Der Vorhof der Verachtung
Nicht nur Berliner kennen Philip "Fil" Tägert vor allem als Comiczeichner und Entertainer. Seine Bühnenprogramme etwa mit der Hai-Handpuppe Sharkey sind tatsächlich zum Niederknien, seine "Didi & Stulle"-Comics sind legendär. An seiner Romanschreiberei muss der große Junge (Jahrgang 1966) aus dem Märkischen Viertel allerdings noch marginal feilen. "Mitarbeiter des Monats" ist schon sein zweites Buch, nach "Pullern im Stehn" (2014) - das ich bislang nicht gelesen habe, aber werde.
Hauptfigur und Erzähler ist ein Anfangzwanziger namens Nick, der bei McDonald's arbeitet und meistens mit seinen Kumpels abhängt, die zum Beispiel "Burner" heißen. Abends geht man ins "Linientreu", wo die Vertreter der diversen Jugendkulturfraktionen darauf warten, dass ihre Songs gespielt werden, um dann für ein paar Minuten autistische Bewegungen auf der Tanzfläche zu vollführen - und sich gleich anschließend wieder verschämt an die Wand zu stellen. Wir befinden uns in den Achtzigern und in Westberlin. Nick sucht nach Abwechslung (klappt halbwegs), nach Liebe (eher nicht) und einem möglichst fetten Karriereziel (eher ganz und gar nicht). Stattdessen kann er bei McD so oft kündigen, wie er nur will - der eigenartige Chef ignoriert das und bietet seinerseits Aufstiegsmöglichkeiten an, die keiner braucht. Nick möchte Künstler sein oder wenigstens was total Originelles machen. Am Ende der Geschichte ist er keinen Halbschritt vorangekommen.
Fil ist ein Sprachkünstler (das ist er auch auf der Bühne), ein treffsicherer Formulierer (dito) und auf recht kluge Art ungeheuer witzig. Aber als Dramatiker gäb's hier und da ein paar Abzüge. "Mitarbeiter des Monats" ist sehr episodisch, es fehlt dem Buch an Kontinuität oder, simpler gesagt, an durchgehender Handlung. Fraglos geschehen einige Dinge, darunter recht dramatische, doch Entwicklungen bleiben überwiegend aus, ohne dass das Prinzip "Stagnation" Schwerpunktthema der Sache wäre. Der flink zu lesende Text entschädigt allerdings mit hinreißenden Schlauheiten und einer ungeheuer realistischen Wiedergabe des prä-nerdigen Minimalaustauschs zwischen befreundeten adoleszenten Jungmännchen, die cool sein wollen und das Ideal der kommunikationslosen Kommunikation anstreben. Abgerundet wird das Angebot durch sehr liebenswürdiges Geschwätz mit dem Leser und stark verspäteten Aufforderungen an den Verlag, den Roman doch bitte "Der Vorhof der Verachtung" zu nennen und nicht, wie irgendein Rowohlt-Praktikant entschieden hat, "Mitarbeiter des Monats".
Aber das Buch ist mit dem üblichen Comedian-Merchandising nicht zu vergleichen. Fil zeichnet ein durchaus nachvollziehbares und deshalb oft melancholisch stimmendes Teilbild der Achtziger-Jugendkultur, ohne ständig auf plakative Weise mit den bereits tausendfach genannten Artefakten dieser Ära (Rubick's Cube, Lederschlipse usw.) hausieren zu müssen. Seine Hauptfigur Nick sucht anschaulich nach den eigenen Wurzeln, Fluchtwegen aus der Mc Donald's-Filiale, der Liebe, einer Erklärung für den Punk und nach der eigenen Zukunft. In diesen Bereichen ist "Mitarbeiter des Monats" ein wirklich hinreißend schönes Buch. Ganz rund wäre es, wenn all diese Aspekte durch eine Geschichte verbunden wären. (Im Übrigen, lieber Herr Tägert: die Pointe mit Rainer und den Rollkoffern ist echt lahm.)