Ingar Johnsrud: Der Hirte (Fredrik Beier 1.)

  • Ingar Johnsrud: Der Hirte (Fredrik Beier 1.)
    Blanvalet Verlag 2017. 512 Seiten

    ISBN-10: 3764505877
    ISBN-13: 978-3764505875. 14,99€
    Originaltitel: Wienerbrorskapet
    Übersetzerin: Daniela Stilzebach


    Verlagstext
    Die Kinder von »Gottes Licht« folgen ihrem Hirten ... bis in den Tod!
    Die Tochter der einflussreichen Politikerin Kari Lise Wetre wird vermisst – ein Routinefall für Hauptkommissar Fredrik Beier. Doch kurz darauf wird Beier nach Solro beordert, einem alten Hof vor den Toren Oslos. Fünf Männer wurden auf dem Sitz der christlichen Sekte „Gottes Licht“ grausam abgeschlachtet. Das Gelände des Hofs ist ausgestattet wie ein Hochsicherheitstrakt, und im Keller des Gebäudes stoßen die Ermittler auf ein Labor, das auf monströse Experimente hinweist. Von den restlichen Mitgliedern der Sekte fehlt jede Spur, unter ihnen die vermisste Annette Wetre …


    Der Autor
    Ingar Johnsrud, Jahrgang 1974, wuchs in Holmestrand auf. Er studierte Film- und Medienwissenschaften und arbeitete fünfzehn Jahre als Journalist bei einem der größten norwegischen Medienunternehmen. Sein erster Roman, der Thriller „Der Hirte“, wurde als bestes Krimidebüt für den Maurits Hansen Prisen nominiert, und in seiner Heimat wird Johnsrud als neuer Star der skandinavischen Spannungsliteratur gefeiert.


    Inhalt
    Der Osloer Hauptkommissar Fredrick Beier stand vor der Wahl, aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt zu werden oder eine Therapie beim Polizeipsychologen zu beginnen. Beier wählte den Psychologen und erhält den Rat, im Dienst Stress-Situationen zu vermeiden. Dass ein Vermissten-Fall ihn zu einem spektakulären Massaker mit mehreren Opfern auf dem Gelände einer Sekte führen wird, konnte in dem Moment noch niemand ahnen. Wenn die erwachsene Tochter einer bekannten Politikerin sich nicht mehr bei ihrer Mutter meldet, besteht noch kein Anlass zur Sorge; wohl aber, wenn die Vermisste mit dem geistigen Führer der Sekte „Gottes Licht“ ein Kind hat. Weil die Sekte sich bereits vor Jahren mit einer radikalislamistischen Gruppe angelegt hat, wird dem exquisiten Team aus Beier und seinem Kollegen Andreas Figueras auf Anordnung von ganz oben eine Fall-Analytikerin mit Spezialgebiet Fundamentalismus/Terrorismus zur Seite gestellt. Von Iqbal Kafa sind die beiden leicht ergrauten Herren alles andere als begeistert. Sie halten die junge Kollegin für eine im Polizeialltag hilflose Bürokratin.


    Den Ermittlern stellen sich eine Reihe von Fragen: Wo stecken Annette Wetre und ihr kleiner Sohn, wohin sind die mehr als 20 anderen Hofbewohner verschwunden und was hat „der Emir“ mit dem Fall zu tun, nach dem fieberhaft gefahndet wird? Von dem ermordeten Sektenführer scheint es eine Verbindung zu Ereignissen während des Nationalsozialismus zu geben. Durch Rückblenden ist man als Leser den Ermittlern stets einige Schritte voraus. Die Suche nach einem Zeugen von damals gestaltet sich wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ein weiterer Handlungsfaden scheint nach Afghanistan zu führen. Dass Fredrik bei der Osloer Polizei zudem einen Maulwurf an höchster Stelle vermutet und um seinen Job bangen muss, verwundert nicht. Ingar Johnsrud streut zusätzlich Zweifel daran, ob eine Konfrontation mit Tätern und Hintermännern des Massakers für Fredrik, Andreas und Iqbal nicht eine Nummer zu groß zu sein wird.


    Fazit
    Ingar Johnsrud legt von Beginn seines Thrillers Indizien und Namen für seine Leser aus, die Leser oder Ermittler zu dem Zeitpunkt noch nicht einordnen können. Kein Name, keine Nebenfigur und kein Gegenstand sind unwichtig. Als Leser muss man die Fäden immer wieder neu entwirren und anders verknüpfen. Jedes Mal, wenn man die Zusammenhänge zu durchschauen glaubt, zieht Johnsrud eine weitere Karte und man muss seine Vermutungen neu justieren. Jede Spur, die man korrekt einzuordnen glaubt, könnte jedoch von den Tätern inszeniert sein, um die Ermittler auf eine falsche Spur zu lenken. Nachdem ich entdeckt hatte, dass Beweismittel und Namen vom Autor gezielt platziert werden, um mich bei der Suche nach der Lösung zu verunsichern, fand ich Ingar Johnsruds ersten Band einer geplanten Trilogie unerwartet spannend. Stilistisch verträgt der Beginn des deutschen Texts noch etwas Politur. Insgesamt ein raffiniert gestrickter Thriller im Schnittpunkt von Politik, Geschichte und Wissenschaft.


    9 von 10 Punkten

  • Teil 1 der Trilogie um Hauptkommissar Fredrik Beier


    Wer wie ich skandinavische Thriller, der weiß, worauf er sich einlässt. Viele schwer auszusprechende Namen von Personen und Orten, eine gewisse Schwermütigkeit, die den Protagonisten zu eigen ist und häufig werden sozial- und gesellschaftspolitische Themen behandelt. Gerne auch mehrere gleichzeitig. Aufmerksames Lesen ist gefragt. Ingar Johnsrud hat sich mit seinem Debütroman viel vorgenommen. Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen und nicht nur die Themenvielfalt ist beachtlich, die Themen sind von hoher Brisanz. Dabei gelingt die Verknüpfung miteinander letztendlich meisterlich, ohne dass ich mit der Nase auf die Lösung gestoßen wurde. Viele Wendungen und gekonnte Irreführungen sorgen dafür, dass das Buch bis zum Schluss hin spannend bleibt.


    Johnsruds Schreibstil ist flüssig und eingängig, aufgefallen sind mir die sehr körperbetonten Beschreibungen, was Mimik, Gestik und Reaktionen der Figuren anbelangt.


    Das Ermittlerteam ist eine Neuauflage von nicht mehr jungem Kommissar mit verlässlichem Partner und neu hinzugekommener junger Kollegin, aber der Autor hat sie gut gezeichnet. Mir gefallen Hauptkommissar Fredrik Beier, physisch und psychisch angeschlagen, sein Kollege Andreas Figueras sowie der Neuzugang im Team, die aus einer Sondereinheit abkommandierte Iqbal Kafa, die sich der Skepsis ihrer Kollegin ausgesetzt sieht.


    Im Bewusstsein dessen, dass dieses Buch der erste Teil einer Trilogie ist, war mir von Beginn an klar, dass sich nicht alle Fäden würden entwirren und nicht alle Fragen beantworten lassen. Das Ende lässt viel Raum für Spekulationen, wie es denn in der Fortsetzung weitergehen wird.


    Auch von mir gibt es dafür 9 Punkte.