Binde zwei Vögel zusammen - Isabelle Lehn

  • Eichborn, 2016
    Hardcover, 191Seiten


    Kurzbeschreibung:
    lAaddin betreibt das Café am Dorfausgang, aber er hat nur einen einzigen Gast. Konvois und Soldaten sind in den staubigen Straßen, die Häuser haben keine Schlösser, und Aladdin ist schon mehrere Male gestorben.
    Aladdin heißt eigentlich Albert und ist Statist in einem bayerischen Trainingscamp für Afghanistansoldaten. Aber ist Albert nicht eigentlich Aladdin? Albert wird sich immer unsicherer und schon bald ist nicht mehr klar, was Spiel ist und was Ernst –die afghanische Ehefrau, die Blendgranaten, der Sack über dem Kopf?
    Isabelle Lehn lässt uns in BINDE ZWEI VÖGEL ZUSAMMEN die Verunsicherung durch Medien und Weltgeschehen spüren. Und vielleicht sind wir alle irgendwie Albert, im deutschen Niemandsland zwischen Krieg und Inszenierung.


    Über die Autorin:
    Isabelle Lehn wurde 1979 in Bonn geboren und lebt in Leipzig. Sie studierte in Tübingen und Leicester Allgemeine Rhetorik, Ethnologie und Erziehungswissenschaft mit Arbeitsschwerpunkten zu Propagandaforschung, Massenkommunikation und Medienwirkungen und wurde 2011 im Fach Rhetorik promoviert. Parallel zur Promotion absolvierte sie ein Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, wo sie nach Lehraufträgen und Gastdozenturen seit Februar 2013 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Literarische Schreibprozesse“ arbeitet. Ihre Erzählungen und Essays wurden in Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht, u.a. in Bella Triste, Edit, Sinn und Form, Am Erker, neue deutsche literatur (ndl) oder der US-Zeitschrift Words Without Borders.


    Mein Eindruck:
    Erfreulich, wieder einen Roman zu lesen, der originell ist und mit neuen Ideen arbeitet.
    Manches wirkt aber zusammenhanglos und ist nicht unbedingt leicht zu durchachauen. Der Roman wird mit viel Zurückgenommenheit erzählt.


    Der arbeitslose Journalist, der sich als Statist an einer Simulation beteiligt und dadurch innerllich aus dem Ruder läuft ist der Erzähler.
    Als Leser bleibe ich zu dieser Hauptfigur auf Distanz, vielleicht liegt das darin, das er gedanklich zu viele Themen durchdenkt, und das eine oder andere wirkt wie eine These, den die Autorin ihrem Protagonisten in den Mund legt.


    Sprachlich ist vieles ansprechend, an einigen Stellen etwas überangestrengt, aber es gibt viele gute Passagen.
    Ein interessantzes Buch, dem ich 7 von 10 Punkten gebe!


    Binde zwei Vögel zusammen ist äußerlich, z.B. covermotivisch, ein schön gestaltetes Hardcover. Eine gute Arbeit, die zeigt, dass man doch froh sein kann, dass es den Eichborn-Verlag bei Lübbe wenigsten in dieser Form noch gibt.

  • Das ist der Anfang von einem Aphorismus eines orientalischen Mystikers namnes Dschalal ad-Din Muhammad Rumi.


    "Binde zwei Vögel zusammen, sie werden nicht fliegen können, obwohl sie nun vier Flügel haben."


    Meiner Meinung nach zielt das im Text ab auf den Journalisten und zu der Figur Alladin, zu der er wird. Zwei verschiedene Persönlichkeiten und zusammen funktioniert keine m,ehr so richtig.

  • "Binde zwei Vögel zusammen", die Geschichte von Albert, der zu Aladdin wird und aus seiner Rolle nicht mehr hinausfindet, hat mir gut gefallen. Albert, der eigentlich Karriere als Journalist machen will, meldet sich primär aus Geldnot, aber auch um seine Erfahrungen journalistisch verwerten zu können, als Statist für eine militärische Übung auf einem Truppenübungsplatz irgendwo in der Oberpfalz. Sechs Wochen ohne Kontakt zur Außenwelt wird er zu Aladdin, dem Café-Besitzer am Rande eines afghanischen Dorfes, spielt afghanisches Dorfleben und setzt sich Terror und Angriffen aus, damit die Soldaten Krieg spielen und sich auf ihren Einsatz in Afghanistan vorbereiten können. Ohne es zu wollen geht Albert immer mehr in seiner Rolle auf, er wird zu Aladdin, empfindet reale Angst, wenn die Patrouillen ins Dorf kommen und mehr als einmal wird er auch "erschossen".


    Als er nach den sechs Wochen in seine Heimatstadt zurückkommt, kommt er mit dem wirklichen Leben nicht mehr zurecht - er hat Aladdin mitgenommen und seine Versuche, in sein altes Leben zurückzufinden, wirken eher halbherzig. Stattdessen dominiert Aladdin, er taucht immer wieder auf, scheint in Alberts Leben einzugreifen und ihn schließlich daraus zu verdrängen.


    Ich muss zugeben, dass es mir bei der Lektüre ging wie Albert, ich hatte mehr und mehr Probleme, zwischen Schein und Sein, Einbildung und Wirklichkeit zu unterscheiden. Trotzdem war es faszinierend zu lesen, was die Erfahrung im "Camp" mit Albert gemacht hat, wie sehr sie prägt und wie er dadurch Stück für Stück seine eigene Identität verliert. Ich frage mich zwar, ob das wirklich so passieren könnte, aber ich kann mir schon vorstellen, dass wenn ein Mensch sensibel genug ist, er nach solch einer einschneidenden Erfahrung Probleme hat, in sein altes Leben zurückzukehren. Interessant fand ich auch die Überlegungen, die Albert nach seiner Rückkehr hinsichtlich der Berichte in Zeitungen und im Internet anstellt - was davon ist wirklich passiert und was ist vielleicht nur gestellt, Propaganda, Fake?


    Das Buch liest sich relativ schnell, da es nicht besonders dick ist, aber der Inhalt hat mich doch noch eine Weile beschäftigt. Ich kann es auf jeden Fall weiterempfehlen und gebe 8 Eulenpunkte.


    LG, Bella