Das ist wieder so ein Buch, bei dem es mir schwer fällt, es in die richtige Rubrik einzusortieren. Beim Verlag läuft es unter "Ratgeber", aber das ist es definitiv nicht. Humor und Satire? Ein bisschen, aber nicht nur. Ich hab's jetzt mal aus lauter Verzweiflung bei "Belletristik" eingestellt. Für mich immer gleichbedeutend mit: "Ach, ich weiß irgendwie auch nicht ..."
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Katharina von der Leyen: Halten Sie Ihr Huhn fest! Hundeleben auf dem Land, Stuttgart 2016, Franckh Kosmos Verlag, ISBN: 978-3-440-14951-5, Hardcover mit Schutzumschlag, 220 Seiten, 39 Farbfotos, Format: 14,3 x 2,7 x 22,3 cm, Buch: EUR 16,99 (D), EUR 17,50 (A), Kindle Edition: EUR 9,99.
„Wenn man Hunde halten will – mit Betonung auf dem Plural – ist es gut, wenn man keine Angst hat vor Chaos. Die meisten Menschen haben Angst vor Chaos und glauben, Chaos tue weh, oder Chaos wäre wie ein Tornado, der alles in seinem erbarmungslosen Strudel mitreißt und es an einem unbekannten Ort wieder ausspuckt. Aber so ist Chaos gar nicht.“ (Seite 138)
Das vorliegende Buch ist kein Roman mit Spannungsbogen, Liebesgeschichte und allem, was man so kennt. Es ist eine humorvolle und bestenfalls leicht überspitzte Schilderung des hundereichen Alltags der Autorin. Weil sie immer wieder hilfsbedürftige Tiere aufnimmt, aufpäppelt und weiter vermittelt – allerdings manchmal auch zur „Pflegeversagerin“ wird und das Tier behält – hält sie seit Jahren zwischen vier und sieben Hunden: Großpudel, Windspiele, spanische Galgos, Mischlinge aller Art ... wie es halt so kommt.
Mit vier Hunden in der Stadt?
Katharina von der Leyen sieht sich als toughe Städterin. Geboren ist sie in München, zur Schule gegangen in England, gelebt und gearbeitet hat sie in Sydney/Australien, New York, Paris, Los Angeles, Hamburg, München und Berlin (Kreuzberg). Aber irgendwann wird ihr das Leben als „Stadthundemensch“ zu beschwerlich. Ein großes Rudel ist nicht unbedingt stadtkompatibel. Oder sind es die Stadtmenschen, die nicht hundekompatibel sind? Viele führen sich jedenfalls so auf. Vielleicht ist auch einfach die berühmte „Berliner Schnauze“ nicht von der Leyens Ding. Jedenfalls beschließt die Autorin, mit ihren Hunden aufs Land zu ziehen. Das bedeutet in diesem Fall: eine halbe Stunde über den Prenzlauer Berg hinaus in ein ehemaliges Lungensanatorium, das nach 50 Jahren Leerstand nun zu 38 Wohnungen umgebaut wird. Von der Leyen sichert sich als allererste eine Wohnung und zieht auch zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein.
Überleben in der „Wildnis“
Ihre Freunde aus der Stadt erklären sie für verrückt und können sich nicht vorstellen, wie die Stadtpflanze in der „Wildnis“ überleben will. Das klappt jedoch erstaunlich gut. Die Autorin und ihre Hunde haben ihre Freiheit und ihre Ruhe gefunden, und sie sind ja nicht aus der Welt. Noch ruhiger könnte die Autorin allerdings arbeiten, wenn nicht andauernd Besuch käme von Freunden, die nur zu gerne die Chance nutzen, mal kurz „Landluft“ zu schnuppern oder wenigstens ihre Kinder samt Hunden bei ihr vorbeischicken. So ist im Haushalt von der Leyens mehr Remmidemmi als gewünscht.
Auch manches andere entwickelt sich nicht so, wie die Autorin sich das erträumt hat: Aus dem gepflegten Garten wird nichts, weil ihr Hunderudel – bestehend aus den Großpudeln Luise und Ida und den amerikanischen Windspielen Harry und Fritz – hingebungsvoll Krater in den Rasen gräbt, Pflanzen zu Tode pieselt und Blumenzwiebeln ausbuddelt und verschleppt, so dass die Autorin stets aufs Neue davon überrascht wird, was wo wächst und was nicht.
Hundeparadies auf dem Land
Wald, Wiese und ein großer Garten – die Hunde sind im Paradies gelandet. Und sie dürfen frei laufen, weil ja kein Mensch da ist, den das stören könnte. Von der Leyen ist überzeugt, ihre Tiere so gut im Griff zu haben, dass sie keinem Mitgeschöpf etwas antun würden. Dass fremde Leute sich dessen nicht sicher sein können, unter Umständen ängstlich reagieren und es lieber sähen, wenn die Hunde an der Leine gingen, kann sie nicht nachvollziehen. Aber das wird wohl auf ewig ein Streitpunkt zwischen Hundehaltern und den Menschen sein, die mit Hunden wenig oder hauptsächlich schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Der Förster duldet den Freilauf der Hunde, weil Frau von der Leyen ein waches Auge auf die Natur hat und ihn auf so manchen Missstand oder Problemfall in seinem Revier aufmerksam macht, der ihm sonst entgangen wäre. Nur als sie anfängt, im Winter kiloweise Rinderherzstücke im Wald zu verteilen, um den hungernden Waldohreulen etwas Gutes zu tun, ist für ihn Schluss mit lustig.
Von Jungfüchsen und Kampfhennen
Katharina von der Leyen erzählt uns in lockerem Plauderton von ihren Begegnungen mit todesmutigen Jungfüchsen, panischen Rehen, einem leibhaftigen Wolf, einer wild gewordenen Kampfhenne und vom Krieg gegen den zähen Maulwurf, der im heimischen Garten offenbar unterirdische Palastanlagen errichtet. Die Geschichte vom bauwütigen Biber, den sie bei Freunden in Polen kennenlernt, ist der Brüller, genau wie die Weihnachts-Anekdoten. Freilich möchte man die Hausfrau nicht sein, die plötzlich ohne Weihnachtsbraten, Kuchen oder Plätzchen für die Gäste da steht, weil die Hunde in einem unbeobachteten Moment alles aufgefressen haben.
Weil sie vom wahren Leben erzählt, ist nicht alles eitel Sonnenschein. Hunde werden krank und/oder älter, und so heißt es auch Abschied nehmen von manch einem vierbeinigen Mitbewohner. Was das bedeutet, kann man nur als Tierhalter ermessen.
Mehr Nachbarn, weniger Ruhe und Freiheit
Je mehr Menschen in die umgebaute Klinik ziehen, desto weniger hat von der Leyen vom dem, weswegen sie hergekommen ist: Ruhe und Freiheit. Ihre Interessen kollidieren mit denen der Nachbarn, unter denen auch paar Prinzipienreiterinnen und ArmleuchterInnen sind. Der Traum vom Landleben ist trotzdem noch nicht ausgeträumt. Es müsste nur ein Anwesen sein, das noch ein bisschen einsamer liegt – und auch nicht unbedingt im Umland von Berlin. Nach 10 Jahren ist sie mit dieser Gegend fertig und sucht für sich und ihre mittlerweile sieben Hunde ein neues Domizil in Bayern.
Man erfährt in diesem Buch nicht nur eine Menge über Hunde, sondern auch über das Leben einer freischaffenden Journalistin und Autorin. Ich bin wohl zu lange in der Branche, um da noch romantische Vorstellungen zu haben, aber falls noch jemand welche hätte: Katharina von der Leyen erzählt, wie es wirklich ist.
Freundlich-amüsanter Plauderton
Ein Buch muss nicht zwangsläufig eine große spannende Geschichte erzählen. Wenn jemand einen freundlich-amüsanten Plauderton beherrscht, ein bisschen selbstironisch ist und von einem Leben berichtet, in das sich der Leser gut hineinversetzen kann, ist so eine Sammlung tierischer Anekdoten eine überaus unterhaltsame und berührende Lektüre. Ich hätte gerne noch weitergelesen und mir Stories von dem liebenswerten und unternehmungslustigen Hunderudel erzählen lassen. 39 Farbfotos zeigen das Team in Aktion. Rassehunde hin oder her – mein Favorit ist Mischling Barthl, der aus einem Tierhoarder-Haushalt gerettet wurde. Und ich hoffe auf weitere Abenteuer!
Die Autorin
Katharina von der Leyen arbeitet als Journalistin für Magazine wie Dogs, Architectural Digest, Vanity Fair und diverse Tageszeitungen. Auch mit ihren Büchern unterhält sie ein breites Publikum – zum Beispiel mit „Dogs in the City“, der selbstironisch-pointierten Geschichte vom ganz normalen Wahnsinn eines turbulenten Großstadt-Alltags mit einem kommunikativen Hunderudel. http://www.vonderleyen.com