Der Rest der Zeit - Bernadette Nemeth

  • Bernadette Grohmann-Németh wurde 1979 in Wien geboren, ist zweisprachig aufgewachsen (deutsch und ungarisch). Künstlername Bernadette Németh. Von Kindheit an schriftstellerische Tätigkeit und Teilnahme an Schreibwettbewerben. Parallel zu ihrer medizinischen Ausbildung Veröffentlichung von Prosa und Lyrik in diversen Anthologien. 2010 erschien ihr Kurzgeschichten-Band “Der zweite Blick” im Hamburger Acabus-Verlag. 2011 gewann sie den Literaturwettbewerb der Menschenrechtsinitiative “With (he)art against fgm” in München, 2013 Platzierung unter den zehn Besten beim internationalen Sophie-Kinsella-Schreibwettbewerb, Goldmann-Verlag, mit Veröffentlichung als e-Book. Im selben Jahr erschien ihr erstes Kinder- und Jugendbuch für kranke Kinder im Spital, "Elmedin und der Zaubertukan". Auszüge aus ihrem Romanmanuskript "Doppellieben" erschienen 2013 in "DRIESCH Nr. 16 – die Zeitschrift für Literatur und Kultur", sowie im Literaturmagazin des Literaturkreises Kapfenberg, "Reibeisen" 31/2014. Veröffentlichung von Gedichten in der Lyrik-Anthologie “Mein wilder Traum gegen die Zeit”, Elif Verlag. Seit 2014 literarische Vertretung durch die Literaturagentur Martin Brinkmann. Mitglied der IG Autorinnen und Autoren, Literaturhaus Wien. Bernadette Németh lebt und arbeitet als Autorin, Journalistin und Ärztin in Wien.


    Gebundene Ausgabe: 328 Seiten
    Verlag: Verlag Wortreich; Auflage: 1 (16. Januar 2017)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3903091235
    ISBN-13: 978-3903091238


    Auf der Suche nach den Sehnsüchten des Lebens
    "Die Schuld ist wie ein Rucksack, der ständig weitergegeben wird, nichts ist leichter, als sie dem Kind umzuhängen, anstatt sich selbst mit seinen Bedürfnissen zu beschäftigen."
    Als die Ärztin Tünde an der Halswirbelsäule operiert werden soll, steht sie vor ihrer größten Entscheidung des Lebens. Und so beginnt sie eine Rückblende ihres Lebens, das mit so viel Freude und Sehnsüchten begann, die schlussendlich nicht alle erfüllt wurden. Bei ihrem größten Wunsch Ärztin zu werden, kommt sie immer mehr an ihre Grenzen. Viel zu viele negative Erfahrungen musste sie als Turnusärztin erleben. Doch auch ihr Bruder Adam Professor für Theologie, plagt eine unerfüllte Liebe, bis er vor den Trümmern seiner Ehe steht. Auch Melinda ihre Schwester hat Sehnsüchte, den in Gedanken betrügt sie ihren Mann jeden Tag mit einem anderen. Derweil wollten sie nie so werden wie ihre Eltern, den schon diese hatten eine unerfüllte und belastende Vergangenheit. Tamás, Tündes Vater musste damals, während des Aufstands nach Österreich flüchten, diese damaligen Erlebnisse plagten ihn noch Jahre später in Alpträumen. Auch Erika ihre Mutter hatte kein erfülltes Leben, sie hatte mit vielen Entbehrungen zu kämpfen und einem Unglück. Irgendwann entdeckt dann Adam ein bitteres Geheimnis seiner Mutter, das sie immer mit sich herumtrug.


    Meine Meinung:
    Ein literarisch sehr gutes Werk, das mich Seite für Seite immer mehr in den Bann zog, bis ich es am Ende kaum mehr weglegen konnte. Schon bei ihrem letzten Buch "Der zweite Blick" hat mich die Schreibweise der Autorin fasziniert. Auch dieses Werk ist wieder sehr anspruchsvoll, mit viel Emotionen und Wahrheiten gespickt. Was mir lediglich fehlte, war im Anhang die Erklärung für manche Fremdwörter und österr. Redewendungen. Ich habe mich in manchen Szenen doch tatsächlich auch wiedererkannt, den ich denke, welcher Mensch hat schon ein hundertprozentig erfülltes Leben? Wie ich von der Autorin erfahren habe, ist in diesem Buch auch einiges aus ihrem Leben verarbeitet worden. Auch sie hat wie Tünde als Ärztin gearbeitet und so manches erlebt. Ich denke das sie sich in einigen Situationen gefragt hat: "Was würdest du tun, mit dem Rest der Zeit, wenn du nur noch ein paar Monate zu leben hättest?" Ich jedenfalls kann dieses Buch nur weiterempfehlen, den es wird bei einigen die Augen öffnen, viele zu Tränen rühren und manchen vielleicht den Weg weisen. Für mich jedenfalls war es ein literarisches Meisterwerk, das mich sicher noch länger beschäftigen wird deshalb auch 10 Eulen.

    "Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest."

  • Der Zufall spielte mir das Buch in die Hände, was durchaus nett von ihm war. Ansonsten wäre mir dieser literarische Hochgenuss entgangen. Sprachlich ist das Buch so gut wie perfekt – keine Frage, die Autorin versteht ihr Handwerk.


    Sehr viel passiert allerdings nicht, der Plot ist sehr figurenbetont und dennoch ausgesprochen kurzweilig. Eins habe ich nach wenigen Seiten bereits festgestellt: Hätte ich so feine Antennen wie die Protagonisten, wäre ich an dieser Welt längst verzweifelt.


    Es geht um die Frage, ob wir das richtige oder das falsche Leben führen, ob wir den richtigen oder den falschen Partner haben. Genau wissen wir das nie, schließlich wissen wir nicht, ob unsere Vorstellungen vom richtigen Leben und vom richtigen Partner richtig sind. Wenn Melinda allerdings stark zweifelt, ob Robert der Richtige ist, dann ist die Frage durchaus berechtigt, ob sie nicht Handlungsbedarf hat:


    „Melinda sagte nichts und dachte an Milan, so wie sie jeden Tag an ihn dachte, sich beim Einschlafen fragte, wonach die Haut an seinem Hals wohl schmecken mochte und in der Früh mit einer wohligen Nässe zwischen den Beinen erwachte, die sofort verdunstete, sobald Robert sie in die Arme nahm.“ (190/211)


    Am Schluss erkennt Tünde:


    „… doch eigentlich sollte man das Leben nützen, sonst kann es passieren, dass man nach einem aufgeopferten Dasein dem Tod ins Auge blickt und plötzlich zweifelt, ob sich das Opfern gelohnt hat.“ (207/211)


    Und der Leser erkennt gemeinsam mit Tünde, dass er den Rest seiner Zeit sinnvoll gestalten muss. Schöne Erkenntnis und ein gutes Ende.