OT: Juni
Kurzbeschreibung:
Die Königin kommt. Und das Dorf im nördlichsten Zipfel der Niederlande steht kopf. Familie Kaan ist mittendrin im Trubel dieses Junitages 1969: Zwei der Söhne schwenken Fähnchen vor dem Gemeindehaus, und der kleinen Tochter auf dem Arm ihrer Mutter Anna streicht Königin Juliana höchstpersönlich über die Wange.
Vierzig Jahre später ist es ruhig geworden auf dem Hof der Kaans. Vieh gibt es außer einem letzten Stier keines mehr. Und daß Altbäuerin Anna sich regelmäßig mit einer Flasche Eierlikör und ihrer Seelenlast auf den Heuboden zurückzieht, wird stillschweigend akzeptiert. Nur die fünfjährige Dieke wundert sich. Was vor vierzig Jahren dem Leben ihrer Familie eine völlig andere Richtung gegeben hat, offenbart sich erst nach und nach.
Über den Autor:
Gerbrand Bakker, 1962 in Wieringerwaard geboren, studierte niederländische Sprachwissenschaft in Amsterdam. Er ist Autor eines etymologischen Wörterbuchs der niederländischen Sprache und des Jugendromans Birnbäume blühen weiß (Patmos 2004). Sein Debütroman "Oben ist es still" wurde u. a. mit dem hochdotierten IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet, mittlerweile in etwa 35 Sprachen übersetzt und in fast 20 Ländern veröffentlicht.
Meine Meinung:
Für die niederländische Königin Juliana ist es ein Programm, das im Juni 1969 absolviert werden muss; für die Menschen, die ihr auf ihrer Reise durch die nördlichen Niederlande begegnen, ein unvergessliches Erlebnis. Das gilt insbesondere für die Bauersfamilie Kaan und die anderen Dorfbewohner, die angesichts der Ereignisse diesen Tag ebenfalls nie vergessen. Was genau an jenem Tag im Juni passierte und wie es den Menschen auf dem Hof heute, 40 Jahre später geht, erzählt Gerbrand Bakker auf nüchterne und zugleich sehr ausdrucksstarke Weise.
Zahlreiche Rückblicke aus verschiedenen Perspektiven setzen Stück für Stück ein Mosaik zusammen, das mit jedem neuen Puzzleteil an Atmosphäre gewinnt und schließlich ein so eindrückliches und umfassendes Bild ergibt, dass man die Hitze des heißen Junis und die Trägheit, von der die Menschen im Sommer manchmal befallen ist, förmlich selbst zu spüren glaubt. Aber auch die Figurenzeichnung ist außergewöhnlich: Mit nur wenigen, aber dafür kräftigen und sehr präzisen Pinselstrichen (um im "Bild" zu bleiben) erweckt Bakker seine Figuren zum Leben und bringt den Leser dazu, die jeweilige Perspektive ganz selbstverständlich zu übernehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei dieser Perspektive um die einer über 70-jährigen Bäuerin, eines 5-jährigen Kindes, eines unverheirateten Mannes mittleren Alters oder aber um den Hofhund handelt. Sie alle haben ihr eigenes Los zu tragen und teilen doch die gemeinsame Erinnerung an jenen Tag im Juni 1969, als Königin Juliana ihr Dorf besuchte und sich ihr aller Leben schlagartig änderte.
Ich vergebe nachdenkliche 9 Punkte.