Piranhas im Paradies - Alicia Giménez-Bartlett

  • Gerade ist Inspectora Petra Delicado damit beschäftigt, für die Sicherheit des Papstes zu sorgen, der dem spätsommerlichen Barcelona einen Besuch abstattet, als sie eiligst ins "Paradies" bestellt wird. Doch wird sie dort nicht von Laute spielenden Engeln erwartet, sondern von einer waschechten Leiche: Der vermögende, zu Lebzeiten äußerst attraktive Anwalt Juan Luis Espinet treibt reglos im Wasser des zu seiner Villa gehörenden Swimming - Pools in der eleganten Vorort-Siedlung "El Paradìs".Ein untadeliger Ehemann, eine intakte Familie, ein treuer Freundeskreis - ein hinterhältiger Mord, der die Idylle verunziert wie die von einem Fingernagel stammende Wunde den Körper des Toten. Die Spur einer leidenschaftlichen Liebesnacht? Wohl kaum verursacht durch Espinets Ehefrau, die auf beste Umgangsformen bedachte Inés. Petra Delicado und Subinspector Fermín Garzón beginnen in dem scheinbar perfekten Edel-Ambiente der privilegierten Oberschicht Barcelonas zu ermitteln - und finden jede Menge Leichen in den Kellern der exklusiven Anwesen.


    Soweit der Text auf der Innenklappe des Schutzumschlags dieses Buchs. Es ist das fünfte in einer Reihe mit der Inspectora Delicado und ihrem Kollegen Garzón, für mich war es das erste. Die Autorin, so informierte mich die hintere Umschlagklappe, wurde 1951 geboren, schrieb bereits ein Dutzend Bücher, hatte jedoch erst in den letzten Jahren mit dieser Krimi-Reihe breiteren Erfolg. Die Bücher wurden sogar fürs spanische Fernsehen verfilmt.
    Als leidenschaftliche Krimi-Leserin bin ich, jahrzehntelang angelsächsisch geprägt, immer erfreut, Krimis auch aus anderen Ländern zu entdecken. Gerade die romanischen stehen da ja noch zurück. Barcelona? Prima.
    Die Zusammenfassung des Falls fand ich zunächst nicht so attraktiv, schließlich wissen wir längst, daß das Verbrechen hinter den goldverzierten Fassaden des Reichtums nur so brodelt. Aber: neues Spiel, neues Glück. Ich stürzte mich ins Lesevergnügen.
    Ich sage es gleich: ich habe es nicht gefunden. Was hat mich gestört? Die schwache Handlung, die Figuren, denen jeder Lebenshauch fehlte, auch wenn sie nicht kopfunter im Pool treiben? Die Dialoge, die hin und wieder ein bißchen flapsig waren, aber hinsichtlich der versprochenen 'scharfen Verbalattacken' Jerry Cotton stilistisch meisterhaft erscheinen lassen? Die vielgelobte Emanzipation der Inspectora ist nur eine Folge emotionaler Unreife, ihr Feminismus auf die persönliche Enttäuschung mit zwei Ehemännern zurückzuführen, die es ihr erlaubt, zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten über 'die' Männer herzuziehen und vor allem über alle anderen Frauen, deren Nase ihr gerade nicht paßt.
    Die Polizeiarbeit ist mehr als unrealistisch dargestellt. Da werden flüchtige Bekannte in ein Krankenhaus geschickt zum Sammeln wichtiger Informationen, an die die Polizei im Rahmen einer Morduntersuchung(!) nicht herankommt. Da wird eine Zeugin (und mögliche Verdächtige), die eine Aussage machen will, aber um Himmels Willen nicht vor dem Kollegen, zur Inspectora nach Hause zum Kaffee eingeladen und es wird ihr bei dieser Gelegenheit auch noch ein privates Geschenk gemacht. Das Gesicht des Staatsanwalts bei der Anklageerhebung hätte ich zu gern gesehen! Aber wahrscheinlich hätte er sich gar nicht aufgeregt, denn die Inspectora macht sich sicherheitshalber nie Notizen.
    Tatsächlich wäre die Autorin besser beraten, würde sie die Abenteuer einer Privatermittlerin beschreiben. Allerdings sind auch Privatdetektivinnen professionell arbeitende Frauen und genau die Professionalität ist es, die deutlich zu wünschen übrig läßt.
    Warum auch noch der Papstbesuch in das Ganze gemischt wird, wurde mir nicht ganz klar. Ich nehme an, um der Geschichte durch eine fiktive Streßsituation mehr Spannung zu verleihen. Spannung kam aber nicht auf, Streß beim Lesen schon eher, weil die Handlungsfäden immer wilder hin - und herflatterten. Atmosphäre kam gleich gar nicht auf. Tatsächlich gibt es Abschnitte in dem Buch, die in der Autorenecke des Eulenforums wenig Gnade finden würden.
    Die holprige Übersetzung machte das Lesen auch nicht leichter. Partizipialkonstruktionen wurden nicht aufgelöst, Anspielungen nicht erkannt. So kommen, nur ein Beispiel, in Bergmanns Filmen protestantische 'Schäfer' vor, statt Pastoren!
    Daß der Inhalt eher schwach ist, ist besonders schade, weil das Buch nämlich ganz besonders schön gemacht ist. Ein interessantes, anspechendes Design auf dem Schutzumschlag, darunter gedämpft tomatenrotes Leinen, die Innenseite entsprechend gedämpft spinatgrün. Format absolut lesegeeignet. Fehlt bloß noch ein Lesebändchen und man würde es nie mehr aus der Hand geben, wenn halt...
    Fazit: sicher nichts für geübte Krimi-LeserInnen. Wer die Serie doch probieren will - viele KritikerInnen überschlagen sich förmlich vor Begeisterung- , möge nicht gerade mit diesem Band einsteigen, sonst ist die Fahrt ganz schnell zu Ende.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 4 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Also mir gefällt das Ermittlerduo Delicado / Garzon sehr gut. Leider muß ich magali aber in vielen Punkten recht geben - ich empfand Piranhias im Paradies als schwächsten Roman der Serie. Der Papstbesuch war mE für da Buich nicht wirklich notwendig, das hätte man ganz fallen lassen können. Die Protagonisten selbst mag ich aber noch immer gerne, und auch in diesem Roman waren sie mir sympathisch. Mit diesem Buch sollte allerdings auch mM nach niemand in die Serie einsteigen.

  • Azrael, danke für den Hinweis,
    Mir hat jemand noch den zweiten Band zum Lesen ageboten. Nach Piranhas habe ich erst mal abgelehnt, aber vielleicht probiere ich es jetzt tatsächlich noch mal mit einem anderen Band.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus