Wie lässt sich der Teufelskreislauf der Rezession, der Depression, der Jammerei stoppen?

  • Wir hatten auch keine Beamten in der Familie, nur zwei Unternehmer, von denen der eine nach dem Krieg nie mehr auf die Beine kam, das war mein Großvater, er war Bäcker und konnte aufgrund einer (Kriegs)verletzung nicht mehr seinen Beruf ausüben. Er war wirklich ARM, kaum Rente, nichts erspartes (woher auch), trotzdem war dieser Mann einer der zufriedensten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Urlaub???? Das war für ihn ein Fremdwort.


    Meine Eltern haben sich jedes Jahr das Geld für einen Urlaub in Bayern oder Österreich zusammen gespart. Leicht gefallen ist es ihnen nicht aber sie haben es immer geschafft.


    Mein Vater war Arbeiter. Er konnte damals mit Montagearbeiten mehr Geld nach Hause bringen als manch Angestellter aber dafür hat er sich auch den Buckel krumm geschuftet und sich förmlich um Überstunden und Mehrarbeit gerissen. DAMIT hat er letztendlich das bisschen Luxus finanziert und hat es mit ziemlich schweren gesundheitlichen Einbußen bezahlen müssen.


    Das einzige, was Iris wohl aussagen wollte, ist, dass sich das 'Wirtschaftswunder' nicht so dargestellt hat für die meisten, wie es heute nostalgisch betrachtet wird. Uns ging es nicht wirklich besser, wir waren nur mit weniger zufriedener als heute mit mehr.


    Gabi

  • Um die Story von Iris fort zu setzen:
    Anfang der 70er hat man dann seine zweihundertquadratmeterhütte auf dem tausendquadratmetergrundstück mit hohen Schulden gebaut. Natürlich mit einer Garage, doch mangels Geld blieb die leer und man nahm den Bus und die Bahn zur Arbeit, die über 30km entfernt war und somit ein Tagespensum von vierzehn Stunden garantiert blieb. Der erste Urlaub im Allgäu kam dann Ende der 80er Jahre, als die materiellen Sorgen endlich überwunden schienen. Für ein paar Jahre lebte man dann in einem bescheidenen Überfluss, bis gesundheitliche Probleme der Karriere ein jähes Ende setzten. Und siehe da, schon kamen die materiellen Sorgen wieder, denn just zu diesem Zeitpunkt wurde es zum Luxusvergnügen, krank zu werden.
    Wenn ich das vorstehende so durchlese, dann merke ich, daß einige Leute noch nicht das Vergnügen hatten, arbeitslos zu werden. Der Spruch, daß in D niemand zu hungern brauche, kann nur jemand ablassen, der diese Situation noch nicht erlebt hat und von HartzIV noch nicht leben mußte. Wer also immer noch den Spruch von "jammern auf hohem Niveau" sabbelt, soll mal ausprobieren, wie es ist, in ein Ghetto mit Billigmieten abgeschoben zu werden und mit max 4 Eu am Tag auszukommen. Wie es sich anfühlt, wenn alle bisherigen soziale Kontakte zum Teufel gehen, weil man nicht mehr mithalten kann und wenn die Kino/Theater/Konzertbesuche nicht mehr möglich sind. Wenn selbst die tägliche Zeitung nicht mehr bezahlt werden kann. Und wenn man nur um die Runden kommt durch die Teilnahme an der kostenlosen Mittagstafel der Heilsarmee oder anderer Hilfsorganisationen.
    Ach ja, strahlend weisse Zähne bleibt für diese Menschen nur noch ein Wunschtraum, weil unbezahlbar. Ich kenne einige, die seit neuestem nur noch auf der Felge kauen.
    Leute, bleibt wenigstens bei der Behandlung dieses Themas auf dem Boden der Realität.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Iris
    Es ist unsere eigene heutige Einstellung, falsche Vorstellungen von einer nie dagewesenen "guten alten Zeit", verlorene Träume und Ideale usw.


    Das Problem ist nicht "die Gesellschaft", "der Staat", "die Politiker", "die Terroristen", "die Konzerne" -- die Probleme namens Angst und Unzufriedenheit haben ihre Wurzeln in uns selbst. In jeder/m von uns!


    Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Sogar als "Alt68er". :grin :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Historikus
    Wie lässt sich der Teufelskreislauf der Rezession, der Depression, der Jammerei stoppen?


    In dem man nicht alles schlecht redet, sich einfach (und das gerne im mehrdeutigen Wortsinn) am Leben freut und anderen Menschen ab und an Freude macht. So einfach ist das! :-)


    Und jetzt gehe ich über's WE mit ein paar Eulen Moppedfahren und mich ganz arg am Leben freuen, ganz ohne Rezession, Depression und Jammerei.


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Iris
    "Fette Jahre"??? Wann waren denn die? :grin


    Nun, ich hatte sie, als Teenager. Ich hatte das Glück, in eine wohlhabende Familie hineingeboren zu werden. Ein Walkman? Ich hatte einen der ersten, den es gab. Ein PC, ein Mountainbike? Alles kein Problem. Urlaubsfernreisen? Natürlich.


    Ich muss heute den Gürtel schon gewaltig enger schnallen, weil ich den Ehrgeiz habe, allein (d.h. ohne elterliche Hilfe) über die Runden zu kommen. Meine fetten Jahre sind vorbei. Und meine Kinder werden sicher materiell eine andere Kindheit haben als ich.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

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  • Hm...wir hatten nie wirkliche "fette" Jahre...sondern meine Eltern mußten schon jeden Pfennig einzeln umdrehen...und wir müssen es auch jetzt wieder....und in Zukunft sogar noch mehr, weil aus gesundheitlichen Gründen finanziell bedroht.


    Dennoch kann ich den Wandel, der sich meiner Meinung nach im Zusammenleben von Menschen zeigt, nicht begreifen oder nachvollziehen.


    Woran das genau liegt, was mich stört....darauf könnte ich noch nichtmal den Finger genau legen, muß ich zugeben.


    Die Einzelkämpfer-Mentalität...das Hauptsache-Ich...das Florians-Prinzip eben.


    Vielleicht hab nur ich diesen Eindruck...aber ich finde schon, dass sich Menschen früher sozial besser verhalten haben.


    Zusatz: keine Frage, dass kein Mensch dem anderen wirklich etwas richtig abnehmen kann...an realen Sorgen und Problemen...aber so egozentrisch wie unsere sogenannten zivilisierten westlichen Staaten mir erscheinen...also, ich weiß und wüßte nicht, wie man das noch umkehren kann :-(

  • Zitat

    Original von Iris


    Ach, damit bin ich dir auf die Zehen gestiegen! :grin


    Überhaupt nicht. "Alt68er" war mal - jetzt nicht mehr. Aber wie sagt man doch: Wer in seiner Jugend kein Kommunist gewesen ist, der hat nicht gelebt.......oder so ähnlich.


    Nein, ich fand deine Bemerkung, die ich weiter oben zitiert hatte, wirklich sehr gut. Ich habe sie so verstanden: Die Schuld einfach mal bei sich selbst suchen, nicht immer nur die anderen (Gesellschaft, Eltern etc.) verantwortlich machen.


    Und als "68er" haben wir eben dieses getan. Die anderen, die Gesellschaft, die Schule, die Eltern....sie waren verantwortlich. Wir haben aber nicht gesehen, dass der Schlüssel für positive Veränderungen eigentlich in uns war. Nur haben wir diesen Schlüssel bis heute nicht gefunden und wenn wir ihn gefunden haben, dann hatten wir bereits resigniert, es war auch einfacher, die Schuld bei anderen zu suchen, als vielleicht selbst noch was zu verändern oder wenigstens es zu versuchen.


    Auch für mich gilt: Ich sitze lieber auf der Terrasse, bei einem schönen Merlot, mit einem Buch vor der Nase oder in einem angeregten Gespräch mit ehemaligen "Salonsozialisten" - als vielleicht mal den Arsch hochzukriegen und zu versuchen etwas zu verändern.


    Iris, du hast mit deiner Bemerkung wirklich getroffen. Das regt wirklich zum Nachdenken an. Danke dafür.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Baumbart
    Vielleicht hab nur ich diesen Eindruck...aber ich finde schon, dass sich Menschen früher sozial besser verhalten haben.


    Naja, meine Erfahrung ist, daß "früher" Anpassung extrem wichtig war: Die Kinder wählten Berufe, die die Eltern ausgessucht hatten, übernahmen den elterlichen Betrieb, man verharrte von der Wiege bis zur Bahre in seinem sozialen Umfeld. Außenseiter und "Rebellen" wurden ausgegrenzt und tw. geradezu als "Verräter", als "Abschaum" betrachtet. Der Gruppendruck war enorm hoch!
    Das gibt andererseits auch sehr viel Sicherheit, speziell wenn die Umstände schwierig sind.


    Heute dagegen herrscht tatsächlich ein Ideal des unbeschränkten Idealismus vor. Doch während das Konzept der Anpassung an die eigenen Gruppe über lange Zeit mehr oder weniger funktioniert hat, ist dieses Prinzip als allgemeines Prinzip schon nach zwei Generationen gegen die Wand gefahren.


    Das Richtige liegt vermutlich irgendwo in der Mitte.


    Und die Frage entscheidet sich nicht in der Gestaltung der Lebensumstände durch andere, sondern darin, wie jede/r einzelne von uns sein/ihr Denken, Fühlen und damit sein/ihr Leben mit anderen gestaltet.


    Zu diesen Fragen und Problemen fand ich in letzter Zeit -- auch wenn ich keine praktizierende Katholikin bin -- die Bücher von Ratzinger sehr aufschlußreich. Auch er ist der Ansicht, daß man kein Christ sein muß, um ein gutes Leben zu führen (er ist verständlicherweise allerdings der Ansicht, daß das Christentum die besten Letzbegründungen liefert, aber darüber kann man ja verschiedener Auffassung sein).


    Im letzten Jahrhundert sind eigentlich alle politischen und sozialen Utopien gescheitert, und wir versinken im Gewurstel des hoffnungslosen Pragmatismus.


    »Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die normalen gebracht haben.« (G.B. Shaw)


  • Dann bin ich ja richtig gut dran, dass ich von Menschen umgeben bin, die DAS noch nicht wirklich gelernt und angenommen haben :knuddel1


    Gabi :wave

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Auch für mich gilt: Ich sitze lieber auf der Terrasse, bei einem schönen Merlot, mit einem Buch vor der Nase oder in einem angeregten Gespräch mit ehemaligen "Salonsozialisten" - als vielleicht mal den Arsch hochzukriegen und zu versuchen etwas zu verändern.


    Beides ist wichtig! :-)
    Wenn man die Stille und das Gespräch nutzt, um darüber zu reflektieren, was richtig ist und was falsch, was man tun kann und was nicht, seine Ansichten modifizieren anhand eigener und anderen Erfahrungen, wie man Beistand mobilisieren kann, aber auch Beistand leisten.
    All das hat seine Zeit. Dann kann man auch immer wieder die Ärmel hochkrempeln. :-)

  • Zitat

    Original von Gabi


    Dann bin ich ja richtig gut dran, dass ich von Menschen umgeben bin, die DAS noch nicht wirklich gelernt und angenommen haben :knuddel1


    Gabi :wave


    Hallo Gabi :-)


    yepp...:-) Und ich weigere mich...und ich werde mich mein ganzes Leben weigern, auf dieses andere Ufer zu gehen...:-)


    Eher schwimme ich mit einigen wenigen Menschen gegen diesen Strom...im kleinen Kreis...aber kann mich noch erkennen und waschen, wenn ich mich im Spiegel morgens ansehe :-)


    Lieber bleib ich mein ganzes Leben lang arm...es gibt Schlimmeres!


    @Iris...stimme Dir zu. Kleine Schritte, die man gehen muß...manchmal sind es die schwerwiegenderen...langfristig gesehen!


    :wave
    Baumbart


    ...wünsche Euch allen noch einen schönen Tag. Es ist schön bei den Eulen :-)

  • Zitat

    Original von bogart
    irgendwie klingt das jetzt ein bissel wie in einem esoterik-seminar!


    bo (agent provocateur) :-)


    :lache...Hallo Bo :knuddel1


    ...sorry, muß endlich was tun. Bis dann :-)

  • danke, baumi! :knuddel1
    hatte schon ein wenig angst, mein humor geht heute nach hinten los!


    bo :grin


    PS: aber irgendwas muss ich ja machen, wenn keiner auf meine ernsthaften beiträge antwortet...

    Es gibt nur einen Weg das herauszufinden...

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von bogart ()


  • ääääääääääääähm, verstehe ich das jetzt richtig????


    Ich bin am anderen Ufer, hab meinen Spiegel weggeschmissen und bin reich wie Graf Rotz ................oder was:gruebel ?????


    Erklär mal, ich bin schwer am Denken aber mir fällt dazu grad nix ein :wow.


    Gabi

  • Zitat

    Original von bogart
    irgendwie klingt das jetzt ein bissel wie in einem esoterik-seminar!


    Wennste magst, kriegste sofort das passende Bibelzitat. Z.B. Prediger 3


    Edit: Ernsthafte Beiträge? Du? Wo?


  • Huch, nee...um Himmels willen nicht, Gabi...sorry, ich meinte doch nicht DICH damit. Entschuldigung, das kam zu blöd raus von mir!... :knuddel1


    Nee, nee...ich kenne nur solche Leute eben auch...und erschrecke mich darüber immer wieder.


    ...............................


    @Bo...nee, nee...passt scho mit Deinem Humor! Bis denne ;-)

  • Diese elende Jammerei in Deutschland geht mir voll auf den Senkel ! Manche Leute wissen garnich wie gut sie es haben.


    Offenbar hat man in unserer Konsumgesellschaft verlernt sich an einfachen Dingen und am Leben an sich zu freuen !






    Zitat

    Original von bogart
    [bo...macht jetzt auf ernst :write

    :wow krass...