Sinclair Lewis - Das ist bei uns nicht möglich

  • Titel: Das ist bei uns nicht möglich
    OT: It Can't Happen Here
    Autor: Sinclair Lewis
    Übersetzt aus dem Amerikanischen von: Hans Meisel
    Verlag: Aufbau Verlag
    Erschienen: März 2017
    Seitenzahl: 442
    ISBN-10: 3351036965
    ISBN-13: 978-3351036966
    Preis: 24.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Buzz Windrip, für seine Gegner ein "ungebildeter Lügner mit idiotischer Weltanschauung" und ein gefährlicher Populist, will Präsidentschaftskandidat werden. Er gibt vor, sich für die kleinen Leute einzusetzen, und verspricht, "aus Amerika wieder ein stolzes Land zu machen". Trotz völlig unglaubwürdiger Versprechen laufen ihm die Wähler zu, und er zieht ins Weiße Haus ein. Sogleich regiert er wie ein absolutistischer Herrscher, beschneidet die Freiheiten der Minderheiten, legt sich mit Mexiko an und lässt seine Kritiker rabiat verfolgen. Einer davon ist der liberale Zeitungsherausgeber Doremus Jessup, der sich nicht mundtot machen lassen will.


    Der Autor:
    Harry Sinclair Lewis wurde am 7. Februar 1885 in Sauk Center (Minnesota/USA) geboren. Der Arztsohn besuchte die Universität Yale. Anschließend arbeitete er als Journalist und im Verlagswesen. Er nahm 1906 an dem von Upton Sinclair initiierten kooperativen, utopisch-sozialistischen Experiment "Helicon Home Colony" teil. Lewis gilt als bedeutender humanistischer Realist in der Literatur: In seinen zahlreichen gesellschaftskritischen Romanen entwarf er ein satirisches Bild des amerikanischen Mittelstandes und analysierte scharfsinnig die intellektuelle und charakterliche Deformierung sowie den Abbau zwischenmenschlicher Beziehungen jener Bürger, die sich als wahre Repräsentanten der amerikanischen Nation auszugeben versuchten. Der Autor erhielt 1930 als erster Bürger der USA den Nobelpreis für Literatur. Harry Sinclair Lewis verbrachte seine letzten Lebensjahre in Florenz und starb am 10. Januar 1951 in Rom.


    Meine Meinung:


    "Eine unheimliche Vorwegnahme der aktuellen Ereignisse." The Guardian


    "Ein Populist im Weißen Haus? Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis hat es vor 80 Jahren durchgespielt." DIE ZEIT


    Klassiker oder zeitgenössischer Roman?
    Vom Erscheinungsdatum wohl eher ein Klassiker – von der Thematik her aber ohne Frage im zeitgenössischen Fach anzusiedeln.


    Ein Roman der beeindruckt und der sicher auch viele Leser staunen lässt. Sinclair Lewis beschreibt ein Szenario, welches auf erschreckende Art und Weise rd. 80 Jahre später eingetreten ist – auch wenn man hoffen darf, dass nicht alle Fiktionen Wirklichkeit werden.


    Ein sehr intensiver Roman der seine Leser fordert und auch auffordert, mitzudenken und sich dann aber in der Realität gegen die Feinde der Demokratie zu wenden. Okay, dazu braucht es Eier und den sprichwörtlichen Arsch in der Hose – Eigenschaften, die heute leider sehr selten geworden sind.


    Ein Roman, der lange Zeit vergessen und verstaubt war, der aber durch die jüngsten Ereignisse so richtig aufpoliert wurde. Die Staubschicht ist weg und das Vergessen hoffentlich Geschichte. Man sollte diesen Roman aber Mr. Donald T. nicht zum Lesen geben, nicht das er noch auf weitere dumme zusätzliche Gedanken kommt. (Die Bevölkerungsmehrheit grollt erst, als der versprochene Wirtschaftsaufschwung ausbleibt. Das Militär putscht, Windrip flieht ins französische Exil. Um die wachsende Unzufriedenheit zu kanalisieren, trommeln die Generale zum Krieg gegen das Nachbarland Mexiko. Die Romanhandlung endet mit dem Ausbruch eines Bürgerkriegs im Jahr 1939. Quelle: DIE ZEIT)


    Beklemmend ist, dass der Berater von Windrip, Lee Sarason, fatal an Trumps Berater Stephen Bannon erinnert.


    Ein großartiger, wenn auch beklemmender Roman. Würde Sinclair Lewis heute noch leben, dann könnte man ihm allenfalls den Rat geben, den Titel seines Buches noch einmal zu überdenken. Denn ist das, was er beschreibt, dort in den USA wirklich nicht möglich?
    8 Eulenpunkte

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Sinclair Lewis: Das ist bei uns nicht möglich
    Aufbau Verlag 2017. 448 Seiten
    ISBN-13: 978-3351036966. 24€

    (Querido 1936, Kiepenheuer 1984)
    Originaltitel: It Can't Happen Here
    Übersetzer: Hans Meisel


    Verlagstext
    Sinclair Lewis’ Roman aus dem Jahr 1935 führt einen Antihelden vor, der mit seinen Hetzreden die Begeisterung unzufriedener Wähler entfacht. Durch seine Lügen und eine Rhetorik des Populismus und der Ressentiments wird er Präsident der Vereinigten Staaten. Das klingt vertraut?
    „Eine unheimliche Vorwegnahme der aktuellen Ereignisse.“ The Guardian
    „Ein Populist im Weißen Haus? Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis hat es vor 80 Jahren durchgespielt.“ DIE ZEIT
    „Sinclair Lewis ist wieder aktuell.“ der Freitag
    „Ein Meister des absoluten Realismus." Bob Dylan
    1935 in den USA ein aufsehenerregender Bestseller, heute wieder eine Sensation und aktuell wie selten zuvor. In der Übersetzung des bekannten Exilautors und Kleist-Preis-Trägers Hans Meisel – mit einem Nachwort von Jan Brandt.
    Sinclair Lewis wusste durch seine Frau Dorothy Thompson, Auslandskorrespondentin in Berlin, über den Aufstieg der Nazis Bescheid. In den USA beobachtete er, wie die Populisten nach Wirtschaftskrise und Sozialreformen des New Deal immer weiter an Einfluss gewannen. Der radikale Senator Huey Long versuchte Präsident Roosevelt aus dem Amt zu drängen, bevor Long 1935 einem Attentat zum Opfer fiel. Lewis diente er als Vorbild für den fanatischen Verführer Buzz Windrip in seinem Roman.
    Buzz Windrip, für seine Gegner ein „ungebildeter Lügner mit idiotischer Weltanschauung“ und ein gefährlicher Populist, will Präsidentschaftskandidat werden. Er gibt vor, sich für die kleinen Leute einzusetzen, und verspricht, „aus Amerika wieder ein stolzes Land zu machen“. Trotz völlig unglaubwürdiger Versprechen laufen ihm die Wähler zu, und er zieht ins Weiße Haus ein. Sogleich regiert er wie ein absolutistischer Herrscher, beschneidet die Freiheiten der Minderheiten, legt sich mit Mexiko an und lässt seine Kritiker rabiat verfolgen. Einer davon ist der liberale Zeitungsherausgeber Doremus Jessup, der sich nicht mundtot machen lassen will.


    Der Autor
    Sinclair Lewis (1885–1951) reiste durch Europa, besuchte das Deutschland der erstarkenden Nazis, arbeitete als Journalist und Übersetzer in New York und als Privatsekretär von Jack London. Für seine scharfsichtigen sozialkritischen Romane erhielt er 1930 als erster Amerikaner den Nobelpreis für Literatur.


    Der Übersetzer
    Hans Meisel (1900–1991), Autor des Romans „Torstenson. Entstehung einer Diktatur“ (Kleist-Preis 1927), war im amerikanischen Exil Thomas Manns Sekretär, später Professor of Political Science an der University of Michigan.


    Das Nachwort von
    Jan Brandt, geboren 1974 in Leer (Ostfriesland), studierte Geschichte und Literaturwissenschaft in Köln, London und Berlin. In München besuchte er die Deutsche Journalistenschule, heute schreibt er u. a. regelmäßig für Die Zeit. Sein Roman „Gegen die Welt“ stand 2011 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurde mit dem Nicolas-Born-Debütpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Buch „Stadt ohne Engel. Wahre Geschichten aus Los Angeles“.


    Der Klassiker
    Der utopische Roman des amerikanischen Nobelpreisträgers Sinclair Lewis erschien in den USA 1935 und wurde ein Bestseller. In Europa konnte eine deutsche Ausgabe 1936 nur im niederländischen Exilverlag Querido erscheinen, erst 1984 erschien der Roman bei Kiepenheuer.


    Inhalt
    Mitten in der Wirtschaftkrise der 30er zieht ein unbekannter Senator aus der Provinz mit populistischen Versprechungen in den Wahlkampf gegen den amtierenden Präsidenten Roosevelt. Berzelius (Buzz) Windrip will das Ansehen der USA wiederherstellen, verspricht als Wahlgeschenk ein bedingungsloses Grundeinkommen und bekämpft rabiat freie Presse, unabhängige Justiz, Frauen- und Bürgerrechte. Indem er Banken, Politiker, alle -ismen und die Afroamerikaner im Land zum Feindbild erklärt, trifft er instinktiv die Wünsche der kleinen Leute im Mittleren Westen. Obwohl besonnene Bürger immer wieder betonen, dass ein Alleinherrscher „bei uns in Amerika“ doch nicht möglich sei, gewinnt Windrup die Wahl. Er regiert umgehend per Dekret, stellt Obersten Gerichtshof und Generalstabschef kalt und schafft eine gewaltige Anzahl von Jobs für seine Anhänger. Als kritische Stimme ist nur Doremus Jessup vorstellbar, der in einer fiktiven Kleinstadt in Vermont den „Daily Informer“ herausgibt. Doch der alternde Doremus hat seinen ehemaligen Biss verloren und sieht sich unter dem Sachzwang, zuerst seine Familie ernähren zu müssen. Aus Kanada wird eine Gruppe von Exil-Amerikanern tätig, die Windrips Alleinherrschaft bekämpfen will.


    Beim Leser bleibt die Erkenntnis zurück, dass der natürliche Feind von Populisten und Despoten Bildung sein sollte; denn Windrip konnte mit der Forderung, die Geldmenge zu verdoppeln, nur gewinnen, weil offenbar niemand wusste bzw. nachfragte, welche Folgen dieser Entscheidung zu erwarten wären.


    Fazit
    In nüchternem Reportage-Stil legt Sinclair Lewis seine Utopie an, die spürbar von den Ereignissen im nationalsozialistischen Deutschland angeregt wurde. 80 Jahre später wäre ein informierender Anhang zu den Lebensbedingungen von Windrips Wählerschaft nicht schlecht gewesen. Lewis‘ Klassiker ist im Jahr des Amtsantritts von Donald Trump ein verblüffender wie sensationeller Fund, weil der Roman seit Trumps Alleinherrscher-Attitüde keine Utopie mehr ist und zudem Trump aktuell nicht einmal eine Ausnahme auf dem politischen Parkett zu sein scheint. Gelesen habe ich die Utopie unter dem Eindruck, ich müsste einen Text für Schule oder Ausbildung lesen. Wer sich nicht mit Windrip identifizieren will, wird im Roman auf der Suche nach einer Identifikationsmöglichkeit nicht so recht fündig. Gegenüber populistischen Leerformeln sollte man bei der Lektüre nicht zu sensibel reagieren. Allerdings hat die anschließende Suche einen gewissen Unterhaltungswert, welche Wahlkämpfe (weltweit) heute ohne Wahlgeschenke, ohne Schaffung eines äußeren Feindes und ohne das Schüren von Abstiegsängsten stattfinden.


    8 von 10 Punkten

  • Wir schreiben das Jahr 1936, in den gebeutelten USA tobt der Wahlkampf. Alle sind sich einig, dass Berzelius „Buzz“ Windrip - ein fremden- und überhaupt minderheitenhassender, populistischer Senator- keine Chance haben wird, sich gegen seine Konkurrenten, darunter Roosevelt, durchzusetzen. Natürlich kommt es anders.


    Dass Windrip ein totalitaristisches Regime errichtet, kann auch an der Presse nicht spurlos vorüberziehen, und so ist Doremus Jessup, Verleger des „Informer“ und Protagonist des Romans, gezwungen sich zu positionieren.

    Der Verlauf des Buches hält für Leser, die dem Geschichtsunterricht nicht allzu oft ferngeblieben sind, keine überraschenden Wendungen bereit, die anschaulichen Beschreibungen entfalten dennoch ihren Sog und sind vor dem Hintergrund ihres Erscheinungsjahres umso beeindruckender. Lewis war gut über die Geschehnisse in Deutschland informiert, was auch an seiner Frau gelegen haben dürfte, die dort als Journalistin arbeitete.
    An Relevanz hat „It can’t happen here“ über die Jahre jedenfalls leider nicht eingebüßt.


    Ich empfand die Lektüre als eher schwergängig, was ich nicht einmal auf sprachliche Verständnisschwierigkeiten zurückführen würde (meine Ausgabe war die angehängte englische Version). Viele zur Entstehungszeit sicher nachvollziehbare Anspielungen waren mir leider nicht geläufig und auch der für heutige Verhältnisse etwas sperrige Schreibstil hat dazu beigetragen, dass sich der Roman für mich nicht unbedingt als erfrischender Zeitvertreib sondern streckenweise etwas anstrengend herausstellte. Von einem satirischen Roman hatte ich mir trotz der ernsten Thematik mehr Unterhaltung und weniger nüchterne Beschreibungen erhofft.


    Mit vielen der Figuren konnte ich nicht richtig warm werden, wenige handelten mir nachvollziehbar; wenn sie nicht satirisch überzogen dargestellt wurden, blieben sie etwas farblos.


    Alles in allem nicht ganz, was ich erwartet hatte, kein schlechtes Buch, aber nicht ganz mein Fall.


    7/10


    Der Vollständigkeit halber möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass mir das Exemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde, auch wenn das auf meine Meinung zum Buch keinen Einfluss haben dürfte.