Wie lässt sich der Teufelskreislauf der Rezession, der Depression, der Jammerei stoppen?

  • Zitat

    Original von die_kleene
    aber das ist bei uns auch so...
    und ich bin "nur" eine popelige angestellte, mit einer mind 40-stunden woche (selbstaufgelegte 48-56 stunden woche, dass ich auch mal wieder bücher kaufen kann)...
    mich kann man aber rausschmeissen, wenn ich mecker...


    Genauso ist das bei uns auch. Und nicht nur selbstauferlegte Überstunden sondern auch das Selbstverständnis, diese ohne zu murren zu machen. Ich bin ja nur froh, dass mein Job mir Spaß macht und dass die Kollegen okay sind, sonst wär's ja grausam.

  • Eigentlich hätte jetzt BJ anworten sollen, denn gerade bei ihr und ihren Kollegen trifft das Jammern auf hohem Niveau besonders zu, sollte man meinen. Tatsache ist aber, daß viele ihrer Kollegen als Dienstanfänger sich erstmal die Eingeweide aus dem Leib kotzen, wenn sie ihren ersten Straßentoten oder Schwerverletzten nach einem Unfall sehen. Mit der Zeit gibt sich das, denn man stumpft ab (zumindest glauben das viele). Tatsächlich aber ist die Anzahl der alkoholkranken Polizisten bedenklich. Eben weil sie einen Job erledigen müssen, der seine psychischen Spuren hinterläßt. Ich vergesse nie, wie ich als kleiner Junge in den 50ern mit meinen Eltern nach Italien in den Urlaub fuhr und neben mir vor dem Rücksitz der Schuh eines Toten mit einem halben Fuß lag. Mein Vater (damals Gendarm und in der Nacht noch vor Ort bei einem Unfall) hatte ihn schlicht vergessen beim Beladen rauszunehmen. Und die Situation der Polizisten hat sich seither nicht verbessert.
    Und wie sieht die Realität bei den Verwaltungsbeamten aus? Eine besonders hohe Anzahl an Herzinfarkten und Magenerkrankungen. In manchen Bereichen (Sozialämter etc) kommt ebenfalls eine große Anzahl an Alkoholkranken hinzu. Ständig den Mist der hohen Politik gegen besseres Wissen umsetzen zu müssen und als Dank von allen Seiten Prügel zu beziehen (auch von denen, die das ja angeleiert haben), das frustriert enorm. Das sind Dinge, die immer unter den Teppich gekehrt werden, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Auch hier haben sich die Arbeitsbedingungen permanent verschlechtert.
    Wer nicht die Mühle des öffentlichen Dienstes am eigenen Leib erlebt hat, kann sich da kaum ein treffendes Urteil erlauben.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Hallo Demosthenes,
    das liest sich gradezu, als sei ein Job im öffentlichen Dienst extrem gesundheitsgefährdend. Lauter Herz- und Magenkranke und Alkoholiker. Dieses Bild ist mir zu einseitig gezeichnet. Wer heute im Berufsleben steht, ist sicher unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt, aber ich kann wirklich nicht erkennen, dass das im öffentlichen Dienst so krass über dem üblichen Durchschnitt liegen soll. Du erwähnst die außergewöhnlichen Belastungen im Polizeidienst. Sicher gehört ein gesundes Nervenkostüm dazu, den Dienst mit vielen Unfalltoten oder Kriminalitätsopfern zu verkraften. Bei der Polizei werden regelmäßige Gespräche mit Fachleuten angeboten. Da hat sich im Gegensatz zu früher viel geändert. Man achtet schon auf die seelische Gesundheit der Leute. Schon aus Eigeninteresse.


    Ähnlich belastende Berufe gibts auch außerhalb des Staatsdienstes. Da gibts sicher mehr Beispiele als mir ad hoc einfallen z. B. die der Ärzte und Krankenpflegepersonal. Und auch Psychologen haben mitunter enorm viel auszuhalten, ohne gleich zur Flasche zu greifen.


    Ich erlaube mir mal, dagegen zu halten, dass es immer noch mehr gesunde, als kranke Staatsdiener gibt. Vielleicht fällt der Gang zum Arzt einigen etwas leichter, weil der Arbeitsplatz nicht so gefährdet ist, wie in der freien Wirtschaft. Noch jedenfalls. Nach dem Willen vieler Politiker soll sich genau dieser "Vorteil" demnächst rapide ändern.


    Zitat

    Ständig den Mist der hohen Politik gegen besseres Wissen umsetzen zu müssen und als Dank von allen Seiten Prügel zu beziehen (auch von denen, die das ja angeleiert haben), das frustriert enorm.


    Du schreibst das jetzt zum zweiten Mal. Ja meine Güte, das ist der Job der Beamten im Verwaltungsdienst. So viel schlimmer, als Fliesen legen oder Klamotten verkaufen ist das nicht. Und jeder, der sich darauf eingelassen hat, sollte sich wenigstens vorher in etwa über die Aufgaben informieren, die da kommen können. Keiner wurde meines Wissens gezwungen, so was entsetzliches zu tun. Die Urkunden müssen schon freiwillig angenommen werden, um ein Beamtenverhältnis zu begründen. ;-)


    Beamte haben in der letzten Zeit mehr als die Angestellten im öffentlichen Dienst Einbußen hinnehmen müssen, aber trotzdem kenne ich kaum einen, der seinen Status aus diesen Gründen von heute auf morgen aufgeben würde, weil das alles nicht mehr auszuhalten ist.

    Lieben Gruß Idgie



    Erst wenn man viel gelesen hat, lernt man wenig Bücher schätzen.

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  • *hüstel*


    Wie man weiß, sterben Männer ja im allgemeinen früher als Frauen.
    Aber die Männer, die lange leben, waren allesamt im Staatsdienst...das behaupte ich jetztmal ganz frech, aus eigenen 12jährigen Beobachtungen auf der ARbeit.

  • Zitat

    Original von Idgie
    Du erwähnst die außergewöhnlichen Belastungen im Polizeidienst. Sicher gehört ein gesundes Nervenkostüm dazu, den Dienst mit vielen Unfalltoten oder Kriminalitätsopfern zu verkraften. Bei der Polizei werden regelmäßige Gespräche mit Fachleuten angeboten. Da hat sich im Gegensatz zu früher viel geändert. Man achtet schon auf die seelische Gesundheit der Leute. Schon aus Eigeninteresse.


    Wo hast du denn diesen Unsinn ausgegraben? Mir ist noch nie ein solches Gespräch angeboten worden und ich komme aus einer ziemlich großen Stadt in Deutschland.
    Und nur ein gesundes Nervenkostüm reicht eben nicht, um mit den Belastungen gerade auch als Polizist fertigzuwerden. Ich würde dich gern einmal zu einem Tatort mitnehmen, wenn dort eine halb verweste Kinderleiche liegt. Das sind Bilder die du nie vergisst. Jemand der etwas anderes behauptet sagt schlicht die Unwahrheit.
    Und in dem Fachdezernat wo ich tätig bin, sieht man schon eine ganze Menge Leichen. :wave


    Und wenn das alles so einfach wäre, dann frage ich mich, warum es immer wieder Leute gibt, die nur weil sie mal eine Leiche entdeckt haben, in psychologische Behandlung müssen.


    Polizeiarbeit entspricht keinem Fernsehklischee. Die Realität ist leider noch viel härter.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Wo hast du denn diesen Unsinn ausgegraben?


    Wie charmant, dass du das gleich als Unsinn abkanzelst? Das ist nicht so ganz meine Art eine Diskussion zu führen, aber vielleicht habe ich mich auch nicht klar genug ausgedrückt.
    Bevor hier also Mißverständnisse entstehen, versuch ich es noch mal deutlicher:
    Also, wer sich für einen bestimmten Beruf entscheidet, sollte sich ungefähr ein Bild von den Tätigkeiten machen, die einen erwarten. Klar kann man sich nicht auf den Anblick von Toten vorbereiten und entsprechend rüsten. Und ganz sicher auch nicht auf Dauer abhärten. Und ich habe nicht gemeint, dass man sowas locker wegsteckt. Wer bis zur Pensionierung in diesem Beruf aushalten will und Wert auf seine Gesundheit legt - auch auf die seelische - der ist sicher gut beraten, fachliche Hilfe einzuholen. Genau aus diesem Grund werden hier auch den Polizeibeamten regelmäßig Gespräche angeboten. Da gibt es die Möglichkeit zu Gesprächen mit Psychologen und/oder Seelsorgern. Wenn es sowas in deinem Bereich nicht gibt, ist das schade. Eigentlich hätte ich erwartet, dass das inzwischen zum Standard gehört. Gibt ja auch so was wie Fürsorgepflicht.


    Ich glaube eher nicht, dass Beamte, die unter extremen Belastungen stehen, das auf Dauer durchstehen können.
    Insofern hast du meinen Satz mit dem gesunden Nervenkostüm sicher falsch verstanden. Das sehe ich allenfalls als Grundvoraussetzung für die Wahl eines solchen Berufs an, nicht für den Garant, dass man ohne Schaden zig Dienstjahre übersteht.


    Zitat

    Und wenn das alles so einfach wäre, dann frage ich mich, warum es immer wieder Leute gibt, die nur weil sie mal eine Leiche entdeckt haben, in psychologische Behandlung müssen.


    Na aus meiner Sicht, weil sie dort gut aufgehoben sind, wenn die eigenen Methoden nicht ausreichen, solche Erlebnisse zu verarbeiten. Inzwischen dürfte sich wohl auch rumgesprochen haben, dass es kein Zeichen von persönlicher Schwäche ist, wenn man im Bedarfsfall psychologische oder ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt.