Für den Start der Klappentext:
Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann. In Georgi Gospodinovs Erzählungen begegnen wir hinterwäldlerischen Dorfbewohnern auf dem südlichen Balkan, einem Kind, das nacheinander verschiedene Väter adoptiert, einem Autor, der ganz Lissabon nach einer unbekannten Schönen absucht, und zahlreichen simplen oder auch raffinierten Ehebrüchen; einige Geschichten werfen Blicke in die kommunistische Vergangenheit des Landes und andere in die Zukunft der Menschheit. Wie in der Titelgeschichte die Zeit, die das Licht von der Sonne zur Erde braucht, gerade das bisschen Zeit ist, die der Autor dem Leser zur Lektüre des Textes einräumt, so lauern in vielen Texten Gospodinovs Weltuntergangsgedanken, Sorgen und Trauer um die Unzuverlässigkeit der Menschen.
Rezension:
Georgi Gospodinov ist fast schon zu Klischee für die melancholische slavische Seele um wahr zu sein. Hochwertig und ansprechend ist er trotzdem.
Seine Erzählungen haben mich mit einem sehr intensiven und persönlichem Schreibstil reingesogen und bis zum Ende des Buchs nicht wieder aus den Krallen gelassen. Ich bedauere nun, nach Beenden der Lektüre, dass dies „nur“ ein Bibliotheksbuch ist. Es wird wohl ein Neuzuwachs im Buchregal werden.
Häppchen genauer betrachtet
Lasst mich Euch einige der Erzählungen näher vorstellen. Die titelgebende Geschichte wirft uns vorbereitungslos und ohne großes Getue rein in eine Ankündigung einer bevorstehenden Apokalypse. Der an der Stelle geradezu atemlose Schreibstil baut in null komma nichts Spannung auf. Nur, um in die Kiste mit schwarzem Humor zu greifen und die Geschichte in eine Erzählung über die Zufallskarriere eines Sonnenuntergangsfotografen münden zu lassen. Was für ein Ritt!
Weit sensibler baut sich die Geschichte um einen Mann, der nach 40 Jahren die Dame seines ersten Mals wiedersehen möchte, auf. Aber vorsicht! Wappnet Euch vor dem unromantischen Ende.
Oder die darauf folgende, in der es um die gespenstische Atmosphäre von historisch belasteten Orten geht. Manche Gespenster, die schlimme Ereignisse hinterlassen, sind trotz baulicher Maßnahmen einfach nicht weg zu bekommen.
Wenn man da als Leser denkt, der Neigung zur Melancholie sei Genüge getan, hat sich sehr verschätzt. Die Geschichte um einen Heimjungen, der einen Vater adoptieren möchte, oder auch die um einen Kinodreh in einem langsam aussterbenden Dörfchen berühren tief.
Einfach da „drüberlesen“ ist keine Option. Pausen und Durchatmen muss man sich bei Gospodinovs Erzählungen gönnen.
Sehr prägend für den Autor ist auch, dass bei mindestens jeder zweiten Geschichte der Eindruck einer starken autobiografischen Komponente entsteht. Die Akteure sind wiederholt selbst Literaten und auch an anderen Hinweisen, wie gern gewählter Ich-Perspektive, mangelt es nicht.
Die Komposition und Phantasiefülle der Erzählungen sowie der absorbierende Stil bewegen mich für Georgi beide Däumchen nach oben zu heben.
Ich werde dieses Mal keine Schätzungen darüber abgeben, für wen dieses Buch geeignet ist und für wen nicht, denn ich halte es auf Grund seiner literarischen Qualität generell für eine Bereicherung. Wem die Themen der Geschichten doch zu tief gehen, wird automatisch Pausen einlegen oder auch nach einer bestimmten individuellen Geschichtenanzahl X das Buch beiseite legen.
Fazit:
Nerven muss man haben für Gospodinov, aber er ist ein MUSS!
Wenn Euch meine Rezension gefällt, findet Ihr gern mehr davon auf meinen Blog : www.nichtohnemeinbuch.com