Teil 10 – In dem eine Königin ungeheuerlich in Not gerät, einem Narren nicht ganz geheuer ist und ein König gegen ein Ungeheuer zu Felde zieht.
Fast starr vor Angst drehte sich der König zu seinem Gefolge um. Er hob den Finger an den Mund und mit einem „Pssst“ machte er Anstalten sich an der Königin vorbei in den Tunnel zurückzudrängeln.
„Was soll denn das? Was ist da vorne?“, fragte ihn die Königin leise.
„Nichts. Kommt, lasst uns zur Pforte zurückgehen. Die bekommen wir schon wieder auf...und wenn ich sie niederbrennen muß.“, zischte der König mit gepresster Stimme. Er machte mit seinem Schwert eine scheuchende Bewegung, so als ob er sein Gefolge damit vor sich hertreiben wollte. Als die Glöckchen in der Parierstange dabei zu bimmeln anfingen, zuckte er zusammen. Aus der Höhle hinter ihm hörte man fast im gleichen Augenblick eines dieser gewaltigen Platschgeräusche und ein Röhren, als ob hunderte von Löwen und Bären gleichzeitig losbrüllen würden.
„AAAAAAHH....“, schrien alle auf einmal los und rannten sich fast gegenseitig um in dem verzweifelten Versuch wieder tiefer in den Tunnel zurückzustürmen. Dabei ließen sie ihre Fackeln und Waffen zu Boden fallen und hasteten in die Dunkelheit.
„Was sollen wir denn nun machen?“, wimmerte Madame Priscilla und presste dabei den Hofnarren an sich, den sie dabei in ihrer Oberweite fast erstickte.
Die Königin tastete nach dem König, packte seinen Arm und zog ihn zu sich heran. „Erzählt schon. Was habt Ihr gesehen?“, fauchte sie ihn an.
„Kö..hö..nggn...lsstmnen..Ahhm...lhss.“, erklang es gedämpft aus dem Finstern.
„Es war zu schrecklich, ich kann es nicht beschreiben.“, flüsterte der König. Sein Herz raste und er atmete hastig.
„Hhlfeee...“, hörte man ein jämmerliches Winseln.
„Madame Priscilla, würdet Ihr bitte so freundlich sein und aufhören den Narren zu erdrosseln!“, blaffte die Königin ihre Hofschneiderin an und ließ schnell den Arm des Narren los, den sie im Dunkeln aus Versehen für den König gehalten hatte.
„Oh!“, erstaunt ließ die Angesprochene den Narren los, der erschöpft zu Boden sank.
„Danke.“, keuchte der Narr und rang nach Luft.
„Schaut es Euch selbst an.“, flüsterte der König.
Alle warfen nacheinander einen verstohlenen Blick nach draußen. Und nacheinander stockte ihnen der Atem. Der Schrecken von Hu-Hum-Bu-Hug war ungeheuerlich. Einem gigantischen Kraken gleich saß das Ungetüm inmitten eines kleines unterirdischen Sees. Die riesenhaften blaßblau schimmernden Tentakel klatschten immer wieder ins Wasser und spritzten dabei hohe Fontänen nach oben und gegen die umliegenden schroffen Felswände.
Inmitten dieser Ansammlung glitschig aussehnder Fangarme ragte ein massiger unförmiger Körper auf, der anscheinend nur aue einem furchterregenden Maul zu bestehen schien. Zahnreihe um Zahnreihe war zu erkennen, als das Monstrum zu einem markerschütternden Brüllen ansetzte.
Der König dachte an die vielen Skelette im Kerker, an den aufgebrachten Mob im Thronsaal und dann an die Schäferstündchen mit der Königin.
„Es gibt kein Zurück. Wir müssen an diesem Ding vorbei, wenn wir nicht alle in diesem Tunnel enden wollen.“, sagte der König leise zu seinem Gefolge. Alle nickten betreten und schluckten dabei. Sie sammelten ihre am Boden liegenden Waffen wieder auf und traten dann hinaus in die bläulich schimmernde Höhle.
Augenblicklich brüllte das Ungeheuer los. Der König konnte einem der massigen Tentakelarme gerade noch ausweichen, der auf ihn herunterkrachte und in den Feldboden einschlug, „BOOONK!“, und dabei kleine Steinsplitter in alle Richtungen regnen ließ. Er hieb mit seinem Schwert nach einem der Arme und drang damit kaum in das dicke Fleisch des Untiers.
Die Königin kreischte auf. Einer der Fangarme hatte sie gepackt und hob sie in die Luft. Der Narr stand direkt unter ihr und starrte fasziniert nach oben.
„Seht Ihr, das kommt davon, wenn man ohne Unterwäsche aus dem Haus geht!“, schrie der König sie an und erwehrte sich abermals mit einem strammen Hieb gegen einen der Tentakel. Den Narren blaffte er an: „Wenn ihr Euch ausreichend am Anblick der Königin ergötzt habt, würdet Ihr dann bitte die Güte besitzen und Euer Schwert zur Hand nehmen? Oder wollt Ihr erst noch etwas anderes zur Hand nehmen, Ihr Lustmolch?“. Ein weiterer plazierter Schwertstreich traf einen der riesigen Arme des Ungeheuers, das mittlerweile mit seinem Gebrüll gar nicht mehr aufhören wollte..
Der Narr begann auf den Fangarm einzustechen, der die Königin umklammerte und wurde gleich darauf von einem anderen Arm gegen die Felswand geschleudert. Mit einem furchtbaren „BONK!“ knallte der Narr gegen das Gestein und rutschte besinnungslos zu Boden.
Sich vor dem Schwung eines Tentakels duckend nahm der König aus den Augenwinkeln war, daß Madame Priscilla einen der Zelthäringe der Verdammnis in die Hand genommen hatte. Der Häring schimmerte regenbogenfarben, als sie ihn mit beiden Händen umfasste und hoch über ihren Kopf hob. Einer der Fangarme kroch geradewegs auf dem Boden entlang auf sie zu, als sie mit mit ihrem ganzen Gewicht, was nicht wenig war, den Zelthäring durch das Fleisch des Monsters trieb. Mit einem klirrendem Geräusch trieb sich der Zelthäring dabei durch den Felsboden und verankerte den Tentakel dort. Der Schrecken des Hu-Hum-Bu-Hug brüllte in Schmerz und Wut auf, als er bemerkte, daß er den Arm nicht mehr bewegen konnte.
„Bravo, Madame!“, rief der König hoffnungsvoll aus und ermutigte sie, sich den nächsten Arm vorzunehmen.. Madame Priscilla wischte sich den Schweiß von der Stirn und gab dem König ein Daumen-hoch-Zeichen.
„Hilfe! Hilfe!“, rief die Königin. „Das Ungeheuer wird langsam zudringlich!“
Der König wandte sich um und sah mit Entsetzen, daß ein Tentakel dabei war sich unter das Röckchen der Königin zu schieben. „Eilt Euch, Madame Priscilla! Die Königin ist in Not!“, rief er hinter sich und stürmte mit hocherhobenem Schwert nach vorne.
Doch auch dieser Fangarm wurde rasch mit Hilfe der Zelthäringe der Verdammnis an den Boden genagelt, so daß die Königin nicht länger Unbill ertragen musste. Sie teilten die verbliebenen Häringe unter sich auf und nach und nach gelang es ihnen damit die Tentakel des Ungeheuers unschädlich zu machen, dessen Gebrüll immer kläglicher wurde. Es verstummte ganz, als der König einen der Fangarme zum Körper des Monsters emporkletterte und dort am höchsten Punkt den letzten verbliebenen Häring einschlug. Röchelnd gab der ehemalige Schrecken des Hu-Hum-Bu-Hug seinen letzten Atemzug von sich.
Als er zu den Anderen zurückkehrte und wieder festen Boden unter den Füßen hatte, machte der Hofnarr gerade wieder die Augen auf.
„Weh, oh weh. Ich armer Tor.“, jammerte er. „Lasst mich zurück, Eure Majestät. In meinem geschundenen Zustand kann ich Euch nicht mehr von Nutzen sein.“ Dabei seufzte er schmerzerfüllt auf. „Lasst mir nur mein Schwert hier und ich versuche sie aufzuhalten, so lange ich kann.“
„Wen wollt Ihr aufhalten, Narr?“, raunzte ihn der König unwillig an. Madame Priscilla und die Königin sahen sich erstaunt um und zuckten mit den Schultern.
„Na Eure Feinde, Hoheit.“, ächzte der Narr, und sah sich dabei nach links und rechts um, in der Hoffnung vielleicht doch ein paar finstere Schergen lauern zu sehen.
„Narr, mich deucht, daß Ihr Euch mit Eurer kleinen Beule von der Truppe absetzen wollt.“, stellte der König mißmutig fest. „Das grenzt ja an Hochverrat, Ihr Simulant!“, erhob er seine Stimme und der Narr schien dabei in sich zusammenzusinken. „Ich hätte gute Lust Euch hier und auf der Stelle standrechtlich zu erdolchen.“
Der Narr rappelte sich auf die Füße und bat den König stammelnd um Vergebung. „Herr...König…Hoheit, Eure gnadenvolle Exzellenz. Ich bitte Euch, ich muß durch den Schlag auf den Kopf für einen Moment nicht Herr meiner Sinne gewesen sein. Meine Treue zu Euch soll unbestritten sein.“, beeilte er sich den wütenden König zu besänftigen.
„Na gut, Ihr sollt Eure Chance bekommen. Vielleicht seid Ihr mir bei der letzten Aufgabe noch irgendwie nützlich.“, murrte der König vor sich hin und sah sich dabei nach einem Höhlenausgang um.
Der Narr zog den Aufgabenzettel hervor, nahm den Stift zur Hand und hakte zufrieden die zweite Aufgabe ab. „Wenn das so weitergeht, dann sind wir bald durch und das Königreich ist gerettet.“, kommentierte er sein Tun. Die Königin rieb sich stöhnend Hüften und Rücken, wo die Tentakel einige Spuren hinterlassen hatten.
„Als ich oben auf dem Untier stand, habe ich irgendetwas auf der anderen Seite des Sees entdeckt, das wie eine Tür aussah. Lasst uns zur anderen Seite gehen und nachsehen.“, deutete der König mit seinem Schwert in Richtung des toten Ungeheuers.
Vorsichtig gingen sie an den leblos dahintreibenden Fangarmen vorbei und wateten durch das teilweise hüfthohe Wasser auf die andere Seite der Höhle zu.
„Da bewegt sich was.“, entfuhr es der Königin erschrocken.
„Wo? Was?“, wandte sich der König zu ihr um und hob dabei sein Schwert, das dabei leise vor sich hin bimmelte. Alle blieben stehen und sahen auf die undurchsichtige Wasseroberfläche.
„Na da im Wasser!“, zeigte die Königin um sich herum und während sie sprach blubberte es kurz direkt neben ihr auf. Sie tat hastig einen Schritt zur Seite.
„Was es auch ist, wir sollten schleunigst von hier verschwinden.“, flüsterte der König und sah jeden Einzelnen von ihnen an und dann wieder auf die sich kräuselnden Stellen im Wasser, die nun zuhauf um sie herum auftauchten.
Ende von Teil 10
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edit: wieder mal ein paar kleinere Fehler beseitigt