Titel: Jetzt. Die Geschichte meines Abenteuers mit der Phantasie
Autor: Karl Heinz Bohrer
Verlag: Suhrkamp
Erschienen: März 2017
Seitenzahl: 542
ISBN-10: 351842579X
ISBN-13: 978-3518425794
Preis: 26.00 EUR
Karl Heinz Bohrer wurde 1932 in Köln geboren. Er war Literaturkritiker, Herausgeber, Wissenschaftler, Verfasser von Werken um die zentrale Idee des Momentanismus, der Plötzlichkeit. Bohrer war mit der Autorin Undine Gruenter verheiratet, die mit nur 50 Jahren 2002 viel zu früh verstarb.
Bohrer ist einer, der keiner Konfrontation aus dem Wege ging, hatte keine Bedenken sich gegen den Mainstream zu wenden – er redete nicht um die Dinge herum; Karl Heinz Bohrer kam stets schnell und direkt zur Sache.
Schon als Leiter des Literaturteils der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG war er umstritten, hat sich aber nie von seiner Linie abbringen lassen – auch nicht, als er als Herausgeber des MERKUR fungierte. Während seiner Zeit als Hochschullehrer war er ohne Frage ein Gegenpol der Linken, gerade auch der linken Professoren an den Hochschulen. Bohrer war ein Verfechter der zentralen Theorie der Plötzlichkeit, er hielt nichts von denen, die versuchten sich „geschichtsphilosophische Sinnhorizonte hinzubiegen“.
Er war den realitätsfernen Linken ohne Frage ein Dorn im Auge. Ein Streiter für seine Ansichten mit Courage und ohne Angst vor den Dogmatikern der linksradikalen Bewegung.
Karl Heinz Bohrer ging unbeirrt seinen Weg, war dabei aber durchaus auch tolerant und konnte – im Gegensatz zu vielen anderen – auch zuhören und das Gehörte gedanklich verarbeiten. Die öffentliche Meinung hat ihn offensichtlich nie interessiert, denn wie hätte er sonst mit Ulrike Meinhof befreundet sein können.
In den neun Kapiteln dieses Buches erzählt Karl Heinz Bohrer nicht nur seine Lebensgeschichte, er schaut auch über den literarischen und philosophischen Tellerrand. Und als Vielleser hat man dann irgendwie den Eindruck, dass wohl genaugenommen gar nicht so sehr viel über Literatur weiß; eine Erkenntnis die gerade auch den selbstgerechten vermeintlichen „Literaturkennern“ gut Gesicht stehen würde.
Bohrer wurde 1932 geboren und wenn man sich jetzt einfach mal umschaut, dann ist dieses intellektuelle Niveau, was er verkörpert, kaum noch zu finden – vielleicht ist es ja auch schon ausgestorben. Stattdessen finden wir hohle und banale Romane, die Beliebigkeit feiert echte Orgien, das literarische Niveau ist knapp davor „unter Null“ zu sinken. Bohrer könnte, auch in seinem hohen Alter, vielleicht dann doch noch der Hoffnungsschimmer sein, das Licht am Ende des Tunnels. Wäre schön, wenn da wirklich etwas nachwachsen würde.
Karl Heinz Bohrer ist tolerant aber dabei auch so herrlich kompromisslos. Statt Anpassung findet man bei ihm Widerspruch und eigenes Nachdenken. Pathetisch könnte man ihn als den „Schrecken des Mainstreams“ bezeichnen.
Ein wunderbares Buch, das man als Meisterwerk bezeichnen kann ohne sich dabei zu weit aus dem Fenster zu hängen, ein Buch das einem den Glauben an die Vielfältigkeit und die intellektuelle Tiefe der Literatur zurückgeben kann. 9 Eulenpunkte.