Adriaan van Dis: Das verborgene Leben meiner Mutter

  • Adriaan van Dis: Das verborgene Leben meiner Mutter
    Verlag: Droemer HC 2016. 288 Seiten
    ISBN-13: 978-3426281628. 19,99€
    Originaltitel: Ik kom terug
    Übersetzerin Marlene Müller-Haas


    Verlagstext
    Der sehr persönliche Roman des niederländischen Bestsellerautors: Adriaan van Dis, ein mitreißender Erzähler und großartige Stilist, zeichnet eindringlich die Auseinandersetzung eines Sohnes mit seiner Mutter. Für dieses Werk wurde der renommierte Autor in seiner Heimat Niederlande gefeiert und preisgekrönt. Van Dis erzählt das Leben seiner Mutter - eine Geschichte, die sie ihm lange verheimlichte, und erst hochbetagt preisgibt. Vor van Dis' Augen entfaltet sich das Panorama eines Lebens zwischen den Niederlanden und Indonesien, zwischen Ohnmacht und LIebe, zwischen Verrat und drei Kriegen. Aber seine Mutter stellt eine Bedingung: Der Sohn darf das Erzählte nur dann veröffentlichen, wenn er ihr einen sanften Tod schenkt: "Du bekommst die Geschichte und ich eine Tablette ...." Ein ungeschönter Kampf um Vertrauen, Achtung und Ehrlichkeit.


    Der Autor
    Adriaan van Dis wurde 1946 im nordholländischen Bergen geboren. Seine Eltern gehörten zu den Heimkehrern aus der Kolonie Niederländisch-Indien (heute Indonesien), die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder in der alten, neuen Heimat ansiedelten. Dis studierte "Afrikaanse" Sprache und Literatur an der Universität Amsterdam und verbrachte mehrere Monate in Südafrika, bis ihm bis 1990 der Aufenthalt verboten wurde. Ab 1974 arbeitete er als Redakteur für die renommierte Tageszeitung "NRC Handelsblad" und war Chefredakteur ihrer Samstagsbeilage sowie Redakteur bei der Literaturzeitschrift "De Gids". Als Fernsehmoderator der preisgekrönten Literatursendung "Hier is ... Adriaan van Dis“ wurde er landesweit bekannt. 1984 erschien sein Erzählband "Nathan Sid". Seitdem hat er zahlreiche Romane und Reisereportagen veröffentlicht. Van Dis wurde für sein Werk mit etlichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem "Gouden Ezelsoor" für das meistverkaufte literarische Debüt und der "Gouden Uil". Für „Ik kom terug" erhielt er den Libris Literaturpreis 2015. Adrian van Dis lehrte als Gastdozent an der Freien Universität Berlin. Seit 2003 lebt er in Paris.


    Interview


    Inhalt
    Adriaan van Dis‘ Mutter hat niemals etwas aus ihrem Leben erzählt. Ihre Erinnerungen lagerten in einer Truhe, die sie als einzigen Besitz aus dem Übergangsheim für Repatriierte in die eigene Wohnung brachte und deren Schlüssel sie stets an einer Kette um den Hals trug. Obwohl ihre Kräfte sie allmählich verlassen, verschließt und verbirgt sie noch immer jedes Stück Papier, als wollte sie ihrem Sohn etwas verheimlichen. Nun ist die körperlich hinfällige alte Dame fast 100 Jahre alt und ihrem Sohn fällt es zusehends schwerer, sie in ihrer Altenwohnung zu betreuen. Das Verhältnis zu seiner Mutter war stets ein Kampf, der längst nicht zu Ende ist; denn noch hält sie alle Schlüssel in der Hand.


    Gesprochen wurde in der Familie nicht über die Kindheit der drei älteren Halbschwestern in Indonesien und nicht über die psychische Krankheit von Adrians leiblichem Vater, der in japanischer Gefangenschaft Furchtbares mitgemacht haben musste. Wegen dieses Wahnsinns in der Familie war der Autor Jahre in Psychotherapie. Van Dis‘ Mutter will ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende bereiten und trotzt ihm das Versprechen ab, dass sie nur um den Preis von früher erzählt, dass ihr Sohn ihr zum Tod verhilft. Zum Ende ihres Lebens kehrt lange Verdrängtes wieder zurück. Sie spricht wieder Malaysisch, telefoniert, erzählt ihre Schwebegeschichten, bei denen die Gedanken in alle Richtungen schweben. Aus Fragmenten kann der Sohn die Familiengeschichte zusammenfügen von der Landpomeranze, die sich in den Niederlanden in einen schneidigen Indonesier verliebt und ihm ans andere Ende der Welt folgt. Er erfährt von den Zumutungen des Tropenklimas, vom Alleinsein als Frau in einer reinen Männerwelt und der Internierung selbst der Frauen durch die Japaner.


    Der Kampf mit den Erinnerungen führt auch zur Versöhnung mit der Scham des Sohns über seine verrückte Mutter, die seiner ersten Freundin ihr Schicksal aus der Hand las, während er sich dafür in Grund und Boden schämte. Am Ende taucht der Brief eines befreundeten deutschen Arztes auf, der aus dem Lager-Lazarett beim Bau der Thailand-Burma-Eisenbahn berichtet. Für van Dis kann dieses Zeitzeugnis das letzte Tüpfelchen zum Verständnis gewesen sein, warum seine Mutter ihr Leben lang unter allen Umständen hartnäckig ihre Gefühle verbergen musste – auch gegenüber ihren Kindern.


    Fazit
    Adrian van Dis veröffentlicht die beeindruckende Geschichte seiner Mutter als Roman, dessen biografischer Anteil deutlich zu erkennen ist.


    9 von 10 Punkten