Zum Inhalt:
Italien, Anfang der dreißiger Jahre. Tom arbeitet als Korrespondent einer englischen Zeitung in Rom. Die Liebe zu seiner Kindheitsfreundin Nenna hat ihn erneut in das von Mussolini beherrschte Italien geführt. Die friedliche Zeit ihrer Urlaube, die gemeinsam verbrachten Sommer mit den Familien und das Umherstreifen in der lichtdurchfluteten Stadt sind lange vorbei. Das aufkommende Unheil wirft seinen Schatten voraus.
Verzweifelt versucht Tom, Nenna aus den Klauen der politischen Propaganda und ihres verblendeten Vaters zu befreien. Die Gefahr, die ihnen als Juden vom Faschismus droht, ist noch nicht offensichtlich. Ein Verrat zwingt Tom, das Land zu verlassen und nach London zurückzukehren. Aber Tom will seine Liebe nicht aufgeben. Er setzt alles daran, Nenna zu retten. Koste es, was es wolle.
Zur Autorin:
Louisa Young hat jahrelang als Journalistin gearbeitet, u. a. für Marie Claire und Guardian. Sie lebt mit ihrer Tochter in London.
Meine Meinung:
Bei "Die Sommer, die wir hatten" handelt es sich um den dritten Teil einer Reihe. Man könnte die Bücher vielleicht auch unabhängig voneinander lesen - aber man nimmt sich damit, meiner Meinung nach, ein unvergleichliches Leseerlebnis. Seit dem ersten Teil "Eins wollt ich dir noch sagen" bin ich der Autorin rettungslos verfallen. Es ist nicht nur, dass die Epoche genau mein Beuteschema ist. Vielmehr hat sie eine so exquisite Sprache, mit der sie die tiefen Gefühle ihrer Protagonisten einfängt und beschreibt, dass ich jedes Mal, bei jedem Roman aufs Neue, begeistert bin.
Waren im ersten Band vor allem Riley und Nadine und ihre, alle Kriegsgräuel überstehende, Liebe im Zentrum des Geschehens, so geht es im zweiten Band "Worauf wir hofften" vor allem um die seelischen und körperlichen Schäden, die Riley und Peter erlitten und auch ihre Frauen und Kinder schwer getroffen haben. Jetzt im dritten Buch scheint die Vergangenheit fast doch noch bewältigt als sie sich schon wieder mit den schwierigen Zeiten und mit der Liebe rumzuschlagen haben. Es geht keineswegs nur um ein junges Liebespaar, wie der Klappentext vielleicht suggeriert. Es ist auch ein Buch über die Juden in Europa und explizit in Italien. Die italienischen Verwandten von Nadine sind Faschisten und denken, dass der Judenhass, der sich von Deutschland aus immer weiter ausbreitet, mit ihnen nichts zu tun hätte. Sie verschließen die Augen vor den ersten Rassendekreten, den ersten Anzeichen, dass Hitler den Duce auf seine Seite gezogen hat und ihnen im Heimatland Gefahr droht. Sie weigern sich, den englischen Freunden zuzuhören bis es fast zu spät ist. Aber auch in London ist nicht alles eitel Sonnenschein. Toms Vater hat sich in eine schwarze Amerikanerin verliebt und die ach so moderne Gesellschaft zerreißt sich darüber den Mund und macht der Familie das Leben schwer.
Glaubhaft und schmerzlich nah sind mir die Gefühle der Menschen gekommen. Selten habe ich schönere und dabei wahre Worte über die Zuneigung unter Menschen aber auch über die Liebe zum Vaterland gelesen. Dabei beschreibt die Autorin ebenso das Italien der 30er Jahre mit all seinen Facetten, wie sie ein nüchternes Bild der englischen Dekadenz entwirft. Und sie lässt die Furcht vor dem zweiten Weltkrieg so deutlich auferstehen, dass mir angst und bange um die Protagonisten geworden ist.
Ich verrat hier nicht, wie es ausgegangen ist. Die Geschichte war so nervenaufreibend spannend, dass ich mehr als einmal das Aussteigen aus der U-Bahn fast verpasst hätte. Dramatisch und wunderschön. Ein Genuss zu lesen. Mit vielen schönen Sätzen zum Rausstreichen und drüber nachdenken. Volle Punktzahl.