McKillip, Patricia A.: Schatten über Ombria. (OT: Ombria in Shadow, 2002 ) Klett-Cotta, 2002 . (bisher nur als HC erhältlich). Aus dem Amerikanischen übers. von Hans J. Schütz.
Die Autorin hatte ich bereits kurz in der Empfehlung zu “Winterrose” vorgestellt, dies sei hier übernommen:
Patricia A. McKillip, geboren 1948 in Oregon, USA, lebte während ihrer Kindheit einige Jahre lang in Deutschland und England, wo sie mit Tolkiens Romanen in Berührung kam und bald ihre erste Erzählung schrieb. Sie studierte Literaturwissenschaften und veröffentlichte zahlreiche phantastische Romane, die mehrfach ausgezeichnet wurden, unter anderem mit dem begehrten World Fantasy Award. Zuletzt erschien auf deutsch „Schatten über Ombria“.
Inhalt:
Der Fürst von Ombria liegt im Sterben, und sein Sohn Kyel ist noch zu jung, um das Erbe anzutreten. Nichts scheint Domina Perle aufhalten zu können, eine bösartige, machthungrige Hexe, die den Thronfolger sofort isoliert und die Macht an sich reißt. Kaum hat der Fürst den letzten Atemzug getan, da setzt die "Schwarze Perle" seine junge Geliebte Lydea auf die Straße. Und auch Ducon, der vaterlose Neffe des Fürsten muss sich rasch für eine Seite entscheiden.
Doch das von skrupelloser Herrschsucht heimgesuchte Ombria ist keine Stadt wie jede andere -- neben der gegenwärtigen Stadt existiert noch eine andere schattenhafte Wirklichkeit, nur teilweise eingefangen in der Zeit. In diesen Schatten lebt die Hexe Faey und ihr Geschöpf Mag, die mit sieben Jahren entdeckt, dass sie ein Mensch ist...
Leseprobe:
Kyel zog den Fächer von einem Ebenholztischchen. Es war ein zierliches Stück aus dünnen Elfenbeinstäben und einer doppelten Schicht gefalteten Reispapiers. Auf einer Seite war der Fächer bemalt, die andere zeigte eine kunstvoll geschnittene Silhouette, die man als Schattenwelt hinter einer gemalten Welt sehen konnte, wenn er vor das Licht gehalten wurde.
Lydea öffnete langsam den Fächer, enthüllte die bemalte Seite. „Dies ist Ombria, mein Prinz. Die älteste Stadt der Welt.“ Sie bog den Fächer behutsam vor die Lampe. „Und dies ist der Schatten von Ombria.“ Hinter Ombria stieg eine weitere Stadt auf, schattenhaft, höher selbst als die Paläste von Ombria, Schattenschiffe befuhren das Wasser, winziges Schattenvolk wandelte auf den gemalten Straßen. „Die Schattenstadt von Ombria ist so alt wie Ombria selbst. Es ist eine völlig andere Stadt, doch manche sagen, dass beide Städte zur selben Zeit bestehen und man jeden Tag durch beide geht, gerade so, als folgte man einer Straße und durchquerte Licht und Schatten und Schatten und Licht ... "
„Schatten über Ombria“ hält wirklich, was der Titel verspricht: es ist ein morbides Fantasy-Märchen, was den Leser bereits auf den ersten Seiten eine dunkle Stadt hineinzieht, in der zwei Welten (mitsamt ihren seltsamen Bewohnern und deren umtriebigen magischen Geschäften) nebeneinander existieren. Die Wahrnehmung wird dabei gelegentlich schon auf eine harte Probe gestellt und man fragt sich, wo eigentlich Schatten beginnt und Licht aufhört. Und was alles nebeneinander existiert, von dem man nicht unbedingt etwas ahnt...
Atmosphärisch dicht und brillant geschrieben, kommt die diffuse Stimmung sehr schön zur Geltung. Und auch die Geschichte an sich ist nicht so vorhersehbar, wie man gemeinhin meinen mag. Es passiert mehr, als die knapp 300 großzügig bedruckten Seiten vermuten lassen. Für Fans von anspruchsvoller Fantasy ist „Schatten über Ombria“ sehr gut zu lesen – und das durchaus auch mehrfach
Typisch McKillip – traumschön (nicht einfach) geschrieben, poetisch, subtil, märchenhaft. Und grausam. Auch die dt. Übersetzung ist hier etwas besser gelungen als vergleichbare Bücher von der Autorin (hoffentlich bleibt es irgendwann einmal bei einem Übersetzer). Einziges Manko ist für mich –wie immer- die Covergestaltung der Klett-Cotta Fantasy-Reihe, zwar hochdekoriert, aber dennoch sehr geschmacksabhängig.
Fazit wie bei Shirley Jackson (daher auch beide Bücher etwas zeitnah vorgestellt, falls sich doch jemand dafür interessieren sollte): Wer gern „Winterrose“ gelesen hat, Piranesi mag und die Atmosphäre von „The Others“ liebt, wird auch dieses Buch schätzen. Einen weiteren Pluspunkt gibt es für Freunde von Irrgärten, abseitigen Historiengestalten und Zeichenfans (aus prophylaktischen Gründen: Vorsicht mit Faber-Castells Premium Collection . Wer handlungsreiche SF und Bücher wie z.B. Hohlbeins „Avalon“ präferiert, wird damit wohl eher nicht ganz glücklich.