Es gibt so einige große Romane die nur scheinbar einem Genre zuzuordnen sind, die sich allerdings bei näherer Betrachtung jedweder Einordnung entziehen und quasi zwischen den Einteilungen vollkommen eigenständig existieren, Willi Achten hat mit "nichts bleibt" ein solches Werk geschaffen.
Die erste Lesung erlebe ich in einem Ort namens "Kune" in Leipzig. Es ist einer jener zeitlosen Plätze, wie man sie in Hannover vermutlich nur noch in Linden findet, man mag es als Szenecafe bezeichnen. Die Abwesenheit von Verputz an den Wänden durch Plakate nur notdürftig kaschiert, ein zweiter Raum wie ein Wohnzimmer, inklusive eines Bücherregals - ein Ort an dem sich junge alternative Künstler treffen, wo auch eine Gitarre oder Laute nicht fehl am Platz erscheint, wo der betagte Dichter seinen jungen, hippen Zuhören aus seinem letzten Werk vorträgt.
Der Pendragon Verlag hatte zu diesem Abend geladen, um neben Willi Achten auch der österreichischen Autorin Gudrun Lerchbaum eine Bühne zu bieten ihr Werk vorzustellen.
Die nächste Lesung Willi Achtens fand auf der Buchmesse an einem dafür vorgesehenen und ausgerüsteten Platz statt - eine jener vielen Leseinseln, die es Autoren ermöglichen direkt zu ihren Lesern zu sprechen, wo vielleicht jemand, ermüdet vom durchwandern der Hallen, einfach nur des Ausruhends wegen Platz nimmt und so in den Genuß des Vortrags kommt.
Schon Willi Achtens Text ist nicht nur Schilderung und Beschreibung von Ereignissen, die sich zu einer Handlung und letztlich zu einem Buch vereinigen, schon dieser Text unterbricht den dahinplätschernden Erzählstrom durch ganze Passagen stakkatohaft aneinandergefügten Hauptsätzen, kurzen und prägnanten Passagen, welche den Lesefluss unterbrechen und uns aufmerken lassen - gefolgt von in einen uns gewohnten Erzählstrom, in welchen Bilder und Metaphern von Wahrheit und Schönheit diesen Roman zu wirklicher Literatur machen.
Wen Willi Achten liest, zählen nur die Worte - seine eigenen Einteilung in Sätze ignoriert er vollständig.
Er liest wie ein Jazzmusiker spielen würde, frei seinem eigenen Gefühl gegenüber seinen eigenen Worten Ausdruck verleihend, Kommata, Punkte und sogar Ausrufezeichen zu einfachen Symbolen auf den Papier degradierend, ständig unserem eigenen Gefühl von Betonung den Stuhl unterm Hintern wegziehend. Wir sind als Zuhörer dadurch gezwungen, aufmerksam zuzuhören, seine Interpretation des Textes mit den uns bekannten Grundakkorden des Songs in Einklang zu bringen.
Coleman Hawkins würde ähnlich spielen, auf ähnliche Weise einen Song von Brubeck interpretieren, welcher als Komponist ja auch mit Zeiten und Takten gespielt hat.
Entfaltet das Buch schon durch die Art wie es geschrieben ist eine ganz außergewöhnlichen Sog wertet die Art des Vortrags diesen Text noch einmal auf, durch die Interpretation des Komponisten.