Mike Revell: Wundervogel
FISCHER Sauerländer 2017. 336 Seiten
ISBN-13: 978-3737353748. 14,99€
Vom Verlag empfohlenes Alter: Ab 10 Jahren
Verlagstext
Liams Familie zieht nach Swanbury, in das Haus seiner Großmutter. Dass dem Ort etwas Magisches anhaftet, merkt Liam schnell. Denn hier begegnet er Wundervogel, der geflügelten Steinfigur vom Dach der Kirche. Wundervogel entpuppt sich als Beschützer und Bewacher über Liams neues Leben, in dem er noch nicht richtig angekommen ist. Und er scheint dem Jungen unerklärliche Mächte zu verleihen. Mit Wundervogels Hilfe kann Liam Dinge geschehen lassen, die vorher nur in seiner Phantasie möglich waren. Als Liam schließlich das alte Tagebuch seiner Großmutter in die Hände fällt, stellt er fest: Auch Großmutter hat Wundervogel gekannt – und er scheint gleichzeitig der Schlüssel zu einem großen Geheimnis zu sein, das sie hütet ...
Eine faszinierende Geschichte über die Kraft des Unerklärlichen und die Macht der Phantasie.
›Ein wirklich besonderes Debüt, reich an Herz, Hoffnung und der Kraft des Erzählens.‹ Bookseller
Der Autor
Mike Revell studierte Kreatives Schreiben in Essex, England und arbeitet als Sportjournalist. Er lebt mit seiner Freundin und seinem Hund in der Nähe von Cambridge, England. "Wundervogel" ist sein erstes Kinderbuch.
Inhalt
Der 11-jährige Liam fühlt sich, als hätte man ihn 1000 Meilen von seinen Freunden weg verpflanzt. Weil seine Großmutter nicht mehr allein leben kann und ins Heim kommt, zieht Liams Mutter mit ihm und seiner Schwester nach Swanbury/England ins Haus der Großmutter. Der Vater hat die Familie schon vor Jahren verlassen. Verständlich, dass Liam seinen Vater vermisst und sich in der belastenden Familiensituation von der Mutter vernachlässigt fühlt. Als einziger Mann im Haus spürt er den Druck, sich in seinem Alter nicht mehr zu fürchten. In der Schule wird er Ziel von Mobbing, weil er sich zu gut mit seiner Lehrerin versteht. Für einen Elfjährigen mit so vielen eigenen Problemen wirkt Liams Einfühlung in die Sorgen seiner Mutter da beinahe übermenschlich. Als im Umkreis einer baufälligen, mit Brettern vernagelten Kirche Liam ein riesiger Gargoyle entgegen schwebt, ist das der Beginn eines spannenden, unheimlichen Abenteuers. Während die zunehmende Demenz der Oma deutlich als Last zu spüren ist, kommt Liam im Tagebuch seiner Großmutter einem Geheimnis aus dem Jahr 1941 auf die Spur. Der Gargoyle als traditionelle Beschützerfigur stellt eine Verbindung her zwischen Enkel Liam und Großmutter Margaret Williams, die als Kind in Paris lebte. Die Zeit des Zweiten Weltkriegs und des Nationalismus ist gerade Unterrichtsstoff in Liams Klasse. Als Hausaufgabe seine demente Großmutter zu interviewen, kann der Junge sich nicht vorstellen. Glücklicherweise gibt es im Ort ehemalige Schülerinnen von Margaret, die sich an sie erinnern. Auch Liams Lehrerin, Mrs Culpepper, war Schülerin von Margaret Williams. Leider macht Liam sich bei den Jungen seiner Klasse mit seinen Unterrichtsbeiträgen keine Freunde. Dass Steinvogel früher seiner Großmutter Halt und Trost vermittelte und auch ihm besondere Fähigkeiten verleiht, wird immer deutlicher.
Fazit
Mike Revell zeigt sich als temperamentvoller Erzähler, der meine Geduld mit Logiklöchern jedoch stark strapaziert hat. Dass ein 11-Jähriger eine 86-jährige Großmutter mütterlicherseits hat, scheint mir weit hergeholt. Die Enkel dieser Frauengeneration wären heute vermutlich eher um die 30 Jahre alt. Wie die Familie der Großmutter aus Paris über ein Exil in Spanien 1941 wieder nach England gelangt ist, bleibt offen. Unrealistisch finde ich bei einer Demenzkranken auch, dass ihre ungewöhnliche Kindheit in Frankreich nicht zur Sprache kommt, obwohl Demenzkranke ihre Kindheit im Alter häufig nacherleben.
Der ungewöhnlich reife, selbstlose Liam gibt wenig darauf, welche Rollenzuschreibungen für Jungen gerade gelten. Mit Hilfe des Phantasie-Gargoyles löst er das Rätsel um seine Großmutter auf eine originelle Art. Die Figur eines Gargoyle könnte zunächst ein Fantasybuch vermuten lassen. „Wundervogell“ ist jedoch eher ein Problembuch mit einer männlichen Hauptfigur und ein paar Anfänger-Schwächen im Text. Mit Krieg, Nationalsozialismus, Demenz, der Außenseiterrolle eines Neuen in der Klasse und einem abwesenden Vater lädt Revell in seinem Erstling zehnjährigen Lesern einen Berg an Problemen auf. Der äußere Umfang des Buches wirkt zunächst einschüchternd, im Lesefluss sind kurze Kapitel mit großzügigen Zwischenräumen von der Zielgruppe ab 10 gut zu bewältigen.
7 von 10 Punkten