Graeme Macrae Burnet: Sein blutiges Projekt. Der Fall Roderick Macrae

  • Graeme Macrae Burnet: Sein blutiges Projekt. Der Fall Roderick Macrae
    Europa Verlag 2017. 344 Seiten
    ISBN-13: 978-3958900554. 17,99€
    Originaltitel: His Bloody Project. Documents relating to the case of Roderick Macrae
    Übersetzerin: Claudia Feldmann


    Verlagstext
    August 1869: Ein verschlafenes Bauerndorf an der Westküste Schottlands wird von einem brutalen Dreifachmord erschüttert. Der Täter ist rasch gefunden. Doch was trieb den 17-jährigen Roderick Macrae, Sohn eines armen Pächters, dazu, drei Menschen auf bestialische Weise zu erschlagen? Während Roddy im Gefängnis auf seinen Prozess wartet, stellen die scharfsinnigsten Ärzte und Ermittler des Landes Nachforschungen an, um seine Beweggründe aufzudecken. Ist der eigenbrötlerische Bauernjunge geisteskrank? Roddys Schicksal hängt nun einzig und allein von den Überzeugungskünsten seines Rechtsbeistandes ab, der in einem spektakulären Prozess alles daransetzt, Roderick vor dem Galgen zu bewahren. Sein brillanter Spannungsroman offenbart Graeme Macrae Burnet als außergewöhnliche neue Stimme im Genre des psychologischen Thrillers. Mühelos versetzt er den Leser mitten ins Schottland des 19. Jahrhunderts und zu den Anfängen der Kriminalpsychologie. Kunstvoll verquickt er dabei Rodericks eigene Aufzeichnungen mit Gerichtsunterlagen, medizinischen Gutachten und der Prozessberichterstattung. Während er die Annahmen der Leser über die eigentlichen Tathintergründe immer wieder raffiniert ins Leere laufen lässt, enthüllt sich die dunkle Wahrheit erst in einem fulminanten Gerichtsdrama.


    Der Autor
    Graeme Macrae Burnet, geboren 1967 in Kilmarnock, Schottland, studierte Englische Literatur in Glasgow. Er schreibt seit seiner Jugend und wurde 2013 mit dem Scottish Book Trust New Writer’s Award ausgezeichnet. Sein Debütroman The Disappearance of Adèle Bedeau, der in seiner schottischen Heimat zum Kulthit wurde, erscheint im Europa Verlag im Herbst 2017. Er lebt und schreibt in Glasgow.


    Inhalt
    Im Jahr 1869 soll der 17-jährige Kleinbauernsohn Roderick Macrae den Nachbarn der Familie und zwei weitere Personen erschlagen haben. Auf Wunsch seines Verteidigers Sinclair schreibt Roderick im Gefängnis von Inverness seine Lebenserinnerungen nieder, während er auf seinen Prozess wartet. Roderick folgt diesem Wunsch aus Achtung gegenüber seinem Rechtsbeistand, der nahezu der Einzige ist, der den Jungen wie einen Menschen behandelt. Roderick stammt aus einem Dorf mit 9 Häusern, das in Sichtweite der Isle auf Skye an der schottischen Küste liegt. Die Bauern sind Pächter eines Großgrundbesitzers, dem sie Hand- und Spanndienste zu leisten haben, der von ihnen jedoch sonst nicht weiter behelligt werden will. Die Gerichtsbarkeit wird von einem Constable ausgeübt, der Gemeinschaftsarbeiten organisieren und Konflikte schlichten soll. In Culduie übt Lachlan Mackenzie dieses Amt mit gnadenloser Härte aus. Speziell Rodericks Vater John wird in eine aussichtslose Situation getrieben, aus der es keinen Ausweg geben kann. Die unselige Verknüpfung von Großgrundbesitz und Ausbeutung ist so verfahren und durch Gleichgültigkeit der Herrschenden gestützt, dass es selbst der cleveren Carmina Murchison vor Gericht schwerfallen wird, die Vorgeschichte der Ereignisse in Worte zu fassen. Da Roderick sich schuldig an der Situation seiner Familie fühlt, tötet er Lachlan, um seinen Vater von den Widrigkeiten zu befreien, die er durch den Mann erleidet.


    Graeme Macrae Burnet legt im Kostüm eines True-Crime-Romans eine messerscharf formulierte Sozialstudie der Lebensbedingungen schottischer Kleinbauern vor. Dabei entlarvt er den Rassismus der zur damaligen Zeit herrschenden Klasse, der im Windschatten vorgeblicher Wissenschaftlichkeit auftritt. Ebenso wird die fragwürdige Rolle der Kirche demaskiert, die die feudalen Zustände stützte und einer verhungernden Bevölkerung nicht mehr zu bieten hatte als Kritik an ihrer mangelnden Gläubigkeit. Die Zeugenaussagen, die der Autor zusammenstellt, entlarven eher deren Urheber und ihre Schwächen, als dass sie zum Persönlichkeitsbild von Roderick beitragen. Die Begutachtung von Rodericks Zurechnungsfähigkeit wirkt wie purer Sarkasmus, wenn zu Zeiten eines ausgeprägten Aberglaubens das Mitglied einer Familie mit Verbindungen zur „Anderen Welt“ darauf untersucht wird, ob es über Dinge spricht, die nicht zu sehen sind.


    Der Roman besteht formal aus einem Vorwort von Macrae Burnet als Herausgeber, Rodericks Erinnerungen, Zeugenaussagen, der ärztlichen und psychiatrischen Begutachtung des Gefangenen und Zeitungsartikeln zum Prozess. Zusammen mit Fußnoten und einer Karte des Dorfes wirkt der Text dadurch sehr authentisch und glaubwürdig. Ehe ich herausfand, wie der Verteidiger Sinclair seine Verteidigungsstrategie aufgebaut hat, konnte ich der Erzählperspektive lange nicht trauen. Lese ich einen Psychothriller, einen historischen Krimi oder doch die Dokumentation eines realen Falles?, habe ich mich gefragt. Das Rätseln, ob ein einfacher Bauernjunge Rodericks Text geschrieben haben kann und was Sinclair mit dem Bericht bezweckt, sorgte für eine so hohe Spannung, dass ich das Buch mit einer kurzen Pause in einem Zug gelesen habe. Der raffinierte Plot, Rodericks feine Beobachtungsgabe und Burnets sozialkritischer Unterton ergänzen sich zu einem herausragenden, äußerst spannenden Roman.


    9 von 10 Punkten

  • Ein schrecklicher Dreifachmord ereignet sich im August 1869 in einer abgelegenen Gegend in Schottland. Der Mörder ist gefasst und bekennt sich schuldig ohne Angaben von Gründen.
    Wie kommt es dazu, dass ein siebzehnjähriger zu einer solchen schrecklichen Tat fähig ist?
    Warum hat Roderick Macrae, genannt „Roddy“ diese Opfer ausgesucht ?
    Auf Anraten seines sehr engagierten Anwalts Sinclair soll Roddy selbst seine Geschichte bis zu der Tat aufschreiben. Verblüffend ist, dass die Ausdrucksweise auf eine gewisse Bildung hindeutet. Dies ist sehr ungewöhnlich , da die Bewohner eher wortkarg sind. Wie sieht sich Roddy selbst? Was verdrängt er bei seinen Aufzeichnungen?
    Er ist ein Einzelgänger, die familiäre Situation ist nicht die Beste und bekommt er Aufmerksamkeit, fixiert er sich auf diese Personen. Sehr gut vorstellbar ist das Umfeld, indem er aufwächst. Auch welche Auswirkungen die Repressalien des Constable auf die seit Generationen hier lebenden Crofter haben.
    Sinclair kämpft um seinen Klienten und lässt nichts unversucht um ihn vor dem Tod am Galgen zu retten. Zu dieser Zeit gibt es die ersten Anfänge der Kriminalanthropologie. Sinclair kontaktiert den bekannten Forscher Thomson. Er untersucht die prekären Verhältnisse unter denen die Crofter leben, die selten Kontakt zur Außenwelt haben. Zu welchen Schlussfolgerungen kommt dieser?


    Durch den raffinierten Aufbau mit der Mischung aus Zeugenaussagen, Prozessverlauf und den Aufzeichnungen von Roddy ist dem Autor eine bemerkenswerte Zusammenfassung des Falles Roderick Macrae gelungen.


    Ein sehr spannender Thriller bzw. Dokumentation bis zum Schluss mit überraschenden Einblicken, Wendungen und den verschiedenen Perspektiven, bei dem der Leser zwischen Realität und Fiktion kaum unterscheiden kann. Klare Leseempfehlung!


    10 Eulenpunkte

  • Ich halte viel von dem Buch und kann mich obigen positiven Stimmen nur anschließen. Es ist für mich zuerst ein stimmiges Portrait eines talentierten Jungen aus der schottischen Unterschicht, der dennoch keine Perspektive für sich sieht. Zum Teil gelten diese Beschränkungen des 19 Jahrhunderts auch noch heute.
    Außerdem wird die Gesellschaft und Umgebung dieser Zeit glaubhaft gezeigt.


    Dann bewundere ich auch das Geschick des Autors, mit Realität und Fiktion umzugehen. Abgesehen vom Anfang habe ich den ganzen Roman die Authentizität der Berichte nicht angezweifelt, dafür war ich auch zu sehr drin in Buch. Erst nach Beendigung der Lektüre habe ich wieder angefangen, einiges um den Fall Roderick Macrae in Zweifel zu ziehen. Graeme Macrae Burnet versteht es, seinen Text zu gestalten!

  • Meine Meinung
    Um es gleich vorweg zu erwähnen, das Buch wird als "Thriller" angepriesen, ich würde es schon fast eher in das Genre "historischer Krimi" einordnen, denn von einem Thriller ist die Story sehr weit entfernt.
    Das Cover ist so gestaltet, wie man sich das Häuschen der Familie Macrea vorstellt, etwas abseits gelegen mit einer kargen, trostlosen Landschaft um sich herum.
    Man weiß zwar von Anfang an, was passieren wird, aber der Ausgang ist ungewiss und trotzdem hat die (wahre?) Geschichte nicht an Reiz dadurch verloren. Ungewöhnlich und gut hat mir bei diesem Buch der Aufbau der einzelnen Abschnitte gefallen. Es werden Zeugenaussagen aufgezeigt, dann bekommt der Leser einen Einblick in das medizinische Gutachten und zum Schluss ist man beim Prozess im Gerichtssaal dabei. Zwischendrin eingestreut sind die Kapitel, die von Roderick im Gefängnis geschrieben wurden und darinv kann man sehr gut verfolgen, was alles passiert ist, bis Roderick zu dieser Tat fähig war. Schon während des Lesens hatte ich Mitleid mit Roderick und seiner Familie, der Tod der Mutter, das karge Leben und die schwere körperliche Arbeit auf den Feldern, all das hat dazu beigetragen, das man ein Teil der Familie wurde und einfach mit gelitten hat unter dem fiesen und hinterhältigen Vorgehen des Constable. Sehr berührt hat mich das einsame, kalte und lieblose Leben von Jetta, der Schwester von Roderick, die nach dem Tod der Mutter, deren Rolle übernehmen musste und kein eigenständiges Leben leben konnte und durfte.

  • Zitat

    Original von SupaWeibi
    Sehr berührt hat mich das einsame, kalte und lieblose Leben von Jetta, der Schwester von Roderick, die nach dem Tod der Mutter, deren Rolle übernehmen musste und kein eigenständiges Leben leben konnte und durfte.


    Das ging mir auch so. Wirklich beklemend!
    Ein gutes Beispiel dafür, wie der Autor Einzelschicksale beschreiben kann.


    Sein blutiges Projekt ist ein Buch, das den Leser auch nach Leseende nicht so schnell loslässt!

  • 1869: In dem schottischen Bauerndorf Culduie geschieht ein Dreifachmord, der Täter wird schnell gefunden, es ist der 17jährige Roderick Macrae, der die Tat zugibt. Der Roman stellt die Frage, wie es dazu kommen konnte und hat eine ganz eigene Herangehensweise, wie er dem Leser das Geschehen vermittelt.


    So erfährt man nicht nur von Roderick selbst, wie es zu den Morden kam, sondern kann – ganz unterschiedliche und widersprüchliche – Aussagen von Nachbarn und Bekannten über Roderick lesen, ebenso medizinischen Gutachten über die Opfer, den Bericht eines Psychologen, der Roderick begutachtet hat, und ist hautnah beim Prozess dabei. Hat man sich als Leser durch den Bericht des Täters, den ersten größeren Abschnitt des Romans, schon eine gewisse Meinung gebildet, und womöglich sogar etwas Sympathie, zumindest aber Verständnis entwickelt, wird dies schon an dessen Ende erschüttert – und durch die darauffolgenden Abschnitte noch ein bisschen mehr, da man noch einen anderen Blick auf die Geschehnisse erhält und sich die Frage stellen muss, was wirklich dahinter steckte, welches Motiv tatsächlich zur Tat führte.


    Mir hat diese Herangehensweise sehr gut gefallen, zumal der Autor sehr eingängig erzählt. Auch wenn man nicht wirklich von Spannung sprechen kann, so will man doch wissen, wie es zu der Tat kam und welche Konsequenzen sie haben wird. Nebenbei erfährt man noch Einiges über das Leben der vom Gutsherrn abhängigen Bauern,das kein leichtes war. Interessant ist auch der Blick auf die sich entwickelnde Kriminalanthropologie, die aus heutiger Sicht eher Kopfschütteln auslöst, der aber durch den Psychologen James Bruce Thomson, der tatsächlich existiert hat, authentische (und sehr herablassende) Züge verliehen werden.


    Nicht nur die Geschichte ist interessant und komplex, auch die Charaktere sind es, sie sind Wesen aus Fleisch und Blut, und in vielerlei Ausprägung vorhanden. Jeder ist ein Typ für sich, nicht alle sind sympathisch, manch einer löst Unverständnis aus und hin und wieder ist man als Leser einfach nur entsetzt, wie Menschen handeln und reagieren können.


    Der Roman wird als Thriller verkauft, in meinen Augen ist er aber alles andere als das. Eher kann man von einer psychologischen, vielleicht auch einer sozialen Studie sprechen, der Biographie einer Bluttat oder auch der Geschichte eines jungen Mannes, der sich womöglich nicht mehr anders zu helfen wusste. Es ist ein ungewöhnlicher, aber sehr interessanter historischer Roman, der uns die Lebensverhältnisse der abhängigen Bauern im schottischen Hochland ebenso nahe bringt wie die Entstehung einer schrecklichen Bluttat. Ich habe mich während des Lesens immer wieder gefragt, ob tatsächlich ein echter Fall dahinter steckt, denn der Roman ist wie ein Tatsachenbericht aufgebaut und die Namensgleichheit mit dem Autor scheint darauf hinzuweisen.


    Mich hat der Roman begeistert und gefesselt, ich mochte ihn kaum aus der Hand legen und wurde regelrecht entführt an die Schauplätze der Handlung. Gerne vergebe ich volle Punktzahl und spreche eine Leseempfehlung aus.

  • Inhalt:
    1869 tötete Roderick Macrae seinen Nachbarn, Lachlan Mackenzie, und dessen Kinder. Er gestand die Morde ohne Umschweife. Auf Anraten seines Anwalts schrieb er die ganze Geschichte, die zu seiner Tat geführt haben, auf. In seiner Niederschrift erfährt man, wie das Leben in einem kleinen, schottischen Dorf des 19 Jahrhunderts ablief und welche Gründe er hatte die grausigen Morde zu begehen.


    Meine Meinung:
    Die Beschreibung in Ordnung passt zu diesem Buch ganz gut. Es ist weder spannend noch gruselig, erzählt aber eine Geschichte, die etwas anders aufgeschrieben interessant hätte werden können.
    So weiß man von Anfang an, dass Roderick der Mörder ist und wen er umbringt. Auch weiß man, wie die Morde geschehen sind und auch die Hintergründe werden sehr schnell aufgeklärt. Würde der Autor nicht zwischen der Gegenwart im Gefängnis und der Vergangenheit, also der Zeit vor den Morden, springen, sondern nur die Geschichte erzählen, hätte es sehr viel mehr Spannung gegeben.
    Dennoch würde ich das Buch nicht als schlecht bezeichnen, da es eine gelungene Geschichte erzählt. Für jemanden dem normale Thriller zu viel sind, eignet sich dieses Buch sehr gut. Auch kann man das damalige Leben gut an dem Buch nachvollziehen.
    -----------------------------
    http://libri-mundi.blogspot.de…kt-von-graeme-macrae.html

  • Schockierender historischer Kriminalroman


    Wo fange ich nur an? Zuerst einmal hat es der Autor, Graeme Macrae Burnet, allein durch den Aufbau seines Romans „Sein blutiges Projekt – Der Fall Roderick Macrae“ geschafft, dass die Geschichte von Roderick aus sehr vielen Blickwinkeln betrachtet wird. Zum einen sind das die Zeugenaussagen der Bewohner von Rodericks Heimatort, dann sein eigener Bericht der Ereignisse und schließlich die Zusammenfassung des Prozesses und die Presseberichte der damaligen Zeit.
    Durch diesen Aufbau gelingt es Graeme Macrae Burnet eindeutig, einen Spannungsbogen aufzubauen, der bis zum Schluss des Romans erhalten bleibt. Es werden Fragen aufgeworfen, verschiedene Meinungen und Einschätzungen werden vorgebracht…
    Erzählt wird die Geschichte von Roderick Macrae, der in einem kleinen Dorf in Schottland ein Leben als Crofter führt und schreckliche Verbrechen in seinem Heimatort begangen hat: Roderick Macrae hat drei Menschen auf dem Gewissen.
    Und während man sich als Leser bemüht, auch nur ansatzweise zu begreifen, was genau Roderick zu diesem Punkt in seinem Leben gebracht hat und was seine eigentlichen Beweggründe für diese abscheulichen Morde waren, kann man den Roman kaum noch aus der Hand legen. Man ist, genau wie das Gericht, auf der Suche nach einer Erklärung für Rodericks Taten…
    Zusammenfassend kann ich eigentlich nur sagen, dass „Sein blutiges Projekt“ schockiert, spannend und hochdramatisch ist, den Leser aber auch fordert, sich selbst mit den verschiedenen Schilderungen auseinander zu setzen und ihnen einen Wahrheitsgehalt beizumessen. Dabei nimmt der größte Teil des Romans Rodericks eigene Schilderung seines bisherigen Lebens in Culduie, dem Dorf, in dem er geboren wurde, ein.
    Dabei schafft es Graeme Macrae Burnet, Roderick in dieser Erzählung eine eigene Stimme zu geben und die Erlebnisse tatsächlich gänzlich aus Rodericks persönlicher Sicht zu schildern.
    Insgesamt ist „Sein blutiges Projekt“ ein spannender Roman, der nicht zuletzt durch die schockierende Geschichte und den doch recht ungewöhnlichen Aufbau hervorsticht.

    "Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns."

    Franz Kafka, Brief an Oskar Pollak, 27. Januar 1904






    :lesend

  • Zu Beginn des Buches ist eigentlich schon alle klar:
    Im Jahre 1869 tötet der 17 jährige Roderick Macrae in einem kleinen schottischen Dorf seinen Nachbarn Lachlan Mackenzie und dessen zwei Kinder. Roderick gesteht die Morde und erklärt sich selbst für schuldig.
    Nun sitzt er im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess.
    Der Mörder ist also von Anfang an bekannt. Aber wie ist es zu dieser Tat gekommen und was sind die Hintergründe dafür?


    Das Buch ist in mehrere Teile gegliedert. Zu Beginn kann der Leser die Aussagen der Einwohner des Dorfes über die Tat lesen. Dann kommt ein längerer Teil mit den Aufzeichnungen, die der Mörder Roderick selbst in seinem Gefängnis anfertigt. Anschließend gibt es ein medizinisches Gutachten über den Mörder und zum Schluss die Aufzeichnung des Prozesses.


    Was mir an dem Buch besonders gut gefallen hat, war der Teil mit den eigenen Aufzeichnungen des Täters. Der Leser erfährt so viel, über die Lebensbedingungen der Kleinbauern im Schottland des 19. Jahrhunderts. Wie die Pächter mühevoll und unter den einfachsten Bedingungen ihr Land bewirtschaftet haben um ihre Ernte für die Familie einzuholen und wie sie den Schikanen des Großgrundbesitzers und seines Constablers hilflos ausgeliefert waren.
    Alles wird sehr anschaulich und bildhaft geschildert, so dass man sich das einfache Leben an der schottischen Nordwestküste sehr gut vorstellen konnte.


    Ich fand das Buch von Anfang an recht angenehm und flüssig zu lesen. Ich war fasziniert von der Schilderung des Mörders über seine Lebensumstände und wie es schließlich zu den grausamen Taten gekommen ist.


    Allerdings muss ich mich auch der Rezi von Angelika anschließen:


    Zitat

    Original von angellika
    Die Beschreibung in Ordnung passt zu diesem Buch ganz gut. Es ist weder spannend noch gruselig, erzählt aber eine Geschichte, die etwas anders aufgeschrieben interessant hätte werden können.


    ich fand das Buch insgesamt auch in Ordnung. Ich habe leider ein wenig die Spannung vermisst und kann es auch überhaupt nicht nachvollziehen, wie dieses Buch mit "raffinierter Thriller" beworben wird.
    Für mich ist dieses Buch alles andere als ein Thriller, ich würde es vielleicht als historisches Gerichtsdrama bezeichnen.
    Es ist zumindest in der ersten Hälfte zu weiten Teilen ein sehr ruhiges Buch, mit einer düsteren Stimmung. Aber richtig spannend fand ich es eigentlich nie.
    Ich habe auch während des Lesens noch auf einen Überraschungsmoment gewartet, da ja von Anfang an schon das meiste der Tat bekannt war. Der blieb aber leider dann aus.


    Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, ich hatte mir aber eine spannendere Geschichte erhofft.
    Deswegen gebe ich dem Buch 7 Eulenpunkte und bedanke mich, dass ich es als Wanderbuch hier lesen durfte.

  • Sorry, ich kann mich den begeisterten Rezis nicht anschließen. Ich habe nunmehr nach 100 Seiten beschlossen, daß ich das Buch abbreche.


    Meine Beweggründe ganz kurz:
    Die Einteilung in die einzelnen Kapitel fand ich gut und interessant, ebenso das Vorwort des Autors. Bei der Charakterisierung der Familie durch verschiedene Personen konnte man sehen, wie unterschiedlich diese eingestuft werden, dies fand ich auch noch interessant. Dann begannen die Aufzeichnungen von Roderick und damit meine Probleme. Die Aufzeichnungen kann man schon fast akribisch nennen. Die geschilderten Zustände im Dorf waren für mich eigentlich durchwegs trist, traurig und er beschrieb ein beschwerliches Leben. Roderick schien ein intelligentes Kerlchen zu sein, denn sein Lehrer hat beim Vater interveniert, daß er weiter lernen soll/darf. Gleichzeitig erfährt der Leser wie Roderick ein Schaf mit dem Spaten tötet und, daß seine Tat an Lachlan und dessen Familie den Vater aus Widrigkeiten erlösen soll. Hier wurde es mir mit der Zeit einfach zu zäh, um bei der Stange gehalten zu werden. Ich hatte teilweise den Eindruck, ein Sachbuch zu lesen und vielleicht käme auch noch ein überraschendes Ende, aber das werde ich jetzt nie erfahren.


    Das Cover fand ich ausgesprochen gelungen, aber als Thriller würde ich das Buch nicht bezeichnen, eher als historischen Kriminalroman.

  • Der Roman ist kein Krimi im klassischen Sinne. Die Tat ist bereits geschehen, der Mörder steht von Anfang an fest. Lediglich was das Motiv betrifft, gibt es Klärungsbedarf.


    Sehr eindringlich wird das Leben in diesem schottischen Kleinstdorf geschildert. Ich hatte den Eindruck von Authentizität. Da wird nichts romantisiert, die Armut nicht mit Güte unterlegt. Der Autor zeigt uns einen ziemlich nüchternen Blick auf das damalige Leben der einfachen Bevölkerung.


    Im Prinzip kann ich der ausführlichen Rezension von Buchdoktor nichts mehr hinzufügen. Sie hat bereits aufgezählt, dass sowohl die Geistlichkeit, die Obrigkeit, die Wissenschaftler und der "einfache Mann" der damaligen Zeit in ihrer Geisteshaltung dargestellt und im gewissen Sinne "überführt" werden.


    Wieder zeigt sich, dass die wirksamsten Mauern in den Köpfen der Menschen sitzen und zu dem gesellschaftspolitischen Elend das selbstgemachte noch dazu kommt und sich daraus eine Mischung aus Trost- und Perspektivlosigkeit ergibt, die einem beim Lesen den Atem abschnürt.


    Der Aufbau des Romans ist mal etwas anderes. Der Autor zieht seine Story als vermeintlich historischen Fall auf, was beim Lesen zu einer eindringlichen Lesart führt, da man bisweilen wirklich vergessen kann, dass es sich um eine rein fiktive Geschichte handelt.


    Für mich bleibt die Hauptfigur des Romans, der Mörder Roddy Macrae, bis zum Schluss nicht wirklich greifbar. Der Autor streut geschickt Details ein, die ein vielschichtiges Bild der Figur entstehen lassen, die jedoch auch Diskrepanzen aufweisen, die nicht geklärt werden. Zum Schluss bleibt bei mir der Eindruck einer indifferenten Figur, die mich etwas unbefriedigt zurücklässt. Allerdings ist es dem Autor nicht anzukreiden, dass er mir nicht alle meine Fragen restlos beantwortet, denn so ist das im echten Leben ja auch oft: Die definitive Wahrheit gibt es nicht.


    Ich fühlte mich von dem Buch ganz gut unterhalten, empfand jedoch auch ein paar Längen, insbesondere in dem Teil, der den Gerichtsprozess beschreibt. Hier finden sich meiner Meinung nach Redundanzen, die mich gelangweilt haben.


    Ich gebe deshalb nur 7 von 10 Eulenpunkten.

  • Ich durfte das Buch als Wanderbuch lesen und ich fand es spannend. Ich konnte gut in das Buch eintauchen und man fühlte sich in diese Zeit auch so ein bisschen zurückversetzt, wie es damals der Landbevölkerung ging. Auch die Erzählung von Rockerick war beeindruckend, ob das nun autobiographisch oder fiktiv ist, war mir in dem Moment erst mal egal. Es las sich einfach gut.


    Ich fand den Aufbau schon sehr gut, Zeugenaussagen, eine Einschätzung eines Doktors, bevor Rodericks Erzählung ins Spiel kam, das hatte alles von einem guten Gerichtsroman irgendwie. Es war ja auch keine Frage mehr ob er nur unschuldig war oder nicht, es ging nur darum ob er verrückt war oder nicht. Während des Lesens habe ich mir viele Gedanken dazu gemacht, wie Roderick zu einem Mörder werden konnte, die ganzen Faktoren, die da reingespielt haben.


    Ich würde das Ganze auch nicht als Thriller bezeichnen, da fehlten mir dann doch ein paar Elemente die einen guten Thriller ausmachen, aber es war eine gute Erzählung, 8/10 Punkten.

  • Titel: Sein blutiges Projekt. Der Fall Roderick Macrae
    OT: His Bloody Project. Documents realting to the case of Roderick Macrae
    Autor: Graeme Macrae Burnet
    Übersetzt aus dem Englischen von: Claudia Feldmann
    Verlag: Europaverlag
    Erschienen: Februar 2017
    Seitenzahl: 344
    ISBN-10: 3958900550
    ISBN-13: 978-3958900554
    Preis: 17.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    August 1869: Ein verschlafenes Bauerndorf an der Westküste Schottlands wird von einem brutalen Dreifachmord erschüttert. Der Täter ist rasch gefunden. Doch was trieb den 17-jährigen Roderick Macrae, Sohn eines armen Pächters, dazu, drei Menschen auf bestialische Weise zu erschlagen? Während Roddy im Gefängnis auf seinen Prozess wartet, stellen die scharfsinnigsten Ärzte und Ermittler des Landes Nachforschungen an, um seine Beweggründe aufzudecken. Ist der eigenbrötlerische Bauernjunge geisteskrank? Roddys Schicksal hängt nun einzig und allein von den Überzeugungskünsten seines Rechtsbeistandes ab, der in einem spektakulären Prozess alles daransetzt, Roderick vor dem Galgen zu bewahren.


    Der Autor:
    Graeme Macrae Burnet wurde 1967 in Kilmanrock in Schottland geboren. Er studierte Englische Literatur in Glasgow. Er lebt in Glasgow.


    Meine Meinung:
    Da stieg sich doch irgendjemand zu der Behauptung auf, bei diesem Roman würde es sich um einen „meisterhaften psychologischen Thriller“ handeln. Dabei ist dieses Buch weder meisterhaft noch ist es ein Thriller. Es ist vielmehr die fiktive (?) Dokumentation eines Mordes. Und in diesem Zusammenhang erstaunt es wirklich, dass das Buch auf der „Shortlist für den Man Booker Prize 2016“ gelandet ist. Eine Notlandung, weil vielleicht nichts anderes verfügbar war?
    Die Geschichte zieht sich ein wenig, alles ist vorhersehbar – und es gibt keinerlei Überraschungen in der Handlung. An zwei Abenden war mir das Buch daher als Einschlafhilfe durchaus willkommen.
    Und wenn man das Presseecho liest, dann kommt man schon ins Grübeln. Welches Buch haben denn die wohl gelesen? Das vorliegende Buch kann es wohl kaum gewesen sein:


    Daily Express: Ein wahrhaft raffinierter Thriller – faszinierend vielschichtig.
    The Time: Fesselnd, düster und unheimlich intelligent.
    The Guardian: Ein teuflisch gutes Buch.


    Bis dato war ich immer der Ansicht, dass man ein Buch schon gelesen haben sollte um es dann auch beurteilen zu können. Aber da habe ich mich wohl geirrt.


    Eher eine Thrillerenttäuschung, am Rande der Langeweile balancierend. 4 Eulenpunkte. Wobei, eigentlich ist es langweilig.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Soweit, dieses Buch als einen "meisterhaften psychologischen Thriller" zu bezeichnen, würde ich keinesfalls gehen wollen. Was ich ihm aber gern zugestehen kann, ist, dass es mich einige Stunden lang gut zu unterhalten in der Lage war. Beispielsweise gefielen mir die interessanten historischen Zusatzinformationen ebenso wie die verschiedenen Perspektiven, wenn letztere auch zugebenerweise einerseits ein wenig Unruhe und andererseits gelegentliche Längen hinein brachten. Ich mag so mysteriös gehaltene Andeutungen auf Authentizität oder gar Familienzugehörigkeit.
    Das Cover passt zur düsteren Grundstimmung.
    Der Titel orientiert sich am Original.
    Ich vergebe 7 Eulenpunkte.

  • Ich hatte dieses Buch seit Ewigkeiten auf meinem SuB. Wahrscheinlich zu lange. Denn es kommt mir so vor, als wäre seine ungewöhnliche Erzählart inzwischen überholt. Ich denke, ich habe das Buch einfach zu spät gelesen.


    Ein Thriller ist dieses Buch gewiss nicht. Für mich fällt es eher ins historische Genre. Rodericks Bericht, der einen großen Teil des Buches einnimmt, ist sehr langsam und ausführlich erzählt und leider auch nicht sehr spannend. Mich hat von Anfang an sehr gewundert, warum ich als Leser von der absoluten Wahrhaftigkeit dieses Berichtes ausgehen soll. Da das Thema des unglaubwürdigen Erzählers schon fast ein eigenen Genre ist, hinterfragt man solche Berichte doch schon fast von Natur aus. Der einzige Kniff ist, das man bis zur Hälfte des Buches nicht weiß, wer denn die anderen beiden Opfer Rodericks sind. Sobald dieser Punkt erhellt wird, kann man sich schon einiges denken. Denn die Frage stellt sich, wen zu töten Roderick tatsächlich beabsichtigte und wer der Kollateralschaden ist. Aber spätestens, wenn in der ziemlich langweiligen Gerichtsverhandlung der Mediziner zu Wort kommt, kann man das Buch eigentlich zuklappen.


    Wie man vielleicht merkt, bin ich etwas enttäuscht von diesem so hochgelobten Buch. Ich hatte vielleicht zu hohe Erwartungen. Zum Glück ist es mit etwas über 300 Seiten nicht allzu dick und liest sich trotz des getragenen Stils schnell weg. Ich fand es aber weder sehr tiefsinnig, trotz seines Einblicks in die trostlosen Leben dieser Menschen im schottischen Hochland. Leichtes Interesse bzw. Kopfschütteln lösten noch diese abstrusen Theorien zur „Verbrecherrasse“ bei mir aus, obwohl ich davon schon gehört hatte. Im Nachhinein finde ich tatsächlich Roderick sehr interessant. Denn im Grunde erfahren wir nichts Greifbares über ihn. Er bleibt ein Mysterium.


    Ich denke einfach, dass ich in der Tat schon zu viel in dieser Richtung gelesen habe und deswegen dieses Buch nicht mehr als originell oder herausragend empfinden kann. Trotzdem bin ich froh, es endlich gelesen zu haben.