Lying in Wait - Liz Nugent

  • Das Buch beginnt im Jahr 1980 mit dem Mord an der 22 Jahre alten Annie Doyle. Man ist direkt mitten in der Handlung drin und fragt sich, was wohl die Vorgeschichte sein mag.
    Das Ehepaar Fitzsimons nimmt zunächst die Leiche in Kofferraum mit und plant dann wie sie diese unauffällig und ohne den Verdacht auf sich zu lenken verschwinden lassen können. Das wird aus Lydia Fitzsimons Perspektive erzählt. Wir erfahren, wie sie ihren Ehemann Andrew kennengelernt hat und wie sie dann zügig heirateten und in ihr elterliches Haus einzogen. Andrew machte Karriere und wurde Richter. Alles lief prima bis sich vor einem Jahr sein Freund mit ihrem ganzen Geld davon machte.
    Sie vergraben die Leiche in eigenen Garten und beseitigen die Spuren, ohne dass ihr siebzehnjähriger Sohn Laurence etwas bemerkt.


    Dann wechselt die Erzählperspektive zu Karen, Annies Schwester. Sie berichtet von der gemeinsamen Jugend, der Beziehung zu den Eltern und Annies Problemen und der ungewollten frühen Schwangerschaft und ihrem späteren plötzlichen Verschwinden. Nachdem Annie eine Woche nicht gesehen wurde, meldet ihre Familie sie als vermisst.


    Dann wechselt die Perspektive im nächste Kapitel zum Sohn der Fitzsimons, Laurence. Er bekommt mit, wie sein Vater von einem Polizisten befragt wird, da wohl das Auto im Umfeld von Annies Wohnort gesehen wurde. Richter Fitzsimons belügt den Polizisten über den fraglichen Freitagabend zwei Wochen zuvor. Selber hat er seine Eltern über diesen Abend auch angelogen, an dem er mit seiner Freundin Helen seine Jungfräulichkeit verloren hat. Wozu eine herrliche realitätsnahe Erzählung folgt.


    Aus den wechselnden Perspektiven wird die in Dublin spielende Geschichte nach dem Mord dann weiter erzählt. Ohne große treibende Ermittlungsarbeit entwickelt sich der Fall trotzdem weiter, verschiedene Anstöße führen zur Enthüllung weiterer Details.


    Es ist herzzerbrechend die Familie bei ihrer Suche nach Annie zu begleiten, wo man als Leser ja schon weiß dass und wie sie umgebracht wurde. Nach dem ersten Drittel erfährt man dann endlich was Annie mit dem Ehepaar Fitzsimons zu schaffen hatte. Dann bringt ein anderer Todesfall zusätzlich Entwicklung in die Geschichte man ist gespannt wie es nun weitergehen wird. Der Ablauf der Ereignisse hat auch irgendwie einen makaberen Humor. Die Entwicklung läuft auf interessante Weise spiralförmig. Immer entlang der drei Perspektiven und immer ein Schrittchen weiter.


    Die Jahre vergehen und Annies Schwester Karen ist Fotomodell geworden und Laurence hat eine Arbeit bei einer Arbeitslosenagentur gefunden. Dann stellt sich heraus, dass der Sohn von Karens Agentin der damals zuständige Detective Mooney war. Dieser wurde jedoch in der Zwischenzeit Opfer eines Autounfalls und ist tot. Genauso zufällig lernt Laurence dann Annies Vater und ihre Schwester Karen kennen.


    Die Geschichte nimmt dann einen unglaublichen Kurs. Makaber, grausam und auf Lügen fußend. Lydia Fitzsimons verbirgt unglaubliche Geheimnisse.


    Einige Male denkt man die Geschichte ist kurz vor der Auflösung aber dann nimmt sie wieder eine unerwartete bizarre Wendung. Langsam wird es zu einem psychischen Kräftemessen zwischen Laurence und seiner Mutter. Wer kann wen besser und negativer manipulieren?


    Dann kommen die drei Erzählstränge quasi zusammen, als sich die drei Personen treffen. Aber die Geschichte nimmt wieder einen neuen unglaublichen Kurs, gemein und grausam. Lydia Fitzsimons kann sich selber und damit auch Laurence immer noch wieder übertreffen. Sie ist unberechenbar und eiskalt. Verdrehte Wahrheiten führen zu einer dramatischen Zuspitzung. Das Finale ist kurz und gruselig. Alle Punkte werden aufgeklärt. Doch die Geschichte geht noch ein Stück weiter und erzählt über Karens folgende Jahre und Jahrzehnte. Später kommt es dann tatsächlich zu einem kurzen grausamen überraschenden Ende, dass man Gänsehaut davon bekommt.


    Das Buch handelt davon, zu was krankhaft übertriebene Mutterliebe und eine gewisse Naivität der anderen Beteiligten führen kann.


    Auch wenn ich mich für keine der beteiligten Figuren wirklich erwärmen konnte, nur Karen kann einem etwas ans Herz wachsen, bleibt man seltsam erschüttert zurück.


    Das Cover und der Buchtitel passen sehr gut zum Buch.


    Dieser Thriller ist ganz außergewöhnlich, sehr spannend, makaber und bizarr.


    10 von 10 Punkten

  • „My husband did not mean to kill Annie Doyle, but the lying tramp deserved it.“


    Mit diesem Satz beginnt das Buch und gesagt wird er von Lydia Fitzsimmons. Und mit der sollte man es sich nicht verderben. Denn Lydia, die zarte und behütete Ehefrau eines angesehenen Richters, Mutter eines kleinen Sohnes, ist eine Psychopathin.


    Lydia kommt aus gutem Hause. Es gab immer Geld und sie wurde dazu erzogen, Ehefrau und Mutter zu sein. Das war sie bisher auch, obwohl sie nur einen Sohn, Laurence, bekommen konnte. Ihr Ehemann, Andrew, ist ein angesehener Richter, aber hat alles Geld durch einen veruntreuenden Verwalter verloren hat. Nun haben sie plötzlich Geldsorgen. Dann lassen sie sich auf einen ziemlich blöden Handel mit Annie ein. Doch Annie nimmt ihr Geld, hält den Handle nicht ein und will sie erpressen. Andrew wird zornig und würgt Annie, doch den finalen Schlag verpasst ihr Lydia, die nicht mit ansehen kann, dass Andrew nur so halbherzig einschreitet. Lydia hat auch die Idee, Annie im Garten zu vergraben und alles zu vertuschen. Schließlich haben sie einen Sohn an den sie denken müssen. Was soll aus ihm werden, wenn sie ins Gefängnis müssen. Aber Andrew wird von Schuldgefühlen und Ängsten geplagt. Er verfällt gesundheitlich innerhalb kurzer Zeit und stirbt. Lucy bleibt ratlos zurück. Es hat sich immer jemand um sie gekümmert und nun ist sie alleine. Aber Laurence übernimmt schon bald die Rolle ihres Beschützers. Das gefällt ihr und so möchte sie es auch haben, für alle Zeiten. Und sie ist bereit, dafür alles zu tun.


    Lydia ist narzisstisch, manipulativ und psychopathisch. Alles was sie tut erklärt sie damit, es für ihren Sohn zu tun, aus mütterlicher Fürsorge. Das redet sie sich selber ein. Dabei ist es purer Egoismus. Dass Laurence später als erwachsener Mann halbwegs normal geblieben ist, ist ein Wunder. Natürlich ist er Lydias wahrer Natur blind gegenüber, denn sie kann ihre wirklichen Absichten gut verbergen. Sie macht ihre kleinen manipulativen Spielchen lieber heimlich und hinter seinem Rücken. Es ist sehr einfach, Lydia zu hassen. Auch Laurence ist zuweilen sehr anstrengend, denn er will es allen Recht machen und er ist den Ideen seiner Mutter gegenüber sehr nachgiebig. Karen, Annies Schwester, ist die dritte Erzählfigur. Ihr Verlust der Schwester und der Kampf um ihre Unabhängigkeit als junge Frau im Irland der 80er Jahre sind sehr greifbar.


    „Lying in Wait“ ist ein düsterer psychologischer Thriller mit schwierigen Charakteren und einer tragischen Geschichte. Es handelt von obsessiver Mutterliebe aber auch von einer empathielosen Psychopatin, die aus ihrer kontrollierten Bahn geworfen wird. Annies Tod setzt eine Reihe von Ereignissen in Gang, die in eine Abwärtsspirale führen, aus die weder Laurence noch Karen entfliehen können. Das ist durchaus gut erzählt und auch spannend, auch wenn der Schreibstil etwas distanziert bleibt.