Husch Josten: Hier sind Drachen
Berlin Verlag 2017.160 Seiten
ISBN-13: 978-3827013484. 16€
Verlagstext
14. November 2015: Am Morgen nach den verheerenden Terroranschlägen von Paris macht sich die Reporterin Caren auf den Weg in die französische Hauptstadt. Doch ihr Flug verzögert sich, die Lage ist angespannt, am Heathrow Airport herrscht nach einem anonymen Anruf Alarmbereitschaft. Die bedrohliche Situation und wachsende Nervosität der Sicherheitsbeamten bringen Carens älteren Sitznachbarn allerdings nicht aus der Ruhe, stoisch liest er weiter in Wittgensteins „Tractatus“. Der gleichermaßen unbefangene wie charismatische Philosoph und Zufallsforscher verwickelt Caren, mit deren Gelassenheit es seit Monaten nicht zum Besten steht, in ein faszinierendes Gespräch. Und offeriert ihr dabei – zufällig oder absichtsvoll? – die unmögliche Geschichte, nach der die Journalistin ihr Leben lang gesucht hat.
Die Autorin
Husch Josten, geboren 1969, studierte Geschichte und Staatsrecht in Köln und Paris. Sie volontierte und arbeitete als Journalistin in beiden Städten, bis sie Mitte der 2000er Jahre nach London zog, wo sie als Autorin für Tageszeitungen und Magazine tätig war. 2011 erschien ihr Romandebüt "In Sachen Joseph", das für den Aspekte-Literaturpreis nominiert wurde. 2012 legte sie den vielgelobten zweiten Roman „Das Glück von Frau Pfeiffer“ vor und 2013 den Geschichtenband „Fragen Sie nach Fritz“. 2014 erschien der Roman „Der tadellose Herr Taft“. Husch Josten lebt heute wieder in Köln.
Inhalt
Caren schreibt als Journalistin für den britischen „The Independent“ und ist auf dem Weg zu einer Reportage über die Terroranschläge von Paris. Am Flughafen Heathrow verzögert sich zuerst ihr Abflug, dann wird das Gate zum Flug nach Paris mit allen Passagieren abgeriegelt. Caren hat bereits die Terroranschläge von New York und Boston durch außergewöhnliche Zufälle überlebt. Man könnte vermuten, dass sie die Zuwendung ihrer Schutzengel endgültig verbraucht hätte und kein drittes Mal davon kommen würde. Anzeichen einer unbehandelten Angststörung begleiten sie seit den damaligen Ereignissen. Der Eindruck verstärkt sich, dass Caren in der Gegenwart erst mit Verzögerung wegen der Anschläge aus der Bahn geworfen werden könnte, denen sie nur knapp entging. Während offizielle Stellungnahmen nur Allgemeinplätze zur Situation in Heathrow von sich geben, entwickelt sich ein Gespräch zwischen Caren und einem älteren Mann, den sie wegen seiner Reiselektüre spaßhaft Wittgenstein nennt. Der Unbekannte befasst sich mit Zufällen, sinnt nach über das Erzählen von Geschichten und was sich wohl auf der Rückseite von Geschichten verbergen könnte. Im klassischen Szenario einer Begegnung Fremder, die sich nie wieder sehen werden, entwickelt sich eine unerwartete Dynamik. Caren muss sich plötzlich damit auseinandersetzen, dass Menschen nicht das sind, was wir gern in ihnen sehen möchten.
Fazit
Während ich zu Caren als Figur die dramatischen Ereignisse hindurch ein distanziertes Verhältnis behalten habe, entwickelten sich in diesem sehr kurzen Roman unerwartete, sehr persönliche Botschaften, beispielsweise die, wie tief Terrorismus uns in unserem Privatleben treffen kann, selbst wenn wir nicht unmittelbar betroffen sind. Ein lesenswertes Kleinod.
9 von 10 Punkten