Auf die sanfte Tour - Castle Freeman

  • • Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
    • Verlag: Verlag Nagel & Kimche AG (30. Januar 2017)
    • Sprache: Deutsch
    • Titel der Originalausgabe: All That I Have (2009)
    • ISBN-10:

    ASIN/ISBN: 3423146788

    • ISBN-13: 978-3312010141


    Kurzbeschreibung (Amazon)
    Aus einer abgelegenen Villa in Vermont, USA, wird ein Safe gestohlen, der dummerweise der Russenmafia gehört. Sheriff Wing will das Verbrechen aufklären, bevor die Russen den Dieb erwischen. Das bedeutet eine harte Probe für seine oberste Regel: Im Wettlauf gegen die Zeit ist die wichtigste Fähigkeit Geduld. Deputy Keen, der an Wings Stelle Sheriff werden will, sieht das völlig anders und verspricht, hart durchzugreifen. Erneut zeigt sich Castle Freeman als Meister des Dialogs, des trockenen Humors und der Inszenierung knorriger Provinzcharaktere. In seinem neuen Thriller verbindet er Spannung mit Menschenkenntnis und überzeugender Lebensklugheit.


    Über den Autor
    Castle Freeman wurde 1944 in San Antonio, Texas, geboren. In Chicago aufgewachsen, studierte er an der Columbia University. Heute lebt er in Vermont und arbeitet als Korrektor, Redakteur, Lektor und Autor für eine Vielzahl von Zeitschriften. Sein Roman " Männer mit Erfahrung" (im Original "Go with me") wurde 2015 mit Anthony Hopkins, Julia Stiles und Ray Liotta verfilmt.


    Meine Meinung
    Mit nur 185 S. hält man hier eher ein „Büchlein“ in den Händen, doch nun, nach dem Lesen, würde ich sagen, das liegt mehr an der reduzierten Erzählweise als an mangelndem Inhalt. Ich finde es ausgesprochen schwierig, dem Besonderen dieses Buches in einer Buchvorstellung gerecht zu werden, aber ich versuch`s.


    Die beiden letzten Sätze der Kurzbeschreibung (kursiv markiert) treffen m. E. voll ins Schwarze. Nur als Thriller würde ich „Auf die sanfte Tour“ nicht bezeichnen. Auch wenn sich eine durchaus spannende Krimihandlung als roter Faden durch die Geschichte zieht, könnte das bei einigen Lesern falsche Erwartungen wecken. Aus diesem Grund, und weil auf dem Cover „Roman“ steht, sortiere ich es hier unter Belletristik ein.


    Viele Jahre schon ist Lucian Wing Sheriff im ländlichen Vermont. “ Als Sheriff erzwingt man nichts. Man lässt es geschehen“. Nach dieser verblüffenden Devise hat bereits sein Vorgänger gehandelt und wie es scheint, sind die Beiden damals wie heute nicht schlecht damit gefahren.
    Diese Strategie greift jedoch nicht so ohne weiteres, als ein nackter Mann unter bizarren Umständen im Wald aufgefunden wird und sich die Anzeichen verdichten, dass die Russenmafia in dem bis dato eher beschaulichen County aufgeschlagen ist. Die Menschen dort liegen Sheriff Wing am Herzen, auch und besonders die „Problemfälle“, von denen einer augenscheinlich mittendrin steckt in dieser „Russenmafia-Sache“.


    Auf die ihm eigene bedächtige Weise versucht er die Zusammenhänge aufzudecken und zu einer für alle Beteiligten akzeptablen Lösung zu kommen. Sein Deputy, Lyle Keen, bringt für Wings Vorgehensweise kein Verständnis auf. Viel lieber würde der sich mit einer schnellen Verhaftung profilieren und weil er glaubt, damit auch im Interesse der Allgemeinheit zu handeln, beschließt er, bei der anstehenden Sheriffwahl als Gegenkandidat zu seinem Vorgesetzten anzutreten. Somit hat Lucian überraschend auch noch einen Wahlkampf zu führen.


    Lucian Wing ist ein absolut faszinierender Protagonist, „Mr. Cool in Person“! Ursprünglich wollte ich „hinreißend“ schreiben (weil ich ihn hinreißend finde), aber dann schien mir dieses Adjektiv doch nicht recht passend für so einen Typ Mann ;-). Seine unfassbar gelassene Selbstsicherheit hat für sein Umfeld auch schon mal etwas Provokantes, speziell für seine Frau Clemmie;). Die ebenso sparsamen wie hintersinnigen Dialoge der beiden zählen für mich zu den Highlights der Geschichte – einfach zum Niederknien (wenn man so was mag). Am Ende entscheidet Lucian diese Wortgefechte meist für sich, mit dem Ergebnis, dass er auf dem Sofa schlafen muss und ihren „Morgenrücken“ bekommt :grin.


    Auf den ersten Blick wirken Erzählweise und Sprache eher schlicht. Ebenso wie sich Lucian Wing zunächst als einfach gestrickter Bursche vom Land präsentiert. Lange dauert es jedoch nicht, bis seine Intelligenz, die Tiefe seiner Persönlichkeit und die Vielschichtigkeit der Geschichte offenbar werden. In diesem kleinen Roman verbirgt sich so viel subtiler Humor und Lebensklugheit, auch und gerade zwischen den Zeilen, dass ich mich bemüht habe, ihn langsam zu lesen um möglichst wenig davon zu versäumen.


    Definitiv eines der Bücher, das einen besonderen Platz in meinem Bücherregal einnehmen wird und ganz sicher noch einmal gelesen wird. Ich bin mir sicher, dass es beim zweiten Mal für mich noch die ein oder andere inhaltliche und/oder sprachliche Finesse zu entdecken gibt.


    Eigentlich wollte ich ein paar Stellen zitieren, die mir besonders gut gefallen haben, aber aus dem Zusammenhang genommen verpufft die Wirkung irgendwie – also lieber nicht.


    Ein Lob möchte ich dem Übersetzer Dirk van Gunsteren aussprechen, der namhafte Autoren wie Jonathan Safran Foer, John Irving, Philip Roth uvm. übersetzt hat und 2007 mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis ausgezeichnet wurde.


    Wer lakonischer Erzählweise, staubtrockenem Humor und eigenwilligen Typen etwas abgewinnen kann, wird dieses Buch vermutlich ähnlich genießen wie ich.


    Wenn ich mir die zum Teil extrem auseinander gehenden Rezensionen zu seinem anderen (übersetzten) Roman anschaue, denke ich, Freemans Art zu Erzählen ist wieder einmal Geschmacksache. Den Meinen hat er uneingeschränkt getroffen! Ich fand`s großartig und gebe
    begeisterte 10 Punkte

  • Ich kann mich Lumos begeisterter Rezi nur voll und ganz anschließen: Ein wirklich tolles Buch! :anbet
    Von mir ganz klar 10 Punkte und ein absolutes Highlight


    Die Geschichte ist einfach großartig erzählt, die Dialoge sind super witzig, sowohl die Haupt- als auch die Nebencharaktere sind einfach fabelhaft gezeichnet. Und der Humor ist staubtrocken und genau richtig.
    Ich bin ganz hin und weg von diesem tollen Leseerlebnis Ich habe danach gleich noch "Männer mit Erfahrung" gelesen und das hat mir genauso gut gefallen.
    Für mich ist der Autor Castle Freeman bis jetzt die Entdeckung des Jahres. Leider gibt es von ihm bis jetzt nur die zwei Bücher ins Deutsche übersetzt. Ich habe mir jetzt noch sein englisches Buch "The devil in the valley" als ebook geladen und freue mich schon drauf es zu lesen.