Teil 13 – In dem die letzte Aufgabe gelöst wird, einem Untertan die Luft ausgeht und ein merkwürdiger Mann den König wütend macht.
Lautes Stöhnen erfüllte die Kammer der Freuden. Der König hatte sich über die Königin hergemacht, der Hofnarr versuchte sich immer noch an der Tür und Madame Priscilla war ganz mit sich selbst beschäftigt und stöhnte mitunter am lautesten von allen.
Das alles zeigte langsam Wirkung. Unmerklich hatte sich die Doppeltür schon ein winziges Stück weit geöffnet. Alle waren so mit sich und miteinander beschäftigt, daß das erst auffiel, als der Narr plötzlich ausrief: „Jaaa-aahhh.“ Der König hielt inne und sah hinüber zur Tür. Der Narr stand mit heruntergelassenen Hosen vor dem fingerbreiten Spalt, den die Tür mittlerweile freigegeben hatte.
„Ja, gib’s mir, Du kleines Türluder, Du!“, feuerte der Narr die Tür an und drückte sich dagegen.
„Sie ist schon einen Spalt breit offen!“, flüsterte der König erregt der Königin zu, die sich unter ihm räkelte.
„Ich auch, mein König, ich auch.“, keuchte sie ihm zu während sie ihn mit beiden Beinen fest umklammerte und in sich presste.
„Uuuuuhh…Aaaahh…“, kam es auf einmal aus Madame Priscillas Richtung. Sie schrie völlig weggetreten noch ein letztes Mal auf und rollte sich dann erschöpft zur Seite. Dieser ektstatische Urschrei hatte einen durchschlagenden Erfolg bei der Tür. Mit einem fulminanten Stöhnen schwangen die Türflügel zur Seite und machten den Weg frei.
Der Narr, der sich gerade noch erregt gegen die Tür gestemmt hatte, fiel ins Leere und schlug hart auf dem Boden dahinter auf. „Bonk!“
„Aua!“, rieb der Narr sich ernüchtert die Körperstellen, die so plötzlich Bekanntschaft mit den harten Fliesen hinter der Tür gemacht hatten.
Der König fuhr auf und aus der Königin, die ein enttäuschtes Knurren von sich gab. „Die..die..die..“, dabei deutete er in Richtung Tür, „…Tür ist offen!“, sprudelte es stotternd aus ihm heraus, ebenso wie in diesem Augenblick manch Anderes.
„Jetzt schau Dir die Bescherung an. Das geht doch aus dem Wildleder ganz schlecht wieder raus!“, schalt die Königin den König und sah an sich hinab.
Der König hatte nur noch Augen für die offene Tür. Er bemerkte ein frischen Luftzug, der sich mit der aufgeheizten Atmosphäre in der Kammer vermischte und gut tat. Der Narr, der noch ein bischen wacklig auf den Beinen war, kroch zurück in die Kammer und ließ sich erschöpft von seinen Bemühungen auf die Matratze sinken. Die Königin rutschte hinüber zu Madame Priscilla, die immer noch reglos auf der Seite lag.
„Madame, geht’s Euch gut?“, fragte die Königin und stieß sie sanft an der Schulter an. Nichts regte sich. „Madame!“, rief die Königin erschrocken, kniete sich hin und legte ihren Kopf auf die Brust der fülligen Hofschneiderin. Der König und der Narr sahen erschrocken zur Königin hinüber.
„Sie rührt sich nicht mehr, ihr Herz hat aufgehört zu schlagen!“, schluchzte die Königin und wischte sich erste Tränen von den Wangen. Der König und der Narr eilten herbei und untersuchten ebenfalls den leblosen Körper, während die Königin ihr Gesicht in den Händen vergrub.
„Sie ist tot.“, stellte der König fest. Der Narr starrte fassungslos auf die Leiche. „Wir sollten uns im Angesicht des Todes besser wieder die Hosen anziehen.“, wandte sich der König an den Narren und machte sich daran seine Hosen und Stiefel zusammenzusuchen, die in der Kammer verstreut lagen. Der Narr ließ sich das nicht zweimal sagen und zog hastig seine buntkarierten Narrenhosen wieder nach oben.
„Was machen wir nun?“, fragte die Königin und schluchzte leise vor sich hin.
„Wir machen weiter. Das hätte Madame Priscilla auch gewollt.“, sagte der König mit fester Stimme und zog sich dabei den zweiten Stiefel an. „Sie ist für das Königreich gestorben und das wird nicht vergessen werden. Es gibt schlechtere Arten zu sterben, möchte ich meinen.“ Damit sprang er auf, schnallte sich seinen Schwertgürtel um und ignorierte geflissentlich das leise Klingeln der Schwertglöckchen.
„Wir müssen sie hier lassen, holen sie aber später ab, wenn wir unser Ziel erreicht haben.“, sprach der König.
„Aber sie hier einfach so liegen zu lassen widerstrebt mir. Wir sollten sie schon zudecken.“, erwiderte die Königin und sah sich dabei erfolglos nach einer Decke oder einem Tuch um.
„Wir müssen die Kissen nehmen. Etwas anderes gibt es hier nicht.“, stellte sie fest und trug ein paar davon zusammen und fing an sie um den Leichnam herum aufzustapeln.
Nach ein paar Minuten waren sie fertig. Der König besah sich zufrieden das Ergebnis. Die mit erotischen Stickereien verzierten Kissen schienen ihm passend zum Tod von Madame Priscilla zu sein. Sie standen noch etwas unschlüssig vor dem Kissenberg und machten sich dann auf, die Kammer der Freuden hinter sich zu lassen.
„Na klar, wieder so ein zwielichter Gang.“, sah sich der König um und zog vorsichtshalber sein Schwert. Sie pirschten sich Schritt um Schritt nach vorne. Die Wände des Ganges waren anders, als die die sie zuvor stets gesehen hatten. Nicht mehr nur roher Fels, sondern bestehend aus großen Steinquadern, die nach oben hin in der Dunkelheit verschwanden. Noch wurde alles von dem Lampenschein aus der geöffneten Kammer der Freuden beleuchtet, doch als sie langsam hinter eine Biegung schlichen, schwand das Licht und es wurde dunkel.
„Da vorne ist ein Licht.“, flüsterte die Königin.
„Tatsächlich, da schimmert etwas.“, entgegnete ihr der König und schritt weiter voran.
Sie erreichten eine Tür, die ab Türgriffhöhe eine Milchglasscheibe eingesetzt hatte. Durch die Scheibe drang mattes Licht, so daß die aufgeklebten Buchstaben auf dem Glas gut abzulesen waren.
„Vorzimmer zum Jadeschlüssel, dem Schlüssel der Weisheit.“, las der Königin langsam vor und verrenkte dabei den Hals, da die Buchstaben so stark gebogen waren, daß sie fast einen Halbkreis bildeten. Der König sah die Königin an, die ihm mit dem Schwertknauf zu verstehen gab die Waffen wegzustecken. Beide schoben bimmelnd die Schwerter zurück, als plötzlich hinter der Tür eine gedämpfte Stimme zu hören war: „Herein!“.
Sie traten ein und sahen sich um. Das Zimmer war recht klein und ausgesprochen zweckmässig eingerichtet. Auf der rechten Seite standen Schränke, die mit geheimnisvollen Ziffernfolgen beschriftet waren. Zu ihrer Linken stand ein Schreibtisch, hinter dem ein Mann saß, der auf sie irgendwie merkwürdig wirkte. Er hatte ein seltsames graues Gewand an, daß aus einer gleichfarbigen Hose und einer Jacke zu bestehen schien. Unter der Jacke war ein weißes Hemd zu sehen und um den Hals trug der Kerl einen komischen grauen dicken Strick, der ihm vor dem Bauch herunterhing. Auf seiner Nase hatte er zwei kleine Glasscheiben, die mit goldenem Draht hinter seinen Ohren befestigt waren. Auf der linken Seite des Tisches waren einige graue Mappen akkurat aufeinander gestapelt, auf der rechten ein kleines Stempelkissen neben dem ein kleiner goldener Stempel lag.
„Bitte treten Sie nur einzeln vor und beachten Sie die gelbe Diskretionslinie.“, fing der Mann zu sprechen an und deutete dabei vor seinen Tisch auf den Boden. Eine gelber Strich war in drei Schritt Abstand zum Tisch auf den Boden gemalt. Sie drängelten sich alle hinter die Linie und starrten verdutzt vor sich hin.
„Der Nächste bitte.“, sagte der Mann ohne aufzusehen und ordnete ein paar lose Blätter, die vor ihm lagen. Der König trat vor, wandte sich kurz zur Königin und dem Hofnarren um und flüsterte: „Ihr wartet hier besser, der Kerl ist vielleicht gefährlich.“
„Was kann ich für Euch tun?“, fragte der Mann hinter dem Schreibtisch den König und sah ihn auch diesmal nicht dabei an, sondern war immer noch damit beschäftigt Blätter zu sortieren.
„Ich habe die drei Aufgaben gelöst und möchte nun den Jadeschlüssel der Weisheit.“, antwortete der König leicht irritiert. Das geschäftige unhöfliche Verhalten des Kerls war ihm arg zuwider.
Dessen Kopf ruckte hoch. „Ach, tatsächlich?“, sagte er und beäugte den König misstrauisch. Die Augen des Königs wurden schmal und er presste die Lippen aufeinander.
„Ihr habt hoffentlich alle notwendigen Unterlagen dabei.“, beeilte sich der Mann zu sagen und zog aus einer Schublade ein Formular hervor und fing an die obersten Felder und Zeilen auszufüllen.
„Unterlagen?“, wiederholte der König erstaunt.
„Ja natürlich. Als da wären der bronzene Schlüsselring des Königs, natürlich mit allen drei unversehrten Schlüsseln, das abgehakte und von Euch unterschriebene Aufgabenblatt und die Amtszeitbescheinigung nach Paragraph 22 B, Absatz 12.“, erklärte der Mann in einem gleichbleibend gelangweilten Tonfall und füllte dabei weiter Kästchen und Zeilen auf dem Formular aus.
Dem König klappte der Mund auf. Wortlos drehte er sich zur Königin und dem Narren um. Der Narr gab ihm mit einer vor dem Gesicht hin und her wischenden Hand zu verstehen, was er von dem Kerl hielt. Die Königin kurbelte mit ihrer Zeigerfingerspitze an der Schläfe und formte stumm mit ihren Lippen die Worte „So ein Depp“.
„Narr, reicht mir den Aufgabenzettel.“, befahl der König und nahm gleich darauf den vom Narren hervorgekramten Zettel entgegen. Er holte den Schlüsselbund aus seinem Wams und legte ihn zusammen mit dem zerknitterten Zettel auf den Tisch. „Hier, habt Ihr das Zeug.“, wandte er sich wieder an den Mann im grauen Gewand.
„Auf dem Aufgabenzettel ist die dritte Aufgabe nicht abgehakt, außerdem fehlt Eure Unterschrift.“, monierte der Mann und schob sich die Gläser auf seiner Nase zurecht.
„Treibt es nicht zu weit.“, knurrte der König. Der Narr eilte nach vorne, um den König einen Stift zu geben.
„Nicht die Diskretionslinie übertreten!“, fuhr der Mann den Narren mit lauter Stimme an und wedelte ihn wieder nach hinten, als ob er ein lästiges Insekt wäre. Der König sah den Mann wütend an, hakte aber die dritte Aufgabe ab, unterschrieb den Zettel und schob ihn wortlos über den Tisch. Mit spitzen Fingern zählte der gerade die Schlüssel ab, machte anschließend drei Kreuzchen auf dem Formular und las dann aufmerksam den Aufgabenzettel durch. Als er damit fertig war, machte er nochmals drei Kreuzchen und sah dann wieder zum König auf.
„Ich benötige noch Eure Amtszeitbescheinigung.“, dabei hielt er die Hand auf und winkte mit den Fingerspitzen.
„So etwas habe ich nicht.“, zischte der König aus seinen vor zurückgehaltener Wut zusammengepressten Lippen hervor.
„Dann haben wir jetzt aber ein Problem.“, antwortete ihm der Mann, lehnte sich zurück und verschränkte dabei die Hände vor dem Bauch.
Ende von Teil 13
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edit: Und irgendwann muß mir mal jemand erklären, warum man Tippfehler immer erst hinterher bemerkt.