'Was vom Tage übrigblieb' - Seiten 154 - 240

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    Original von Ayasha


    Diese Fragen sind sicher berechtigt. Ich sehe es aber gleichzeitig auch als ein Talent, sich so im Job zu verwirklichen und ich mag da nicht nur an Selbstaufgabe denken. Stevens ist bestimmt ein etwas extremeres Beispiel. Aber ist es nicht auch so, dass die Menschen damals weniger Freizeit und somit weniger Zeit zum Nachdenken und Grübeln hatten? Sie hatten keine Hobbys, in denen sie sich verwirklichen konnten - es war die Arbeit, die ihnen Bestätigung gab. :gruebel


    Der Butler-Beruf bringt es zudem ja auch mit sich, dass es kaum Freizeit gibt. Ich denke schon, dass Stevens wusste, worauf er sich da einlässt. Zumal sein Vater ja auch Butler war. Sein Beruf ist die einzige Möglichkeit, Anerkennung zu bekommen.
    Ich kann beide Ansichten verstehen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    Der Butler-Beruf bringt es zudem ja auch mit sich, dass es kaum Freizeit gibt. Ich denke schon, dass Stevens wusste, worauf er sich da einlässt. Zumal sein Vater ja auch Butler war. Sein Beruf ist die einzige Möglichkeit, Anerkennung zu bekommen.
    Ich kann beide Ansichten verstehen.


    Sicher hat Stevens kein anderes Leben kennen gelernt, sein Vater scheint ja auch Butler ohne Grenzen gewesen zu sein. von der Mutter hört man garnichts, sie scheint keine Einwirkung auf seine Entwicklung gehabt zu haben.
    Allerdings ist das Buch ja in den 1920ern angesiedelt bis weit nach dem Krieg, da hatten die Leute schon auch Hobbies und Freizeit.


    Dass Stevens sein eigenes Leben und seine Bestätigung jedoch nur aus den Erfolgen seines Dienstherrn also Lord Darlingtons zieht, das vermag ich nicht nachzuvollziehen.
    Dass man allerdings in seinem Beruf sein Bestes gibt, und bei Fehlern an sich rumkrittelt, das kann ich gut verstehen.

  • Dieses Wochenende bin ich auch zum Lesen gekommen.


    Dieser Abschnitt hat mich sehr bewegt. Aber der Reihe nach:


    Ich empfinde Stevens Erzählungen in diesem Abschnitt so, als würde er nach und nach zu einer gewissen Selbsterkenntnis kommen. Er gibt (vor sich selbst) zu, dass Lord Darlington die falschen Verbündeten gewählt hat und dass seine Verbindungen zu Nazis falsch war. Ebenfalls in die Richtung geht seine wachsende Erkenntnis, dass er in den Brief von Miss Kenton wahrscheinlich Dinge hineingelesen hat, die nicht da sind. Allerdings spricht er von ihr immer noch als Miss Kenton, nicht von Mrs Benn.


    Mir ging es auch so wie Saiya, dass ich über den Titel nachdenken musste. Eigentlich müsste er lauten: "Was vom Leben übrigbleibt". Was bleibt von Stevens übrig, wenn der Gentleman, dem er dient und daraus seine Würde zieht, sich als zweifelhaft erweist, und er die einzige Person verliert, zu der er so etwas wie ein persönliches Verhältnis hat?


    Bedrückend finde ich die Rückblenden - er glaubt, selbst das Lesen eines Liebesromans damit vor sich selbst rechtfertigen zu müssen, dass er sich sprachlich weiterbilden möchte - eigentlich eine fürchterlich traurige Einstellung, nicht einmal vor sich selbst zugeben zu können, dass man Gefühle, wenn auch nur aus zweiter Hand, empfinden möchte. Im "echten Leben" vermeidet er Gefühle, indem er Miss Kenton auf Abstand hält, die gemeinsamen Abende, die ihm offensichtlich viel bedeutet haben, beendet, bevor sie ihm zu nahe kommt.


    Ob Miss Kenton wohl eigentlich gehofft hat, dass Stevens eifersüchtig reagiert, als sie von ihrer möglichen Hochzeit erzählt? Sie weiß genau, wie er ist und kann das eigentlich nicht erwarten. Mir kommt sie hier ziemlich verzweifelt vor. Ob sie Mr Benn den Laufpass gegeben hätte, wenn Stevens aktiv geworden wäre?


    Sein Verhalten gegenüber den Dorfbewohnern erkläre ich mir mit dem Wunsch nach Anerkennung, was ihm später aber eigentlich peinlich ist. Sehr nett von dem Arzt, dass er ihn nicht auffliegen lässt, obwohl er ihn durchschaut. Auch hier die Rückblende sehr bedrückend. Die Art, wie Stevens vorgeführt wird, um zu beweisen, dass das dumme Volk gar nicht in der Lage ist, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, hat mich regelrecht wütend gemacht.

  • Nein, ich habe nicht aufgegeben, ich habe das Buch gerade beendet und muss mich an euch orientieren, weil ich ja übers Kapitel hinaus gelesen habe.


    Zitat

    Original von Clare


    Diese Szene hätte ich auch angesprochen. Mich erschüttert etwas, dass sich Stevens wirklich gar nicht gedemütigt fühlt. Er selbst benennt diese Episode als weiteren Beweis der Wichtigkeit der "Würde". Damit ist nicht die Menschenwürde an sich gemeint, sondern eine Grundeinstellung des Butlers. Als Mensch der unteren Schicht wurde er, finde ich, sehr wohl beleidigt und in seiner Würde verletzt. Stevens aber hält sich zu Gute, wie gleichmütig er diese Situation meisterte, indem er sie aushielt.


    Als ich das gelesen habe, wäre ich am liebsten ausgerastet. Stevens ist so ein netter Mann, der ganz und gar nicht blöd ist und sich Gedanken über alle möglichen Dinge macht und dann so über ihn zu reden, obwohl er dabei ist... Das ist wirklich krass. Der arme Mann. Ich hätte das nicht so gut weg stecken können und meiner Meinung nach hat das gar nichts mit Würde zu tun, denn seine Würde wurde total verletzt. Wie ich im ersten Abschnitt schon schrieb, wäre das niemals ein Job für mich.


    Ob die Charaktere stark sind, kann ich gar nicht so sagen :gruebel
    Miss Kenton bestimmt. Ich finde sie einfach toll. Sie sprudelt vor Energie und ich meinte die ganze Zeit über zu merken, dass sie gerne mit Stevens anbandeln wollte. Er dagegen versteckt sich dauernd hinter seinem Beruf. Er kann dies oder jenes nicht machen oder zulassen, weil er ein Butler ist. Dass er je Feierabend hat und vielleicht auch mal einfach nur gesellig mit Miss Kenton Kakao trinkt, kam ihm nicht in den Sinn.
    Ich finde seine Figur ganz schön tragisch, obwohl ich nicht das Gefühl habe, dass er sehr unglücklich ist. Über seine Person denkt er ja eher weniger nach.


    Zitat

    Original von Clare


    Das ist mir auch aufgefallen. Und so lange er in der Vergangenheit an sie denkt, wird das auch so bleiben. Vielleicht hätte er es ja auch lieber, dass man die Zeit zurück drehen könnte.


    Ich glaube, er kommt überhaupt nicht damit klar, wenn sich irgendwas ändert. Erst geht Miss Kenton und dann stirbt auch noch ein Dienstherr und ein Amerikaner kommt, der so gar nicht britisch ist und ihn mit seiner Art total überfordert.


    Zitat

    Original von Ellemir


    Ob Miss Kenton wohl eigentlich gehofft hat, dass Stevens eifersüchtig reagiert, als sie von ihrer möglichen Hochzeit erzählt? Sie weiß genau, wie er ist und kann das eigentlich nicht erwarten. Mir kommt sie hier ziemlich verzweifelt vor. Ob sie Mr Benn den Laufpass gegeben hätte, wenn Stevens aktiv geworden wäre?


    Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Immerhin war ihr letzter Brief sehr verzweifelt. Ich glaube, sie hat wirklich damit gerechnet, dass Stevens darauf eingeht und dass er etwas anders als Glückwünsche dazu sagt.