'Gottes Werk und Teufels Beitrag' - Seiten 058 - 105

  • In diesem Abschnitt lernen wir Dr Larch und seinen Werdegang besser kennen. Und er ist in meiner Hochachtung noch einmal gestiegen. Sein Einsatz und Verständnis für in Schwierigkeiten geratene Mütter ist bewundernswert. Die Not dieser Frauen muss gewaltig gewesen sein, von der Gesellschaft verachtet und im Stich gelassen.
    Wenn Irving viel mit Überzeichnung arbeitet, dann hoffe ich mal, dass die Geschichte im "Off Harrison" eine davon war! Sich diesen Chor vor dem Hintergrund der dort vorgenommenen Abtreibungen vorzustellen, war schon höchst skuril.

  • Mich hat die Heuchelei dieser reichen Leute sehr getroffen. Auf der einen Seite wollen Sie Larchs Hilfe und auf der anderen Seite missbilligen sie was er tut. Seine Kollegen sind da auch nicht besser.
    Warum hat der Chor denn eigentlich deutsch gesungen? Könnte mir vorstellen, dass das irgendeine Anspielung des Autors sein soll. :gruebel

  • Ich glaube, dass dieses Viertel einfach ein deutsches Einwandererviertel war. Zu der Zeit gab es doch eine große Auswandererwelle Richtung USA hier in Deutschland, wenn ich mich richtig erinnere.


    Dr. Larch ist für mich ein sehr reflektierter und warmherziger Mensch. Ihm gehen Dinge nah und wenn etwas Schreckliches passiert oder er einen Fehler macht, versucht er dies zu ändern. Es gibt solche Menschen. Das beeindruckt mich einfach. Vieles scheint auch mit seiner eigenen Kindheit zusammenzuhängen. Er versucht nicht so zu werden, wie seine Eltern, bzw. sein Vater. Leider ist es ihm nicht ganz gelungen. Er ist zwar kein Trinker, aber trotzdem süchtig.

  • Die Vorgänge in "Off Harrison" sind einfach nur schrecklich und ich glaube auch nicht, dass Irving hier viel überzeichnet, höchstens der Chor, quasi als Symbol für das Wegschauen der Gesellschaft.
    Nur Larch schaut nicht weg, sondern ganz genau hin und versucht zu helfen.


    Zitat

    Original von LauraJane
    Mich hat die Heuchelei dieser reichen Leute sehr getroffen. Auf der einen Seite wollen Sie Larchs Hilfe und auf der anderen Seite missbilligen sie was er tut. Seine Kollegen sind da auch nicht besser.


    Diese Heuchelei der Familie fand ich auch schrecklich! Klasse von Larch, dass er den Typen, den er für den Vater hält, zum Zugucken gezwungen hat.


    Als Heuchler sehe ich die Kollegen von Larch, die sich vehement gegen Abtreibung aussprechen jetzt nicht unbedingt, allerdings machen sie sich die ganze Sache zu einfach, Alternativen für die Frauen haben sie ja auch keine anzubieten.

  • Okay, dieses Kapitel war nicht amüsant.


    Irving hat sich mit einem Arzt als Teil-Hauptfigur natürlich eine Schreibwelt erschaffen, in der er sehr plastisch und detailiert alle schmutzigen Einzelheiten dieses Jobs beschreiben kann. Ist wahrscheinlich nicht jedermanns Ding, diese ganze Bakterien-, Eiter- und Uterusgeschichten.


    Trotzdem bewundere ich auch in diesem Kapitel wieder den fesselnden, flüssigen Schreibstil. Das hatte ich z. B. bei Owen Meany nicht so extrem.


    Edit meint noch, dass es für Dr. Larch natürlich nicht nur ein Job ist, sondern eine Berufung!

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

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  • Zitat

    Original von Tempe
    Die Not dieser Frauen muss gewaltig gewesen sein, von der Gesellschaft verachtet und im Stich gelassen.
    Wenn Irving viel mit Überzeichnung arbeitet, dann hoffe ich mal, dass die Geschichte im "Off Harrison" eine davon war!


    Schätze, wir haben heutzutage nicht mehr wirklich eine Vorstellung davon, wie es damals war. Stellt euch nur mal diesen ganzen Schmutz und Dreck vor, der da noch zur Rumpfuscherei dazukam! Deswegen empfand ich das nicht als überzeichnet. Und dann hatte die alte Frau ja sogar noch recht: wenn die Ärzte die Frauen abweisen und ihnen nicht helfen, kommen sie zu ihr, und sie tut zumindest etwas, wenn auch sehr stümperhaft. In einigen Teilen der Erde gibt es solche Zustände sicher immer noch...


    Und was die reiche Gesellschaft angeht: wer den Dreck wegräumt, wird auch wie Dreck behandelt. Man bezahlt dafür und dann bitte schön: tschüs. Aber reich mir ja nicht die Hand.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Obwohl das Thema in diesem Kapitel nicht so toll war, bin ich immer noch begeistert von Irvings Art zu schreiben. Ich mag mir die Situation der Frauen damals nicht vorstellen. Es muss schrecklich sein ungewollt schwanger zu sein und unter Umständen einem Pfuscher vertrauen zu müssen. Ich kann verstehen, dass Larch die Abtreibungen selber und fachgerecht vornimmt. Er imponierte mir sehr, als er im "Off Harrison" auflief und dort Tipps geben wollte.

  • Zitat

    Original von killerbinchen


    Und was die reiche Gesellschaft angeht: wer den Dreck wegräumt, wird auch wie Dreck behandelt. Man bezahlt dafür und dann bitte schön: tschüs. Aber reich mir ja nicht die Hand.


    :write Genau! Derlei Doppelmoral war damals wohl gang und gäbe. Die Reichen konnten es sich eben leisten, "Fehltritte" unbemerkt zu entsorgen, die Armen mussten es unter Einsatz ihres Lebens

  • Ja, ein ziemlich direkt geschilderter Abschnitt. Irving wollte hier sicherlich auch ein wenig schockieren.


    Diese Doppelmoral mit gesellschaftlich schlechter gestellten haben wir doch heute immer noch und die wird es wohl auch immer geben. Jeder möchte auf der Leiter eine Sprosse nach oben kommen, da ist es ja sehr üblich, da oben zu buckeln und nach unten zu treten.

  • In diesem Abschnitt wurde auch erklärt, was es mit dem Buchtitel 'Gottes Werk und Teufels Beitrag' auf sich hat. Für mich war das überraschend früh und der Buchtitel wiegt jetzt ganz schön schwer, wenn ich ihn lese. Es ist eine Art Verschlüsselung für mich für:
    Leben entsteht und Leben wird beendet


    oder


    leben lassen oder töten



    Wie Dr. Lach mit den Situationen umgeht, wenn andere eine Abtreibung verlangen, ist interessant und aufwühlend. Und ich finde es toll, dass er ins "abseits von Harrison ' geht, um etwas zu tun.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers