Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Verlag: Kiepenheuer&Witsch
Übersetzt von Gertraude Krueger
Kurzbeschreibung:
Im Mai 1937 wartet ein Mann jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung darauf, dass Stalins Schergen kommen und ihn abholen. Der Mann ist der Komponist Schostakowitsch, und er wartet am Lift, um seiner Familie den Anblick seiner Verhaftung zu ersparen.
Die Gunst der Mächtigen zu erlangen, hat zwei Seiten: Stalin, der sich plötzlich für seine Musik zu interessieren scheint, verlässt noch in der Pause die Aufführung seiner Oper »Lady Macbeth von Mzensk«. Fortan ist Schostakowitsch ein zum Abschuss freigegebener Mann. Durch Glück entgeht er der Säuberung, doch was bedeutet es für einen Künstler, keine Entscheidung frei treffen zu können? In welchem Verhältnis stehen Kunst und Unterdrückung, Diktatur und Kreativität zueinander, und ist es verwerflich, wenn man sich der Macht beugt, um künstlerisch arbeiten zu können?
Im neuen Roman von Julian Barnes wird das von Repressionen geprägte Leben von Schostakowitsch in meisterhafter Knappheit dargestellt – ein großartiger Künstlerroman, der die Frage der Integrität stellt und traurige Aktualität genießt.
Über den Autor:
Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln«, »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet und 2016 mit dem Siegfried-Lenz-Preis für sein Gesamtwerk. Julian Barnes lebt in London.
Über die Übersetzerin:
Gertraude Krueger arbeitete nach ihrem Studium am Dolmetscher-Institut der Universität Heidelberg zunächst als Hostess bei den Olympischen Spielen 1972 in München, dann in der Organisation internationaler Tagungen und in verschiedenen Funktionen im wissenschaftlichen Bereich. Auf ein weiteres Studium der Slawistik und Anglistik an der Freien Universität Berlin folgten Lehrtätigkeiten in der Erwachsenenbildung, darunter lange Jahre als Englischlehrerin für angehende Fotografen und Modedesigner am Lette-Verein Berlin.
Seit 1977 ist sie freiberufliche Übersetzerin, wirkte von 1977 bis 2004 im Bundesvorstand des Verbands deutschsprachiger Literaturübersetzer (VdÜ) mit und 10 Jahre im Organisationsteam der Jahrestagung des VdÜ.
Daneben war sie immer wieder Jurorin für die Vergabe von Übersetzerpreisen und -stipendien und beriet mit großer Freude als Mentorin andere Literaturübersetzer im Rahmen von Werkstätten und Stipendien bei ihren laufenden Projekten.
Mein Eindruck:
Julian Barnes ist ein bedeutender englischer Autor, aber nicht immer ist seine Prosa leicht zugänglich.
Auch der Beginn seines neuen, qualitativ hochwertigen Romans über den russischen Komponisten Schostakovich und die Auslotung des schmalen Grats zwischen Widerstand und Mitläufertum in diktaturischen Zeiten, ist zunächst kühl und distanziert. Der Text öffnet sich erst allmählich, wenn Schostakovich Emotionen erkennbar werden, diese enthalten auch Angst und Selbstzweifel.
Es zeigt sich das Bild eines Mannes, der im Anzug schläft, um bereit zu sein, wenn ihn der Geheimdienst abholt. Ein Zustand voller Druck und Anspannung. Der Gulag droht oder gleich eine Kugel in den Hinterkopf.
Ich musste beim Lesen stark an den Film Testimony denken, in dem Ben Kingsley Dimitri Shostakovich darstellt.
Das Buch gewinnt an Stärke, wo der Mensch Schostakovich ebenso betrachtet wird wie der Künstler, eigentlich lassen sich beide in diesem speziellen Fall nicht ohneinander erkennen.
Der Lärm der Zeit ist eine strenge, romanhaft gestaltete Biografie über den Komponisten und die Zeit unter Stalin.