Meerhexe - Irma Krauß (ab ca. 13)

  • Madeleine ist 13 und mit sich und der Welt unzufrieden. Was muß sie sich aus ausgerechnet in ihrem Musiklehrer verlieben! Und daheim herrscht Krisenstimmung... Irgendwie scheint in ihrem Leben grad alles schief zu laufen. Als sie im Schul - Musical statt der schönene Meerjungfrau zu allem Überfluß die häßliche alte Meerhexe spielen soll, ist sie am Boden zertsört - doch dann wird ihr klar, daß sie vor ihrer großen Chance steht.


    "Ein temporeicher Mädchenroman mit Selbstfindungsgarantie" verspricht die Werbung auf dem Buchrücken noch, was wieder einmal zeigt, daß Werbung und Bücher lesen zwei verschiedene Dinge sind. Irma Krauß schreibt nämlich keine "temporeichen" Bücher und das ist völlig in Ordnung so. Was sie beschreibt, und zwar seit gut 15 Jahren, sind sehr sorgfältig beobachtete und ebenso sorgfältig dargestellte innere Entwicklungen junger Mädchen am Beginn des Teenagerdaseins.
    Madeleine findet sich gerade furchtbar. Viel zu dick - nicht nur ist ihre eigene Mutter schlank und zart, nein, viel wichtiger, ihre beste Freundin Britta hat die ideale Bikini-Figur - , dumm und unmusikalisch - ihre Mutter ist Konzertpianistin, der Vater unterrichtet am örtlichen Konservatorium -, und zu jung: Ulrich, der neue Musiklehrer, ist mindestens 15 Jahre älter! Der etwa gleichaltrige Torsten dagegen, Klavierschüler bei Madeleines Großmutter, interessiert sich für überhaupt nichts anderes als Computerspiele. Keine Chance für Madeleine, bei einem ihre aufkeimende Weiblichkeit zu testen, der unter 'Frau' Lara Croft versteht! Und wenn schließlich der heißgeliebte Musiklehrer in einem nicht Andersens Kleine Seejungfrau, sondern die Alte Meerhexe sieht, ist ganz klar, daß etwas an einem falsch ist.
    Überleben mit Enttäuschungen, die einem eine langsam wachsende Weltsicht einbringen, ist ein Thema dieses Romans. Ein zweites ist es, zu erkennen, wie schwierig Liebe und Beziehungen sind. Da ist nämlich die Sache mit Ken, dem jungen Tenor aus England, mit dem die Mutter auf einer Tournee war, von der sie merkwürdig verändert wiederkommt. Madeleine erlebt, wie die Beziehung ihrer Eltern ins Wanken gerät, muß mit dem unglücklichen Vater, der glücklichen-unglücklichen Mutter und ihrem eigenen durcheinandergeratenen Gefühlsleben fertigwerden. Der krisenhafte Höhepunkt des Romans spielt nicht von ungefähr am Tag der Sonnenfinsternis.
    Doch geht das alles ohne große Reden, wilde Worte oder Auftritte vor sich. 'Ein Unsichtbarer im Haus' lautet der Untertitel des Buchs und unsichtbar, unmerklich schleicht sich da etwas ins Leben ein und verändert es. Wir nehmen es aus Madeleines Sicht wahr, hören ihre Stimme, wenn sie uns ihre Geschichte erzählt. Es ist eine Geschichte voller Erkenntnisse, über sich, über andere, über das Leben als etwas Unsicheres, Vorläufiges, sich stets Veränderndes. Und über die nicht selten ganz wunderbaren Möglichkeiten, die das Leben eben deswegen bietet.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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