Margot Lee Shetterly: Hidden Figures. Unerkannte Heldinnen

  • Margot Lee Shetterly: Hidden Figures. Unerkannte Heldinnen
    Verlag: HarperCollins 2017. 400 Seiten
    ISBN-13: 978-3959670845. 14€
    Originaltitel: Hidden Figures
    Übersetzer: Michael Windgassen


    Verlagstext
    1943 stellt das Langley Memorial Aeronautical Laboratory der NACA, die später zur NASA wird, erstmalig afroamerikanische Frauen ein. "Menschliche Rechner" - unter ihnen Dorothy Vaughan, die 1953 Vorgesetzte der brillanten afroamerikanischen Mathematikerin Katherine Johnson wird. Trotz Diskriminierung und Vorurteilen, treiben sie die Forschungen der NASA voran und Katherine Johnsons Berechnungen werden maßgeblich für den Erfolg der Apollo-Missionen. Dies ist ihre Geschichte.
    "Mit dieser unglaublich mitreißenden und vielschichtigen Erzählung zeigt Shetterly ihr Können. Die Geschichte begeistert in allen Aspekten."


    Die Autorin
    Margot Lee Shetterly ist eine unabhängige(r) Wissenschaftlerin und bekam einen Zuschuss der Alfred P. Sloan Foundation, um für "Hidden Figures" recherchieren zu können. Derzeit forscht sie für ihr „Human-Computer–Project“, ein digitales Archiv der Geschichte der weiblichen „menschlichen Computer“ in der NASA. Sie lebt in Hampton, Virginia und Valle de Bravo, Mexiko.


    Inhalt
    Die Vorgängerbehörde der heutigen NASA, das Langley Memorial Aeronautical Laboratory der NACA, konnte zum Ende des Zweiten Weltkriegs den gewaltigen Bedarf an Mathematikern nur decken, indem schwarze Mathematikerinnen eingestellt wurden. Das gewaltige Wachstum kriegswichtiger Forschung zeigt anschaulich der Anstieg der Mitarbeiterzahl von 15 000 auf 150 000 Personen in kurzer Zeit. Noch bis 1984 waren in den USA nur 2% aller Ingenieure afroamerikanischer Herkunft, bei der NASA waren es bereits 8,4%. In den 40ern herrschte an Schulen, Universitäten, im Arbeitsleben, wie in der gesamten Öffentlichkeit strenge Rassentrennung. Erst 1947 wird die Rassentrennung in der US-Armee und am Arbeitsplatz per Gesetz abgeschafft, erst 1954 die Rassentrennung an Schulen aufgehoben. Bis dahin konnte nur jeder Betroffen einzeln gegen die Diskriminierung klagen. Begabte schwarze Schüler konnten zwar an rein schwarzen Universitäten studieren, stießen im Arbeitsleben jedoch sofort an eine gläserne Decke, weil die weiße Bevölkerung bis lange nach dem Krieg noch an der Vorstellung festhielt, dass schwarze Mitarbeiter einer Firma vermutlich Reinigungspersonal sein müssten. Ein großer Teil schwarzer Absolventen arbeitete nach dem Examen trotz bester Abschlüsse weit unter ihrer Qualifikation als Lehrer.


    Die Autorin Margot Lee Shetterly aus Hampton in Virginia wuchs dagegen bereits mit der Vorstellung auf, dass Wissenschaftler bei der NASA ein normaler Job für Schwarze sei, schließlich wimmelte es in ihrer Heimatstadt von schwarzen Mathematikern. Dorothy Vaughan, Katherine Johnson und Mary Jackson, deren Leben Shetterley hier nachzeichnet, waren in den USA der 40er zwar an ihrem Arbeitsplatz für jeden sichtbar, wurden jedoch lange nicht als schwarze Wissenschaftlerinnen wahrgenommen.


    Als Dorothy Vaughan, Katherine Johnson, Mary Jackson ihre Stellen im Langley Memorial Aeronautical Laboratory antreten, gibt es zwei große Rechenzentren, West-Computer und Ost-Computer und eine dritte Welt, die der Rassentrennung. Toiletten sind automatisch „weiß“, Farbige Mitarbeiter müssen extra gekennzeichnete Toiletten für Farbige benutzen und in der Kantine nur an separaten Tischen sitzen. Während es landesweit noch nicht üblich ist, dass Mütter kleiner Kinder berufstätig sind, müssen die neuen Mathematikerinnen ihre Familien zurücklassen und an 6 Wochentagen ihren Dienst in drei Schichten leisten. Der soziale Druck muss enorm gewesen sein, als Außenseiterinnen im doppelten Sinn korrekt und fehlerfrei zu arbeiten. Als Frauen und schwarze Akademikerinnen halten die „Computer“ im Team fest zusammen und stellen höchste Ansprüche an sich, um nur keinen Anlass zur Kritik zu bieten. Erst der Sputnikschock von 1957 und der schiere Mangel an fähigen Wissenschaftlern führten schließlich zur Aufhebung der Rassentrennung in der Wissenschaft. Die USA konnten sich schlicht nicht mehr leisten, die Talente ihrer schwarzen Wissenschaftler zu verschwenden. Doch die Angst, technisch hinter Russland zurückzubleiben, führte auch dazu, dass Amerikaner als Spione verdächtigt wurden, die zur Rassentrennung und Lohndiskriminierung schwarzer Mitarbeiter fortschrittlichere Ansichten zu vertreten wagten als die weiße Mittelschicht.


    Die Arbeitsbedingungen der Kriegsjahre, besonders die von Frauen, fesseln mich schon immer als Thema. Leider erschwert der pathetische, aufgeblähte Stil Margot Lee Shetterlys das Lesen unnötig. In Romanen bin ich erklärter Fan von Schachtelsätzen, vorausgesetzt, die Autoren selbst verlieren darin nicht den Faden. Hier hatte ich den Eindruck, dass verbale Trommelwirbel mich ständig mit der Nase darauf stoßen sollten, doch bitte außerordentliche Bewunderung für die Leistungen der Hidden Ladies zu zeigen. Was ich schon längst getan hatte ... Zu den Durchhalteparolen der Kriegszeit und zum Kalten Krieg der Nachkriegszeit würde dieses Übermaß an Pathos passen, aber nicht zu einem Text, der im 21. Jahrhundert gelesen und verstanden werden soll. Der zu umständlich formulierte englische Text verliert durch zahlreiche Übersetzungsfehler und eine schwer verständliche Satzstellung weiter an Qualität (Häufig wird das Verb ans Ende eines komplizierten Satzgebildes gesetzt, das mit einer anderen Stellung des Verbs leichter verständlich wäre.) Wenn eine Pfadfinderführerin ihre Mädchen anregen will, ihre Chancen im Leben tatkräftig zu ergreifen, wird daraus, sie wollte „ihnen Erlebnisse schaffen, die ihr Verständnis von den Möglichkeiten ihres Lebens erweiterten“. Das ist umständlich und im Deutschen grammatikalisch falsch. Für (z. B.) energetic, progressive, clever und supersonic gibt es treffende deutsche Ausdrücke, die in einer Übersetzung ins Deutsche auch benutzt werden sollten. Wer spricht heute, abgesehen von der arbeitsrechtlichen Ebene, von seiner Arbeitsstelle als „Beschäftigungsverhältnis“, wer bewirbt sich „beim“ Öffentlichen Dienst statt um/für eine Stelle im Öffentlichen Dienst?


    Fazit
    Das faszinierende, historisch bedeutende Thema wird leider durch stilistische Mängel und Übersetzungsfehler verschenkt.


    5 von 10 Punkten

  • Meine Rezension

    Den Film „Hidden Figures“ mochte ich sehr, das war ein – zumindest in meinen Augen – sehr unterhaltsam aufbereites Biopic über die farbigen Frauen, die maßgeblich am Erfolg so manches Flugkörpers (sei es nun Kriegsflugzeug während des WWII als auch später Raketen bei der NASA) beteiligt waren.


    Das zugrundeliegende Buch allerdings ist eher ein Sachbuch denn ein Roman. Zwar werden durchaus die Lebensläufe der Protagonistinnen nachgezogen, aber durch das ganze Buch ziehen sich wie ein roter Faden unendlich viele Fakten zur damaligen Geschichte, vor allem eben auch im Hinblick auf die damals noch vorherrschende Rassentrennung – und wie diese Schrittchen für Schrittchen aufgehoben wurde.


    Interessant ist das natürlich allemal, doch für mich fehlt hier einfach „Handlung“ und Emotionen. Natürlich sollte man Buch und Film nicht 1:1 vergleichen, doch hier fällt das Buch schon sehr ab. Der Film erzählt eine interessante Geschichte, das Buch verdichtet in meinen Augen einfach nur die Fakten. Mir war es hier einfach viel zu wenig Storytelling und selbst wenn die Autorin „in die Familien“ geht und deren Geschichte erzählt, war mir das einfach zu sachlich.


    Mir hat das Buch trotz der zugrundeliegenden ganz großartigen Story nicht besonders gut gefallen. Aber vielleicht habe ich mir auch nur das falsche erwartet. Wer sich über die Rassentrennung und deren langsame Aufhebung zwischen – sagen wir mal – den 30ern und den 60ern des letzten Jahrhunderts informieren will, findet hingegen spannende Lektüre.


    Es fällt mir hier schwer, eine Bewertung abzugeben, denn das Buch ist an und für sich nicht schlecht und auch nicht schlecht geschrieben – aber etwas komplett anderes als ich mir für meine Lektüre erhofft hatte. Schade!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)