René Prêtre: In der Mitte schlägt das Herz. Von der großen Verantwortung für ein kleines Leben
Verlag: Rowohlt 2017. 352 Seiten
ISBN-10: 3498052780
ISBN-13: 978-3498052782. 19,95€
Originaltitel: Et au centre bat le coeur
Übersetzerinnen: Anja Malich, Maren Partzsch, Regine Schmidt
Verlagstext
Was empfindet ein Arzt, wenn er ein Neugeborenes operiert, dessen Leben am seidenen Faden hängt? Was sagt er einem schwerkranken Mädchen, das Angst hat, zu sterben? Und wie reagiert ein erfahrener Kinderherzchirurg, wenn in einem improvisierten OP in Kambodscha während des Eingriffs der Strom ausfällt? René Prêtre wuchs auf einem Schweizer Bauernhof auf – und wurde zu einem der angesehensten Herzchirurgen der Welt. Sein Weg war außergewöhnlich, und ebenso außergewöhnlich sind die Schicksale, mit denen Prêtre heute zu tun hat. In seinem Buch zeichnet er seinen Weg nun nach und berichtet vom Kampf gegen einen viel zu frühen Tod, von Hoffnung und Zweifeln und vom Glück, das er empfindet, wenn ein operiertes Kinderherz wieder zu schlagen beginnt. „René erzählt auf faszinierende Weise von Geheimnissen des Herzens, die mir ganz unbekannt sind. Ich empfinde seine Art, darüber zu sprechen, fast als lyrisch.“
Der Autor
René Prêtre studierte an der Universität Genf Medizin. Nach dem Studium zog er nach New York, dann arbeitete er in England und Frankreich. Ab 2001 war Prêtre Chefarzt der Kinderherzchirurgie am Kinderspital Zürich und Professor an der Universität Zürich. Seit 2012 ist er Professor und Klinikdirektor der Herz- und Gefäßchirurgie für Erwachsene und Kinder am Universitätsspital Lausanne. Seine Stiftung „Le Petit Coeur“ ist in Mosambik und Kambodscha tätig und operiert dort einmal im Jahr Kinder und Jugendliche. 2009 wurde er zum Schweizer des Jahres gewählt.
Inhalt
Als der Kinder-Herzchirurg René Prêtre 2009 zum Schweizer des Jahres gewählt wird, jubelt sein Team und seine Eltern sind stolz auf ihn. In Prêtres Arbeitsplan passt das Aufsehen um ihn als Medienstar weniger; denn er operiert gerade in Maputu/Mozambik. So nimmt ein südafrikanisches Fernsehteam einen Beitrag über den Schweizer Chirurgen auf. Prêtre kam als Bauernsohn im Schweizer Jura zur Welt und träumte als Kind von einer Karriere als Berufsfußballer. Prägend für Prêtres Berufsweg und entscheidend für seine Spezialisierung war seine Tätigkeit im New Yorker Bellevue Hospital. Das Bellevue ist berühmt dafür, dass Chirurgen dort an zahlreichen Schussverletzten aus Bandenkriegen Berufserfahrungen sammeln können wie sonst nur im Feldlazarett. Im Bellevue tat sich der junge Schweizer schon bald als begabter Operateur hervor. Weitere Meilensteine in Prêtres Biografie waren ehrenamtliche Tätigkeiten in Kambodscha und in Mozambik. Hier muss der Europäer erst lernen, seine Maßstäbe den Möglichkeiten anzupassen. Als Ausbilder der Chirurgen vor Ort legt Prêtre in beiden Ländern den Grundstein für den Aufbau einer Kinderherzchirurgie. In einem Alter, in dem ein Chirurg nicht zum ersten Mal darüber nachdenkt, wie ruhig seine Hände noch sind, zieht der Autor hier die Bilanz eines Chirurgenlebens. Selbstzweifel und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Scheitern spielen eine erstaunlich große Rolle in seiner Rückschau, handelt es sich bei tausenden von Operationen doch um nur wenige misslungene Fälle.
Fazit
Sprachlich macht Prêtres Lebensbilanz, die er zuerst auf Band sprach, es ihren Lesern anfangs nicht leicht. Kurze Abschnitte verschiedener Textarten, das Drinnen im OP, das Draußen New Yorks, Fakten, Reflexion, Fußnoten wirken anfangs unruhig wie eine Sammlung von Splittern. Vielleicht gibt diese Unruhe genau die Atmosphäre eines Nachtdiensts im Bellevue wieder zwischen Adrenalinschub und Erschöpfung. Später erzählt Prêtre linear und in längeren Absätzen weiter. Die Beiträge sind jedoch eher thematisch als chronologisch geordnet. Eine Reihe von Fachausdrücken ist zu bewältigen, so dass ich das Buch eher Laien mit medizinischen Vorkenntnissen empfehle.
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Zitat
„Ich brauchte noch einige Jahre, bis mich diese Anhäufung von Fällen in jene angenehme Sphäre hob, in der ich über echte Schwierigkeiten einer Operation urteilen, mich angemessen in die Mäander ihres Verlaufs versetzen konnte, um ihre Fallen zu antizipieren. Jene Sphäre, in der man mit Sicherheit weiss, dass man niemals diesen manchmal sehr schmalen Grat der kontrollierten Risiken verlassen wird.“ (Seite 45)
9 von 10 Punkten