Moderiert von Margarethe von Schwarzkopf, als Sprecher für die Lesungen Peter Lohmeyer... das versprach einen tollen Abend. Alle Drei sind offensichtlich ein eingespieltes Team und waren mit viel Vergnügen bei der Sache, auch bei den ernsteren Themen.
In „Selfies“ geht es nicht nur um die Fotos, sondern um eine Lebenseinstellung: Menschen, deren Leben ausschließlich um sie selbst kreise. Jussi Adler-Olsen erfuhr durch eine Anwältin von einer Gruppe junger Frauen, die in Kopenhagen leben und dreiste Forderungen an den Staat haben. Sie seien in dem Glauben aufgewachsen, alles bekommen zu können, ganz ohne eigenen Pflichten.
In den letzten 15 Jahren habe sich in der früher sehr empathischen dänischen Gesellschaft viel geändert. Der liberale Premierminister habe die Ansicht vertreten, man solle sich mehr um sich selbst kümmern und es sei wichtig, das Beste aus dem eigenen Leben machen. So sei eine selbstsüchtige Gesellschaft herangewachsen, obwohl es offensichtlich sei, dass nicht jeder „der Wichtigste“ sein kann. Immer mehr Dänen seien materialistisch, Eltern hätten weniger Zeit für ihre Kinder, im Mittelpunkt stehe die eigene Selbstverwirklichung.
Eines der Ergebnisse seien rund 800 junge Frauen, die keine Ausbildung hätten und kein Interesse daran, für sich selbst zu sorgen. Stattdessen stellen sie unverschämte Forderungen an den Sozialstaat. Seine Frau arbeitete auf dem Sozialamt, so konnte er auf authentische Erfahrungen zurückgreifen. Für Adler-Olsen hat ein moderner Kriminalroman mit Moral zu tun, ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Die junge Frau im Prolog heißt Dorit, eine Verneigung des Autors vor Charles Dickens. Dorit (später Denise) und einige ihrer dreisten Freundinnen haben es auf eine Sozialarbeiterin abgesehen, die nicht mehr weiß was sie tun soll. Frustration sei ein gutes Motiv für Rache merkte er augenzwinkernd an, wobei diese nicht im dunklen Park stattfinden solle, sondern an einem Ort an dem das Opfer sich sicher fühle.
Großen Wert legte er darauf, dass seinen Figuren in der Regel nicht ausschließlich gut oder böse seien, so wie jeder im Saal auch. Adler-Olsens Vater war Psychiater und deshalb wohnte die Familie einige Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus. Der vierte Band der Reihe sei eine Hommage an seinen Vater gewesen. Durch die Erzählungen seines Vaters habe er früh gelernt, dass niemand böse geboren werde – mit einer einzigen Ausnahme, Donald Trump.
In diesem siebten Band der Reihe geht es auch um die Geheimnisse von Rose, deren Kind ganz anders als die jener jungen Frauen verlief. Im nächsten Band sollen Assads Geheimnisse eine wichtige Rolle spielen, im neunten und vorletzten Band dann die dunkle Vorgeschichte von Carl Moerck.
Auch wenn Margarete von Schwarzkopf immer wieder deutlich machte, dass die Serie nicht nach dem 10. Band enden solle, beharrte Adler-Olsen auf dem vertraglich vereinbarten Ende. Er habe schon viele Pläne für andere Bücher, die nichts mit der Serie zu tun haben.
In der Regel recherchiere er rund drei Monate, dann würde er sich drei Monate davon erholen ;-). Versäumnisse bei der eigenen Recherche ärgern ihn sehr. So z.B. habe es Beschwerden gehagelt, weil es nicht möglich ist, etwas aus dem Fenster eines ICE4 zu werfen. Danach ca. fünf Monate für Schreiben des Buchs, gefolgt von der Bearbeitung des Manuskripts. Eigentlich sei ein Band pro Jahr geplant gewesen, dies würde er jedoch zu seinem eigenen Ärger nicht schaffen – denn er freut sich offensichtlich darauf, dann Zeit für andere Geschichten zu haben. Der letzte Satz sei ihm neulich nachts eingefallen und er habe ihn sofort aufgeschrieben. Beim Schreiben höre er immer Musik, umso düsterer die Szenen, um so düsterer die Musik – beim Prolog gerne Star Wars.
Peter Lohmeyer intonierte die ausgesuchten Textstellen so facettenreich, dass man die Figuren fast vor sich sehen konnte.
Nach knapp 1,5 Stunden endete eine sehr unterhaltsame und informative Veranstaltung.