen zurückgenommen, so daß bis heute Helen und Gela als Lügnerinnen gebrandmarkt sind. Nachdem sie eine Nacht in dem Haus ihrer Schwester Kristin verbracht hat, drängt sich Helen der Verdacht auf, daß die Schwangere von Leon misshandelt wird. Negativ ist nur, daß Helen verstärkt zu Beruhigungsmitteln greift und den Rat ihres Arztes nicht befolgt, der zu Alkoholverzicht in Verbindung mit ihren Medikamenten geraten hatte. Und hier beginnt es dann spannend zu werden. Als Leser weiß man nie genau, ob Helen sich richtig erinnert, ob sie unter Medikamenteneinfluß falsche Schlüsse zieht oder ob die Wahrheit noch ganz anders ist.



    Nachdem mich die Autorin mit ihrem Debütroman HOTLINE nicht so recht überzeugen konnte, ist es bei diesem Buch anders. Sie beschreibt Helen und den Umgang mit ihrer Krankheit hautnah und realistisch. Hier spürt man, daß sie intensive Recherchegespräche mit Betroffenen geführt hat. Der Spannungsbogen ist von Anfang bis zum Ende sehr hoch, weil man als Leser immer miträtselt, was und wer hinter den Vorfällen steckt. Wer lügt und wer die Wahrheit sagt. Für mich ein fesselnder Psycho-Thriller ohne großes Blutvergießen!