Der Mann, der Luft zum Frühstück aß - Radek Knapp

  • Autor: Radek Knapp
    Verlag: Deuticke
    Seiten: 123


    Inhalt:
    Walerian, den seine Mutter nach einem Beruhigungsmittel benannt hat, wächst bei seinen Großeltern in Polen auf, nachdem seine Mutter ihn "übers Wochenende" dort abgegeben hat und erst 11 Jahre später wieder auftauchte. Mit der Begründung, sie sei nur einmal jung, aber ihr Sohn sei auch noch da, wenn sie alt ist.
    Sie will ihren Sohn nur kurz mit in die Stadt nehmen, aber entführt ihn nach Österreich. Dort muss er nun leben und sich zurecht finden, ohne die Sprache zu kennen.
    Immer mal wieder überkommt ihm eine Lethargie, bei der er nur noch vor sich hinstarrt und alles drumherum vergisst.
    Radek Knapp schildert Walerians Weg ins Erwachsenenleben. Mit dem Elan, den junge Menschen an der Grenze zum Erwachsensein haben und der innerlichen Zerrissenheit von jemandem, dem die Verbindungen zu seine Wurzeln gekappt wurden.


    Der Autor:
    Der Autor wurde 1964 in Polen geboren, wuchs dort bei seinen Großeltern auf, bis er 1976 mit seiner Mutter nach Wien kam. Er ging auf die Handelakademie, studierte danach Philosophie und hielt sich mit verschiedenen Jobs über Wasser.


    Es scheint, als habe das Buch sehr autobiographische Züge.



    Meine Meinung:
    Am Anfang tat ich mich etwas schwer mit dem Buch. Der Autor erzählt so vor sich hin und mir war nicht klar, wo er lang will. Doch dann fing er mich mit seiner Sprache ein, die ich eigentlich nicht anders bezeichnen kann als mit Poesie.
    Er schreibt ganz einfach und deutet vieles nur an. Hier ist der Leser aufgefordert mitzudenken. Von seiner Art zu schreiben könnte man zB meinen, dass es Walerian gut geht und alles locker flockig ist. Aber das ist es beileibe nicht.
    Die Geschichte an sich ist vielleicht gar nicht so herausragend. Aber er malt mit den Worten Bilder. Z.B. "Niemand wusste so richtig, was im Kopf meiner Mutter vorging. Leute, die sie kannten, behaupteten, dass dort eine entzückende Leere herrschte, andere wiederum konnten geradezu den Donner hören, den der eingeschlossene Geist beim Nachdenken erzeugte." Mit diesem Satz fängt die Geschichte an.
    Er hat mich auch immer wieder zum schmunzeln gebracht, auch wenn die Situationen eigentlich ernst waren.
    Ein schönes, kleines Buch, das mich lächelnd und nachdenklich zurück lässt.

  • „Dennoch, so erfunden das Ganze ist, so wahr ist es auch.“ (S. 112)


    Zusammenfassung. Walerian nimmt uns mit durch die stürmische Zeit seines Erwachsenwerdens: Schon früh von seiner Mutter „entführt“ (nicht meine Worte!) aus der Heimat Polen nach Österreich schlägt er sich auf kreative Art und Weise durch und versucht sich schließlich an der Reparatur seiner selbst – dabei gelingen ihm Erkenntnisse, die sich durchaus lesenswert erweisen.


    Erster Satz. Niemand wusste so richtig, was im Kopf meiner Mutter vorging.


    Cover. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass mich das Buch vom Cover her erstmal so gar nicht angesprochen hat. Es war mehr der Zufall, der mich hat reinlesen (und nicht mehr aufhören wollen) lassen. Also, falls jemand sich vom Cover abgeschreckt fühlt: Gebt dem Buch eine Chance, das lohnt sich wirklich.


    Inhalt. Als Schüler hat unser Protagonist erkannt: „Schnelligkeit ist gut für Atome, aber nicht für die Wesen, die aus ihnen bestehen.“ (S. 68). Gemessen an dieser Erkenntnis stecken in „Der Mann, der Luft zum Frühstück aß“ beeindruckend viele Handlungen auf beeindruckend wenigen Seiten: ich habe die Lektüre an einem Abend nach einem langen Lernnachmittag begonnen und plötzlich war sie auch wieder vorbei.
    Diese schiere Fülle an klugen Worten hat es mir persönlich zwischenzeitlich schwer gemacht, einen Zugang zu finden zu all den Dingen, die Walerian dem gewissenhaften Leser mit auf den Weg geben kann – und vielleicht ist der Abend eines langen Tages auch einfach der falsche Moment für ein Buch von solcher Fülle. Daher meine Empfehlung: genügend Ruhe mitbringen, um diese Erzählung genießen zu können. Sie ist es wert.


    Personen. Die Kürze des Textes lässt schon entsprechende Rückschlüsse zu: Die neben Walerian auftauchenden Charaktere dienen hauptsächlich der Handlungsentwicklung und werden auch nahezu ausschließlich nicht tiefer gehend entwickelt, aber das braucht es auch gar nicht.
    Denn der wichtigste, Protagonist Walerian, personifiziert Dinge, von denen ich im Vorfeld nicht einmal wusste, dass ich sie so empfinde: Er thematisiert Heimatlosigkeit, gefühlte wie tatsächliche, die Absurdität aktueller Technologie, und er handelt, wie ich mir manchmal wünschen würde zu handeln. Ein Protagonist, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn gebrauchen konnte.


    Zitate. Beim Eingießen musste ich an die Alkoholindustrie denken, die Milliarden damit machte, weil zwei Menschen aus Lampenfieber ein volles Glas brauchten, an das sie sich klammern konnten. (S. 66)
    Ich wurde schon mit zwölf aus dem Fenster gestoßen. Und seitdem falle ich. Tag und Nacht. Egal, was ich tue. Sogar jetzt, während ich hier sitze, bin ich am Fallen. (S. 119)


    Fazit. So sehr mich das Cover abgeschreckt hat, so sehr habe ich diese Erzählung gemocht. Trotz ihrer Kürze (ja, ein oder zweimal schon erwähnt, aber länger wär halt echt ganz schön gewesen!) hat sie mich auf subtile Art und Weise berührt und zugleich humorvoll unterhalten, und was wünscht man sich mehr?

  • "Der Mann, der Luft zum Frühstück aß" ist die Geschichte des polnischen Jungen Walerian, der im Alter von 12 Jahren aus Polen nach Österreich umziehen muss. Sehr humorvoll und mit viel Ironie erzählt Radek Knapp, wie Walerian versucht, in seiner neuen Heimat anzukommen und sein Leben in den Griff zu bekommen.
    Der Schreibstil des Autors hat mir sehr gut gefallen, das Buch lässt sich schnell durchlesen, was aber teilweise daran liegt, dass das Buch nur 128 Seiten hat.
    Die Geschichte ist sehr unterhaltsam, am Ende hat mir jedoch die Tiefe gefehlt. Viele Ereignisse werden nur kurz angeschnitten und dann nicht mehr weiterverfolgt.
    Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, würde es aber nicht weiterempfehlen, schon alleine wegen dem Preis von 16 Euro.

  • Walerian, der nach einem Beruhigungsmittel benannt wurde, wird von seiner Mutter als Einjähriger allein gelassen. Diese taucht erst 10 Jahre später wieder auf, um kurz darauf mit ihm von Polen nach Österreich, genauer nach Wien, auszuwandern. Dort schlägt sich Walerian durch, muss jedoch erfahren, dass es für Immigranten nicht immer leicht ist.


    Angesichts der Kürze des Buches verbietet sich jeder nähere Einstieg in den Plot, um nicht die Geschichte vorwegzunehmen. Nur so viel: Knapp stellt in seinem Buch den Humor in den Vordergrund. Tiefe Brüche im Leben des Hauptcharakters werden nicht näher ausgearbeitet, vielmehr schafft es der Protagonist, mit Humor und Bauernschläue über die Gräben des Lebens hinüberzusteigen. Der Erzählstil von Knapp ist sehr gelungen und fesselt den Leser, ohne dass man sagen kann, woran dies liegt. Gerade darin besteht aber die große Kunst (und vielleicht auch die Stärke).


    Fazit: Ein absolut lesenswertes Buch, das aufgrund seiner Kürze schnell verschlungen werden kann und dazu auch einlädt. Knapp ist hier ein **spitzen**“ Buch gelungen.