Homosexualität, etc., Kirche und Christsein

  • Zitat

    Original von Idgie
    Hmm, um die Eingangsfrage mal zu beantworten: Ich höre mir schon die Meinung der Kirche zu diesem Thema an und überlege, in welchem historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang die jeweilige Bibelstelle steht. Wie ist der Text entstanden, wie kam er in die Bibel; wie ist es mit der Authentizität des Textes. Von einigen Paulusbriefen ist zumindest in dieser Hinsicht mittlerweile die überwiegende Meinung der Wissenschaftler glaub ich überzeugt, dass sie tatsächlich von Paulus stammen.


    Weiß jemand mehr darüber?


    Bei vielen Paulus-Briefen sind im Zuge der wiederholten Abschriften die "Zitat"-Markierungen verlorengegangen: viele Abschnitte lesen sich bei genauem Hinsehen als "Streitgespräch" zwischen Vertreten der angeschriebenen Gemeinde und Paulus - Paulus zitiert traditionell jüdisch-orthodoxe Regeln der Gemeinde (wie z.B. "das Weib schweige in der Gemeinde") und nimmt sie danach argumentativ auseinander.


    Davon abgesehen ist Paulus Verständnis von Sexualität von einem Umfeld geprägt, in dem sexuelle Ausbeutung von Abhängigen (Sklaven, Minderjährige und Ehefrauen) der Normalfall und partnerschaftliche Liebesbeziehungen die Ausname waren. Sein Wettern gegen Homosexualität richtete sich gegen die anale Vergewaltigung von Lustknaben, sein Loblied auf Keuschheit und Ehelosigkeit zielte auf Freiheit und Unabhängigkeit, und sein Gebot "Wenn ihr heiratet, soll sein Körper nicht mehr ihm gehören, sondern ihr, und ihr Körper soll nicht mehr ihr gehören sondern ihm" beinhaltet ja auch, daß Sex ohne Ausbeutung ihm weitgehend unbekannt ist, und er die harmloseste Variante noch darin sieht, wenn die Ausbeutung auf Gegenseitigkeit beruht.


    Eine "Ehe für Homosexuelle" halte ich vor allem deshalb für überflüssig, weil die Ehe an sich kaum noch eine Funktion hat. In patriarchalen Zeiten, als nur Männer als Subjekt juristischen Handelns galten, und Frauen bestenfalls unmündig und schlimmstenfalls Besitztum waren, da war ein Trauschein wie ein HFZ-Brief: er regelte eindeutig und unmißverständlich die Frage von Eigentum und Verantwortlichkeit. Was ist davon denn heute noch übrig, um das es sich zu "kämpfen" lohnen würde?


  • Sorry, Doc, deine Gedankengänge kann ich nicht nachvollziehen. Es darf also deiner Meinung nur kirchlich heiraten, wer gläubig ist? Wer soll denn das überprüfen und wann gilt man als gläubig? Müssen regelmäßige Kirchenbesuche nachgewiesen werden, reicht ein Gebet am Tag, oder wie stellst du dir das vor?


    Ich finde, dass jeder, der Kirchensteuer zahlt und den Wunsch hat, kirchlich zu heiraten (aus welchen Gründen auch immer), auch die Möglichkeit bekommen muss.

  • Ronja
    Mir persönlich ist es dabei egal, ob ein Christ aktiver Kirchgänger oder passives Gemeindemitglied ist oder gar mit der Institution Kirche nichts weiter zu tun haben möchte. Wichtig ist doch nur, daß wenn ich mich für eine Zeremonie (ob nun Kirche, Kapelle, Kloster, etc.) mit Pfarrer entscheide, der Glauben an Gott dabei im Vordergrund steht und nicht, weil es in einer Kirche "halt schöner ist".


    Fragen geklärt? Können wir uns darauf einigen? :-)


    Gruss,


    Doc



  • Gerne! :-)


    Dann hab ich dich richtig verstanden. :-)

  • Zitat

    Sorry, Doc, deine Gedankengänge kann ich nicht nachvollziehen. Es darf also deiner Meinung nur kirchlich heiraten, wer gläubig ist? Wer soll denn das überprüfen und wann gilt man als gläubig? Müssen regelmäßige Kirchenbesuche nachgewiesen werden, reicht ein Gebet am Tag, oder wie stellst du dir das vor?


    Ich finde, dass jeder, der Kirchensteuer zahlt und den Wunsch hat, kirchlich zu heiraten (aus welchen Gründen auch immer), auch die Möglichkeit bekommen muss.


    Ach was. Eingangskontrollen kanns ja wohl nicht geben. Macht ja wohl ähnlich viel Sinn wie seinerzeit die Gewissensprüfung vor den Gerichten für die Wehrdienstverweigerer.
    Das kann jeder nur ganz individuell für sich selbst entscheiden und muss es auch ganz allein verantworten.

  • Zitat

    Original von Idgie
    Wo sollen denn nun die unterschiedlichen Rechte und Pflichten liegen. Ich kann beim besten Willen auf Anhieb nicht erkennen, aus welchen Gründen man Unterschiede festschreiben soll, wenn man schon den Schritt geht, eine homosexuelle Beziehung einer Ehe anzupassen? Steuervorteile, Adoptionsmöglichkeiten,gleiche Rechte im Krankheits- oder Erbfall? Wo soll die Grenze liegen?
    Diese Frage richtet sich an diejenigen, die zwar nichts gegen eine Art Absegnung haben, aber doch bitte nicht in gleichem Umfang wie bei einer Ehe. Ehe als "heilige Institution" verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht, was versteht ihr darunter?


    Man muss jetzt zuerst einmal die staatliche Ehe von der kirchlichen unterscheiden. Da die Kriche nachdem sie sich auf die Bibel beruft und man diese nicht ändern kann ihre Meinung zu dieser Frage ändern wird ist sehr unwahrscheinlich.


    Die staatliche Ehe hat einen bestimmten Sinn und Zweck. D.h. der Staat bietet die Ehe nicht deswegen an, weil er damit seinen Einwohnern eine Freude machen will, sondern weil er dadurch selbst Vorteile erhofft. Erstens einmal sichern sich Eheleute gegeinseitig ab. Zweitens sollten sie nach der Definition der Ehe um Nachwuchs für den Staat kümmern.
    Dafür vergibt der Staat der Ehe besondere Privilegien.


    Im österreichischen ABGB ist das beispielsweise so definiert:

    Zitat

    § 44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag
    gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey Personen verschiedenen
    Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher
    Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich
    gegenseitig Beystand zu leisten.


    Wenn man daher einen Zivilpakt einführen will, sollte man meiner Meinung nach genau entscheiden, welche Rechte und Pflichten damit verbunden sein sollten.
    Darunter würde ich mir Vorteile im Mietrecht, Erbrecht, Besuchsrecht im Krankenhaus vorstellen.

  • Für mich stellt sich da die Frage, ob man überhaupt einen "Mann Gottes" haben muß, um vor Gott das Ehegelübte abzulegen. Da gibt es sicherlich auch andere Möglichkeiten.


    Ich finde es auch scheinheilig, mit wallendem Brautkleid in die Kirche zu dappen, sich dort mit allem drum und dran schön und in weiß verheiraten zu lassen, obwohl man sonst kein einziges Mal im Jahr einen Fuß in eine Kirche setzt.
    Ich werde nicht in der Kirche heiraten, u.a. genau aus den Gründen.


    Zitat

    Ehe als "heilige Institution" verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht, was versteht ihr darunter?


    Ich fühle mich einfach mal angesprochen, weil ich es so gesagt habe.
    Das sagt man doch so, oder etwa nicht? Ich habe es einfach mal übernommen. Ich verstehe darunter, daß eben eine vor Gott geschlossene Ehe untrennbar ist und daß alle damit eingegangenen Pflichten eingehalten werden sollen. Kann gerade auch völlig auf dem falschen Dampfer sein... Hier sind einige wesentlich bibelfester als ich und können dazu sicherlich mehr sagen.


    Momo

    Momo


    Alles Wissen und alle Vermehrung unseres Wissens endet nicht mit einem Schlusspunkt, sondern mit einem Fragezeichen.
    -Hermann Hesse-

  • Zitat

    Original von Idgie
    Ronja und Doc
    Ich glaube, ihr seid gar nicht so weit voneinander entfernt. Kirche und Pfarrer als reine Statisten und Requisite lehnt ihr doch beide ab.



    Wenn du das im Bezug auf die Hochzeit meinst:


    Ich bin mir nicht sicher, ob ich es ablehne, dass Menschen die Kirche in dem Fall als "Show" nutzen. Wirklich. Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren.


    Aber ansonsten habe ich mit Doc gerade kaum einen Punkt, über den ich mit ihm streiten könnte.


    Laaaangweilig!

  • Zitat

    Original von Behrnie


    Eine "Ehe für Homosexuelle" halte ich vor allem deshalb für überflüssig, weil die Ehe an sich kaum noch eine Funktion hat. In patriarchalen Zeiten, als nur Männer als Subjekt juristischen Handelns galten, und Frauen bestenfalls unmündig und schlimmstenfalls Besitztum waren, da war ein Trauschein wie ein HFZ-Brief: er regelte eindeutig und unmißverständlich die Frage von Eigentum und Verantwortlichkeit. Was ist davon denn heute noch übrig, um das es sich zu "kämpfen" lohnen würde?



    Da bin ich aber ganz anderer Meinung.


    Du kennst sicher die Rechte und Pflichten, die eine Ehe mit sich bringt. Und genau DIE sind es, die eine Ehe sehr wohl "funktionell" machen. Von anderen, romantischen Absichten mal abgesehen.


    Und ich bin der Meinung, dass Homosexuellen genau die selben Rechte und Pflichten zustehen, wie es bei Heterosexuellen Paaren der Fall ist.


    Es gibt in meinen Augen überhaupt keinen Grund, warum wir ihnen die EHE und wenn sie es möchten, dann sollen sie es bitte EHE nennen dürfen, vorenhalten sollten.


    Dazu haben wir meiner Meinung nach nicht das geringste Recht. Nicht die Gesellschaft, nicht der Staat, nicht die Kirche.


    Zum Donnerdrummel!

  • Momo und taciturus
    Danke erstmal. Ich bin spontan über den Begriff gestolpert und er war mir nicht so auf Anhieb geläufig. Ich hatte ihn in Zusammenhang mit einer Rede von Bush mal gehört, aber nicht so direkt aus der Bibel. Inzwischen habe ich mal neugierig gegoogelt und die hier gefunden:


    Zitat

    Jesus Christus selbst sieht die heilige Institution Ehe in der Schöpfung Gottes begründet. Er wiederholt ausdrücklich die entsprechenden Worte des Schöpfungsberichts: Die Eheleute sind von Gott miteinander verbunden worden, deshalb dürfen sie sich weder trennen, noch dürfen sie von Menschenhand getrennt werden.


    Die katholische Kirche sieht in der Ehe ja sogar ein Sakrament. Ein Ausdruck göttlichen Handelns.


    Die Ehe gibt es aber nicht nur in der christlichen Religion, sondern in vielen anderen Religionen und Gesellschaften. Sie ist halt die Keimzelle eines jeden Staates und aufgrund dieser langen historischen Entwicklung mag ich auch nicht so eine strikte Trennung zwischen kirchlicher und staatlicher Form dieser Lebensgemeinschaft ziehen. Beide haben sich im Laufe der Zeit gegenseitig geprägt und geformt. Kann man das so einfach auseinanderreißen und jeweils getrennt für sich betrachten?


  • und :write


    Momo

    Momo


    Alles Wissen und alle Vermehrung unseres Wissens endet nicht mit einem Schlusspunkt, sondern mit einem Fragezeichen.
    -Hermann Hesse-

  • Zitat

    Original von Roma
    Sorry, Doc, deine Gedankengänge kann ich nicht nachvollziehen. Es darf also deiner Meinung nur kirchlich heiraten, wer gläubig ist? Wer soll denn das überprüfen und wann gilt man als gläubig? Müssen regelmäßige Kirchenbesuche nachgewiesen werden, reicht ein Gebet am Tag, oder wie stellst du dir das vor?


    Soweit mir das bekannt ist, führt jeder Pfarrer vor seinem Einverständnis eine Trauung durchzuführen ein "Brautpaargespräch". Zumindest ist das sowohl in der evangelischen, wie katholischen Kirche so üblich.
    Ein Seelsorger, der seinen Namen auch verdient, merkt in dem ca. 2 Stunden dauernden Dialog mit den zukünftigen Eheleuten recht schnell, wie es um das Christsein der Beiden bestellt ist. Und das auch ohne, daß er die Zwei jeden Sonntag in der Kirche gesehen hat oder bei irgendwelchen Gemeindetätigkeiten.


    Du siehst doch schon hier nach ein paar Postings, wie es um den Glauben oder Nichtglauben der jeweiligen Leute steht. :-) Das ist also nun wirklich keine Kunst.


    Gruss,


    Doc


  • Da magst du recht haben, dass es keine Kunst ist, das festzustellen ;-)
    Nicht, dass wir uns missverstehen: ICH habe deshalb nicht kirchlich geheiratet, weil ich sonst mit der Kirche auch nichts am Hut habe und es inkonsequent fände, mir den "Segen" der Kirche zu holen.


    Dennoch finde ich, dass auch nicht Gläubige, die Kirchensteuer zahlen, das Recht haben sollen, kirchlich zu heiraten, wenn sie es wollen.

  • Zitat

    Original von Roma
    Dennoch finde ich, dass auch nicht Gläubige, die Kirchensteuer zahlen, das Recht haben sollen, kirchlich zu heiraten, wenn sie es wollen.


    Das sehe ich anders.
    Mit der Kirchensteuer leistet man als Mitglied einer Glaubensgemeinschaft einen Beitrag, um diese Glaubensgemeinschaft und ihre oftmals gemeinnützige Arbeit zu unterstützen und zu fördern. Mit der Kirchensteuer erkaufst Du Dir keine Leistungen. Die Kirche ist kein Dienstleister, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. ;-)


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Roma
    Dennoch finde ich, dass auch nicht Gläubige, die Kirchensteuer zahlen, das Recht haben sollen, kirchlich zu heiraten, wenn sie es wollen.


    Die Kirche ist eine Religionsgemeinschaft, eine weltanschauliche Gemeinschaft, kein Dienstleistungsunternehmen auf dem Unterhaltungssektor. Nur weil jemand Kirchensteuer zahlt, hat er m.E. kein Anrecht auf den Service "Kirchl. Trauung", weil es eben kein Service ist, sondern die Spende eines Sakraments.


    Ich bin der Ansicht, daß die Kirche angesichts ihrer strengen moralischen Prinzipien durchaus von dem Recht Gebrauch machen sollte, dieses Sakrament zu verweigern, wenn diejenigen, die den Pfarrer darum angehen, es vor allem wegen des Event-Charakters mitnehmen wollen.


    Nebenbei bemerkt: Ich habe auch nicht kirchlich geheiratet. Aus genau diesem Grund. Denn auch wenn ich dieser 2000 Jahre alten Organisation kritisch gegenüberstehe, hätte ich es für respektlos erachtet, einen religiösen Ritus zur Show herabzuwürdigen.


    Genau das tun die "Romantik-LiebhaberInnen" meiner Ansicht nach, und deutlicher kann man seine Verachtung eigentlich kaum zum Ausdruck bringen.

  • Ich glaube, Iris und Doc, wir kommen in diesem Punkt nicht auf einen Nenner, aber das müssen wir ja auch nicht ;-)
    Ich respektiere eure Meinung, bleibe aber trotzdem bei meiner :rolleyes

  • Zitat

    Original von Roma
    Dennoch finde ich, dass auch nicht Gläubige, die Kirchensteuer zahlen, das Recht haben sollen, kirchlich zu heiraten, wenn sie es wollen.


    Das klingt so ein klein wenig nach der Theorie der Leute, die meinen, ihre Haftpflichtversicherung nur aufgrund jahrelang eingezahlter Beiträge wenn es Not tut, auch ohne Schadensfall in Anspruch nehmen zu können. ;-) Lässt sich auch prima auf Sozialleistungen übertragen.

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood



    Ja wo kommen wir denn dahin, wenn hier jeder bei seiner Meinung bleibt! Nix da, jetzt wird solange diskutiert, bis Du die einzig richtige Meinung hast - die unsere! :-) :-)


    *lach* Das lässt mich an einen Kollegen denken, der mir berichtete, ein Gespräch mit unserem Chef gehabt zu haben. Er ging mit seiner Meinung zum Chef und es fand ein Gedankenaustausch in der Form statt, dass er mit dessen Meinung wieder raus kam :lache :lache