Das geheime Leben des Monsieur Pick - David Foenkinos

  • Das geheime Leben des Monsieur Pick
    David Foenkinos
    Übersetzer: Christian Kolb
    Deutsche Verlags-Anstalt
    ISBN: 342104760X
    336 Seiten, 19,99 Euro


    Über den Autor: David Foenkinos, 1974 geboren, lebt als Schriftsteller und Drehbuchautor in Paris. Seit 2002 veröffentlicht er Romane, darunter den Millionenbestseller „Nathalie küsst“, der auch als Film mit Audrey Tautou das Publikum begeisterte. Seine Bücher werden in rund vierzig Sprachen übersetzt. Der vielfach ausgezeichnete Roman „Charlotte“ hat sich allein in Frankreich rund eine halbe Million Mal verkauft, wurde auch in Deutschland zum Bestseller und wird derzeit verfilmt. "Das geheime Leben des Monsieur Pick" war in Frankreich monatelang auf der Bestsellerliste.


    Der Übersetzer: Christian Kolb wurde 1970 geboren und studierte französische Literatur und Filmwissenschaft in Berlin und Paris. Neben den Romanen von David Foenkinos übersetzte er u. a. auch Nicolas Fargues „Die Rolle meines Lebens“. Er lebt in Berlin.


    Worum geht es? Eine Bibliothek für Bücher, die niemand wollte, diese Idee kommt aus den USA und ein Bibliothekar in einem kleinen Dorf in der Bretagne greift sie auf. Er schafft in seiner Bücherei eine Abteilung für verschmähte Manuskripte, die nach seinem Tod immer mehr in Vergessenheit gerät. Doch eines Tages entdeckt eine junge Literaturagentin dort ein Manuskript, das das Leben vieler Menschen verändern wird. Der Roman stammt vom örtlichen Pizzabäcker Monsieur Pick, der zwei Jahre zuvor verstarb und dessen Witwe ihn nie schreiben sah.
    Eine Geschichte, die im französischen Literaturbetrieb einen großen Wirbel auslöst. Viele Menschen kommen in das kleine Dorf, alte Freundschaften werden neu belebt, Liebschaften entstehen, und das Wunder, dass ein einfacher Mann aus der Provinz in der Lage war, so einen großartigen Roman zu schreiben, inspiriert sie alle.


    Ich habe die früheren Bücher des Autors nicht gelesen und ihn mit diesem Buch erst kennengelernt. Sehr auffällig ist seine Liebe fürs Detail. Er arbeitet seine Figuren sehr sorgfältig aus und erweckt sie so zum Leben. Und…er liebt sie alle. Das wird deutlich, je weiter die Geschichte voranschreitet. Keine der geschilderten Personen ist ohne Fehler und die zeigt der Autor deutlich auf, um sie direkt im Anschluss in Schutz zu nehmen und ihr Verhalten entschuldigend zu erklären. Dies geschieht auf so warmherzige Weise und ist gleichzeitig so amüsant, dass man ebenfalls beginnt, jeden im Buch zu mögen.
    Der Schreibstil ist herrlich altmodisch und der Übersetzer hat eine großartige Arbeit geleistet. Neben der Haupthandlung wird auch der Literaturbetrieb gehörig auf die Schippe genommen.


    Dieses Buch entführt den Leser in seine ganz eigene zauberhafte Welt und lässt ihn wunderbare Menschen und deren Lebensgeschichten kennenlernen. Einfallsreich, interessant, warmherzig und auch ein bisschen böse, das ist der Mix, der aus diesem Buch ein Wohlfühlbuch macht. 10 Eulenpünktchen dafür.

  • David Foenkinos erzählt die Geschichte der 80-jährigen Witwe Madeleine Pick und des Bibliothekars Jean-Pierre Gourvec, die am äußersten westlichen Zipfel Europas auf der Halbinsel Crozon leben. Madeleine hat jahrelang gemeinsam mit ihrem Mann eine Pizzeria betrieben, Jean-Pierre in seiner kleinen Bücherei einen Zufluchtsort für abgelehnte Manuskripte angelegt. Als dritte in einem größeren Bund handelnder Personen tritt Delphine Despero auf, die aus Morgat/Crozon stammt und in Paris als Lektorin arbeitet. Während eines Besuchs bei ihren Eltern erfährt Delphine von Jean-Pierres Sammlung verschmähter Manuskripte und entdeckt, dass Henri, genau der Henri aus der Pizzeria, ein Buch geschrieben haben muss. Niemand kann sich erinnern, Henri je lesen oder schreiben gesehen zu haben – und doch muss er irgendwann die Zeit dazu gefunden haben. Delphins Lektorengehirn rattert sofort los, den Verkauf der Filmrechte sieht sie schon vor Augen. Doch noch schweigt sie eisern über ihre Entdeckung. Sogar ein Journalist taucht auf, der die Geschichte von Henris geheim gehaltener Leidenschaft vermarkten will. Doch für Madeleine ist der Hype um ihren Mann eine zweischneidige Angelegenheit, hatte sie sich doch gerade an das Alleinsein gewöhnt. Eine Fülle von Personen tritt nun auf, eingefahrene Beziehungen bröckeln, alte Lieben werden wiederentdeckt. Allmählich könnte man annehmen, dass so mancher Einwohner von Crozon Henri sein stilles Vergnügen neidet und auf das Buch eifersüchtig wird. Ein Gespräch zwischen Delphine und einem Journalisten bringt einen als Leser auf die Idee, dass ein Text keine Rolle mehr spielt, sobald nur ein Hype erzeugt wurde und seine Vermarktung angelaufen ist. Eine Reihe weiterer spöttischer Gedanken zum Literaturbetrieb sind im Roman zu finden. Selbst die Figur der Delphine könnte als ironische Anmerkung gesehen werden. Sie scheint mit ihrer wohlgesetzten, ziselierten Sprache aus einer anderen Epoche gefallen zu sein – und liebt dennoch ihren ebook-Reader. Faszinierend fand ich das Thema der Muße und des Nichtstuns in Foenkinos Roman. Hier wird, ganz klassisch, ausgiebig gelesen und miteinander geredet. Damit Geschichten entstehen können, muss man seine Gedanken frei schweifen lassen – doch wer nimmt sich heute dazu noch die Zeit?


    Wie auf dem zentralen Platz in einer Stadt, auf dem sich Wege unterschiedlichster Menschen kreuzen, verknüpft Foenkinos die Schicksale seiner Figuren lose miteinander. Sein Focus liegt auf den Einzelpersonen – diese mosaikartige Art zu schreiben muss man mögen. Hinter vordergründig liebevollen Beschreibungen versteckt sich eine gehörige Prise Ironie. Französische Romane werden gern als bezaubernd bezeichnet. „Das geheime Leben des Monsieur Pick“ halte ich für einen komplex angelegten Roman über das Schreiben, der hinter dieses Bezaubernde blickt, Urlaubsgefühle wecken kann und mit der Tatsache spielt, dass im Literaturbetrieb eine Story hinter der Story oft wichtiger zu sein scheint als ein Buch selbst.


    9 von 10 Punkten