Sula von Toni Morrision

  • Zusammenfassung


    Toni Morrison erzählt die Geschichte von Sula in der Kleinstadt Medallion. 1921 ist das kleine schwarze Mädchen 12 Jahre alt. Sie und Nel sind beste Freundinnen. Während Nels Mutter pedantisch ist, wächst Sula in einem chaotischen Haushalt auf, dem ihre Großmutter Eva vorsteht, ein unergründlicher und gewaltiger Charakter. Der erste Teil der Geschichte erzählt von Nels und Sulas Familie, ihrer Mädchenfreundschaft und endet mit Nels Hochzeit gleich nach der Highschool.
    Wir überspringen die 10 Jahre, in denen Sula weg von Medallion gewesen ist. Der zweite Teil beginnt mit ihrer Rückkehr (die mit einer Rotkelchenplage zusammenfällt). Durch Sulas Art bringt sie die Gemeinschaft gegen sich auf, die Menschen arbeiten sich an ihr ab. Sogar Nel bricht mit ihr, da sie, eher beiläufig, mit Nels Mann schläft. Der Roman erzählt sogar über Sulas Tod hinaus, welche Sogwirkung Sula auf die Gemeinschaft entfaltet.



    Persönlicher Eindruck


    Toni Morrison umkreist Sula und nähert sich ihr aus verschiedenen Perspektiven über verschiedene Personen. Personale Erzählung, Berichte im Ich-Stil und Dialoge wechseln sich ab. Mal erläutert Toni Morrision psychologische Hintergründe, dann wieder beschreibt sie nur oder entwirft mit poetischer Sprache bildhafte Metaphern. Oft wird durch die Bilder, die sie zeichnet, nur ein Gefühl vermittelt. Als Leser musste ich mich auf diese Bilder einlassen, manchmal auch einen Satz oder Abschnitt mehrmals lesen, um ihn wirklich verstehen zu können. Das ist ein typischer Morrison-Stil, ich kenne das aus anderen Büchern von ihr.


    All das macht es schwer, Sula wirklich zu verstehen, wir sind seltsamerweise immer auf der Seite derjenigen, die Morrison gerade beschreibt. Das Muttermal über ihrem Auge wird je nach Person als Rose, Fisch oder Klapperschlange interpretiert, und so ist das auch mit ihrem Charakter. Je nachdem, wen man fragt, ist Sula entweder lässig, naiv, nonkonformistisch und unabhängig oder überheblich, unverfroren, böse und gefährlich. Auch nach dem kompletten Buch bin ich mir immer noch nicht schlüssig über Sula, das ist ungewohnt, dass die Autorin selbst ihre Figur nicht völlig erklären möchte.



    Die Handlung bezieht sich, typisch Kleinstadt, viel auf das Verhältnis der Bewohner untereinander. Vor allem die Freundschaft zwischen Nel und Sula ist hier wichtig, die wichtigen, die banalen, aber auch die tödlichen Dinge, die sie miteinander teilen. Shadrack, ein gebrochener Kriegsveteran, umrahmt mit seinem Selbstmordtag den Roman und taucht auch an einer wichtigen Stelle innerhalb des Romans auf. Mir hat besonders gefallen, wie gelassen die Kleinstadtbewohner selbst die skurillsten Marotten einfach hinnehmen. Keiner versucht groß, den anderen zu ändern.


    Morrisons Roman balanciert immer zwischen Alltag und Besonderem, zwischen Lebendigkeit und Einsamkeit - und vielleicht sind das ja auch gar keine Gegensätze, denkt man so nach dem Roman.


    Lesen oder nicht?


    Die poetische Sprache und die Bilder, die Morrison entwirft, wirken nach, aber dadurch muss sich der Leser den Roman auch erarbeiten; er muss sich darauf einlassen. Trotzdem ist es auch ein leichter Roman. Ich finde, Toni Morrison ist eine Autorin, von der jeder in seinem Leben etwas gelesen haben sollte.


    (c) Buchvogel-Rezension