Stephanie Danler: Sweetbitter

  • Stephanie Danler: Sweetbitter
    Aufbau Verlag 2017. 416 Seiten
    ISBN-13: 978-3351036720. 21,95€
    Originaltitel: Sweetbitter
    Übersetzerin: Sabine Krey


    Verlagstext
    „›Sweetbitter‹ wird eine Menge Leute hungrig machen.“ The New York Times
    Eigentlich wollte Tess nicht Kellnerin werden. Sie wollte ihrer provinziellen Herkunft entkommen, in die Großstadt eintauchen und endlich herausfinden, wofür sie geschaffen ist. Doch dann landet sie in einem edlen New Yorker Restaurant und es ist wie der Eintritt in ein neues Universum, in dem ganz eigene Regeln und Gesetze herrschen, in dem der falsche Wein im falschen Moment zum Verhängnis werden kann. Oder die Ignoranz gegenüber der Einzigartigkeit einer Auster. Sweetbitter ist ein großer Roman über den Genuss und die Obsession – darüber, dass man manchmal besessen sein muss, um wirklich genießen zu können.
    „Eine rohe, schnörkellose, beißende, wilde Liebesgeschichte.“ People Magazine


    Die Autorin
    Stephanie Danler fing im Alter von 15 Jahren an, in Restaurants zu arbeiten. Als sie 2006 nach New York kam, um dort kreatives Schreiben zu studieren, begann sie im edlen Union Square Café zu kellnern. Sie verliebte sie sich in die Arbeit, das Essen, die Leute und die Stadt. Inspiriert durch ihre Erfahrungen aus dieser Zeit, schrieb sie ihr Debüt „Sweetbitter“. Stephanie Danler lebt in Brooklyn, New York.


    Inhalt
    Tess hat gerade ein Anglistik-Studium abgeschlossen und nun wie die meisten jungen Amerikaner ihr Studiendarlehen abzuzahlen. Doch zuvor verordnet sie sich eine Atempause, in der noch keine Entscheidungen über ihr weiteres Leben zu fällen sind. In New York bewirbt sie sich als Hilfskellnerin im derzeit beliebtesten Restaurant der Stadt. Die Entscheidung scheint spontan gewesen zu sein, einfach ein Orts- und Szenenwechsel ohne konkretes Ziel. In einem tropisch heißen Sommer, der die Stromversorgung der Stadt zusammenbrechen lässt, muss Tess sich zunächst als Hilfskraft hocharbeiten, ehe vom Kellnerjob überhaupt die Rede sein kann. Schnell muss sie einsehen, dass Jobben im Café sie auf diese Knochenarbeit nicht vorbereiten konnte. Kellnern in der Edelgastronomie guckt man sich nicht kurz innerhalb einer Stunde ab. In der Hierarchie eines großen Betriebes mit Tischen auf drei Ebenen ist Tess ein Niemand. Dafür, dass man ihr weismacht, sie wäre etwas Besonderes, wird sie sich fortan abrackern und oft nur mit Drogen, Aufputschmitteln oder Alkohol vorwärts treiben. Der Stundenlohn einer Hilfskellnerin reicht kaum für ein winziges WG-Zimmer. Zügig soll Tess sich Warenkunde aneignen, in Gesprächen mit Gästen Fachkunde demonstrieren und die Maschinerie des Restaurants möglichst wenig stören. Hierher kommen Gäste nicht wegen des Essens, sondern um zu sehen und gesehen zu werden, raunt ihr ein Kollege zu. Das Restaurant dient der Schickeria der Stadt als Bühne, die Kellner agieren als Schauspieler. Aufgabe des Personals ist es, den Gästen zu einem hohen Preis ein Erlebnis zu verschaffen. Tess‘ Einarbeitung besteht neben der handwerklichen Routine zum großen Teil aus Name-Dropping zu Lebensmitteln, Weinen und Herkunftsländern, das sie nicht weiter hinterfragt. Weder berufliche Identität in der Gastronomie noch Genuss oder Geschmack sind Thema des Buches. Aufgebaut wird im Restaurant nur eine Fassade von Qualität. Was aus fernen Ländern kommt, selten oder teuer ist, muss automatisch gut sein. Man muss hier nicht wirklich sachkundig sein, aber den Gästen eine gute Geschichte zu erzählen haben. Tess hinterfragt diese Scheinwelt nicht, sie bildet sich kein Urteil, ob die Gerichte den Gästen oder ihr selbst schmecken. Wie Tess scheinen auch einige ältere Kollegen, mit denen sie nun den zentralen Teil ihres Lebens verbringt, noch zwischen Baum und Borke zu stecken und sich vor der Entscheidung für eine Berufsidentität zu drücken. Auffällig intensiv wird im Team über Kunst, Literatur und Film gesprochen. Mehrere Kollegen sehen sich „eigentlich“ als Autoren, Sänger oder Regisseur in Wartestellung.


    Manchmal darf man einfach leben, ohne Ahnung zu haben, was das Ziel ist, fasst Geschäftsführer Howard die Stimmung des Romans treffend zusammen. „Sweetbitter“ hat einen engen biografischen Bezug; die Autorin hat selbst in der Edelgastronomie gearbeitet. Romane, in denen es um das Kochen, Backen oder um Restaurants geht, verkaufen sich erstaunlicherweise immer noch wie von selbst. Einige Szenen, wie die der Küche als kochend heiße Hölle, in der geflucht und geschwitzt wird, sind wirklich gelungen. Hier wird ein New-Adult-Roman über den Selbstfindungsprozess einer jungen Hilfskellnerin gehypt, der meine Erwartungen an das Thema Essen und Genuss nur teilweise erfüllt hat. Eine distanzierte und unreflektierte Hauptfigur, die kaum den Blick hebt für ihre Mitmenschen und das Funktionieren des Prinzips Restaurant, eignet sich nur bedingt als Icherzählerin. Stephanie Danler kann zwar eine Persönlichkeit charakterisieren, die ihrer eigenen Generation angehört; die Figuren, die sich in Alter und Hintergrund von Tess unterscheiden, bleiben jedoch sehr flach. Ein Restaurant würde einen Fundus an eigenwilligen Typen bieten, der hier von der Autorin zum großen Teil verschenkt wird.


    Fazit
    Als New-Adult-Roman für Leser, die im Lesesessel gern noch länger 25 bleiben möchten, ist Sweetbitter kein schlechtes Buch. Es gibt köstliche Einblicke in US-amerikanische Oberflächlichkeit; ich bin mir nur nicht sicher, ob die Autorin diese Wirkung beabsichtigt hat. Als New-Adult-Roman würde ich das Buch mit 8 Punkten bewerten, angeboten im normalen Programm finde ich es deutlich schwächer.


    6 von 10 Punkten