Shakespeare ist längst der Bühne entkommen und hat die große Leinwand erklommen, nach wie vor das Publikum mit seine zeitlosen Versen in seine Bann schlagend. Angefangen vom strunpfhosenschwuchtelden Hamlet eines Laurence Olivier bis hin zu den groß angelegten Filmen eine Kenneth Branagh begeistert der Barde aus Stratford immer noch sein nicht alterndes Publikum.
Wie könnte ich je vergessen wie nach der Romeo-Darbietung di Caprios scharenweise die jungen Mädchen den Laden stürmten, versessen auf das eilig mit dem Filmcover versehen Reclam-Heftchen von Romeo & Julia, wohl wissend welcher Art Verse sie damit erwerben sollten.
Haben sie es je gelesen?
Ich denke Ja! Und jede Zeile haben sie verschlungen, sich dabei Leos Gesicht vor Augen haltend....
Doch es ist vor allem Kenneths Verdienst, den Meister für die große Leinwand entdeckt und nachhaltig etabliert zu haben.
Unvergleichlich sein fünfter der Heinrichse, ein Opus der Schlachten und der großen Monologe (Ich gestehe etwas verschämt und dennoch freimütig, das der Fünferheinrich mein Lieblingsstück von Shakespeare ist, vor allem des "St. Crispians-Monologes wegen).
Sein "Viel Lärm um nichts" ein opulentes Opus über die Liebe und ihre mannigfaltigen Fallstricke, nur noch übertroffen und gekrönt von seinem "Hamlet"! Welch Größe und opernhafte Opulenz - nur die ganz harten Hardcore-Shakespeareasten halten hier durch - es ist das "Dersicheinenwolftanzt/Dr.Schiwago meets Lawrence of Arabia der Shakespeare-Verfilmungen!
Doch mein Favorit der Leinwandadaptionen ist eine andere - die bereits bestehenden dadurch nicht mindernd, und dennoch auf den zweiten Platz verweisend:
Es ist die Joss-Whedon-Version von "Viel Lärm um nichts"!
Joss Whedon ist einigen sicherlich wohl bekannt: Er schuf nach dem Desaster des auf seinem Drehbuch basierenden Film "Buffy - der Vampirkiller" - einer misslungenen Teenievampirkomödie eine über sieben Jahre dauernde Fernsehserie gleichen Namens, welche popkulturell neue und nie gekannte Maßstäbe setzte und welche ein Spin-of - Angel - nach sich ziehen sollte.
Er schuf nach "Dollhouse" die Serie "Firefly", welche nach einem viel zu schnellen Ende im Fernsehen auf der Kinoleinwand neu entstehen sollte und nach wie vor eine ungeheure Kultgemeinschaft hinter sich vereinigen kann. Joss Whedon, welcher mit den Avengers das Popkornkino neu erfinden sollte und gleichzeitig mit "Cabin in the Woods" dem Low-Budget-Horrorfilm einen lange überfälligen Spiegel vor halten sollte....
Dieser Joss Whedon arbeitete immer wieder - ähnlich wie zB John Ford - mit den selben Darstellern zusammen. Mit vielen verbindet ihn bis heute eine Freundschaft, welche auch Projekte wie dieses ermöglichen.
Man fand sich in der Freizeit bei ihm zu Hause ein, um zB zusammen zu singen.
Das Resultat war die wohl herausragendste Folge der Serie "Buffy": Ein Musical!
Oder man kam zusammen um Shakespeare zu lesen....
Daraus entstand dieser Film - eine in meinen Augen beispiellose Verfilmung von "Viel Lärm um nix" - ebenso einfach wie ehrlich, eine Verfilmung die Shakespeare nicht nur abbildet, sondern gleichzeitig versteht und deutet.
Das Ergebnis ist für mich die ultimative Verfilmung dieses bekannten Shakespeare-Stücks!
Branaghs Filme sind vor allem groß, opulent, Stargeschmückt , bunt und sehr dominant...
Whedons Interpretation hingegen ist klein, schwarzweiß und auf engsten Raum gepresst.
... Womit dieses Werk eine gewisse Intimität erhält, die beim Briten fehlt.
Gedreht wurde der Film im Joss Whedons eigenem Haus und unter Ausnutzung vor allem des natürlichen Lichts, was zusammen mit der Kulisse und der heutigen, modernen Kleidung der Schauspieler dem Stück die Künstlichkeit der Kostümierung nimmt und das Zusammenwirken echt wirken lässt, was auch und vor allem durch die Art der Textdarbietung erreicht wird.
Bei allen der Branaghverfilmung zustehenden Lobpreisung habe ich bei diesem Film immer das Gefühl, großen Darstellern bei der Rezitation ihrer Texte zuzuschauen. Das ist natürlich bei Schauspielern dieses Kalibers eine ungeheure Freude, doch sprechen sie meinem Eindruck nach eher für sich bzw fürs Publikum.
In Whedons Verfilmung sprechen sie tatsächlich zu einander, was wesentlich echter und authentischer wirkt - auch wenn ich kaum annehme das selbst zu Shakespeares Zeiten auf diese Art kommuniziert wurde. Dennoch bekommen die Dialoge hier eine Dynamik und innere Geschlossenheit, welche der Branaghverfilmung vollkommen abgeht.
Im Großen und ganzen wird hier der Shakespearetext wiedergegeben, allerdings erlaubte sich Whedon einige kleine Änderungen - welche allerdings nicht alle Kritiker überzeugen konnten, die ich hingegen für das Stück bereichernd empfinde.
(Und wenn man bedenkt das Der Meister selber seine Stücke immer wieder bearbeitete und umschrieb - die uns heute vorliegenden Fassungen somit nur die überlieferten und erhaltenen Fassungen seiner Stücke darstellen - hat eine solche Neuinterpretierung von Teilen eines seiner Stücke durchaus seine Berechtigung)
So gab er Benedick und Beatrice eine (kurze, in der Einleitung gezeigte) Vorgeschichte, welche ihr Verhältnis im Stück selber auf eine ganz neue Art schlüssig macht.
Auch einige andere kleine Änderungen werden Shakespearepuristen sicherlich ihr Kleingeld zusammenschmeißen und eine "Hit" auf Whedon und sein Cast in die Wege leiten lassen - allerdings sind diese Art von Puristen, diese selbsternannten Hüter des Werkes ihrer Idole kein Maßstab, solcherlei Gesindel ist nie damit zufrieden, wie jemand mit neuen Ideen ein Jahrhunderte altes Stück in eine neue Zeit führt.
Durch die Tatsache das Whedon immer wieder aus einem Pool von "Stammschauspielern" schöpft sind diese nicht nur durch ihre Zusammenarbeit, sondern auch durch ihre privaten Treffen - zum singen oder Theaterstücke lesen - miteinander vertraut, was einer Zusammenarbeit vor der Kamera absolut zu gute kommt. Hier müssen sich keine Fremden an die Arbeitsweise eines anderen gewöhnen, hier machen Kumpels etwas zusammen, was allen Spaß macht. Und auch dieses merkt man dem Film sehr positiv an.
Alexis Denisof nimmt seinen Benedick gegenüber der von Branagh dargestellten Figur, die immer mit einer "Hallo, hier bin ich! Hurra!"- Attitüde daherkommt wohltuend zurück und begegnet seiner Beatrice - deren Darstellung Amy Acker hier nachhaltig etabliert - auf Augehöhe. Man könnte ihre gemeinsamen Szenen problemlos extrahieren und als Zweipersonenstück aufführen, ohne das der Rest der Handlung ein nennenswertes Loch hinterließe!
Mit Denisof arbeitete Whedon bereits in "Buffy" und "Angel" zusammen, und in letzterer Serie auch ab Staffel III mit Amy Acker
Clark Gregg - mit Whedon aus den Avengers bekannt - ersetzte den terminlich anderweitig gebundenen Tony Head (Buffy), Nathan Fillion kennt der Regisseur ebenfalls aus Buffy sowie aus "Firefly" und dem daraus entstanden Kinofilm "Serenity".
Auch die kurzlebige von Whedon konzipierte Serie "Dollhouse" war Heimat für einige seiner Schauspieler.
Für Jillian Morgese war die Rolle der "Hero" ihr erster großer Auftritt, nachdem sie Joss Whedon als Komparsin in den "Avengers" aufgefallen war. Auch wenn ihre Rolle nicht sehr groß ist und sie eher reagiert als agiert macht sie durch ihre Art ihre Konkurrentin - wie war noch gleich ihr Name? - beinahe vergessen.
Nicht unerwähnt lassen darf man hier natürlich auch die großartigen Leistungen von Nathan Fillion als Dogberry und die des Tom Lenk - auch ein Buffy-Veteran und auch dort in der Rolle des "comic relief"- als sein Assistent.
Reed Diamond als Don Pedro macht hier eine ebenso gute Figur wie Sean Maher als Antagonist, welcher seinem Bösewicht eine düstere Sanftheit verleiht, die der Rolle etwas noch diabolischeres und gleichzeitig etwas verletzlicheres verleiht als das vorher der Fall war.
Ich habe diesen Film gekauft weil ich einfach als großer Bewunderer der Arbeit von Joss Whedon so nach und nach alles kaufe was er gemacht hat.
Ich halte ihn für einen der innovativsten und aufregendsten Filmemacher aller Zeiten, in einem Atemzug mit einem Spielberg oder Lucas zu nennen.
Seine Fähigkeit ein Genre nicht nur zu verstehen, sondern dieses im ganzen zu durchschauen und damit auch es zu entlarven sorgen immer wieder dafür, das er scheinbar altbekanntes auf eine ganz neue Art interpretiert.
Als großer Fan von Horrorfilmen begann ihm die doofe Blondine, die in der dunklen Gasse jedes Mal vom bösen Monster gefressen wurde leidzutun - also erdachte er ein Szenario, in welchem die Blondine dem Monster gehörig in den Arsch treten konnte: "Buffy" war geboren.....
Diese Fähigkeit setzt er auch ein, um Shakespeare auf eine bisher nie dagewesen Art neu zu interpretieren, nicht indem er etwas kaputtmacht, sondern indem er den Blickwinkel auf Personen und Handlung verändert.
Mag sie auch auf kleinem Raum und in kleinem Rahmen entstanden sein - seine Version von "Viel Lärm um Nichts" ist wirklich ganz groß!