Ohne die vielen freiwilligen Helfer wäre es noch chaotischer zugegangen.
Ein großes Problem ist die mangelhafte Vernetzung der Behörden.
" Nicht vor meiner Haustür" liegt momentan sowieso im Trend., egal ob Flüchtlingsheim oder sonstige Planungen.
Ohne die vielen freiwilligen Helfer wäre es noch chaotischer zugegangen.
Ein großes Problem ist die mangelhafte Vernetzung der Behörden.
" Nicht vor meiner Haustür" liegt momentan sowieso im Trend., egal ob Flüchtlingsheim oder sonstige Planungen.
Ich habe den ersten Abschnitt und auch eure Kommentare sehr interessiert gelesen, finde aber irgendwie keine Worte mich inhaltlich dazu zu äußern.
Ich bin Klassenlehrerin einer Vorbereitungsklasse mit 16 Kindern aus Syrien und dem Irak, denen ich seit einem Jahr Deutsch beibringe und finde mich oft in der Situation wieder, dass ich bei unreflektierten Äußerungen mir persönlich gegenüber oder Kommentaren im Internet zum Thema wütend werde.
Diese Verallgemeinerungen und dieses "alle über einen Kamm scheren" kann ich absolut nicht nachvollziehen.
Ich habe das Buch jetzt schon weiterempfohlen, weil die ersten 9 Kapitel schon sehr eindrücklich das beschreiben, was gerade in Deutschland passiert. Ich bin neugierig auf den Rest.
Das mit dem "nicht vor meiner Tür" durften wir hier auch live erleben. Letztes Jahr ging um die Zeit das Gerücht, dass unsere Mehrzweckhalle zur Erstaufnahme umfunktioniert werden soll. Es wurde sogar behauptet, dass das schon offiziell im Amtsblatt stand. Und dass natürlich nur junge Männer darin sein würden.
Die Mehrzweckhalle steht direkt gegenüber der Grundschule, daher haben besonders die Eltern diskutiert. Solange, bis die Kinder ganz verunsichert waren und die Lehrerin bei der Gemeinde nachgefragt hat. Dort wurde dann gesagt, dass keinerlei Pläne dafür da wären. Im Amtsblatt stand ja auch nie was dazu.
Am Ende sind hier im Ort ca. 40 Flüchtlinge untergekommen. Alle in zur Verfügung gestellten Privathäusern und 10 davon hier gleich ums Eck. Alles Familien mit Grundschulkindern, die dann auch hier in der Grundschule in die Klassen verteilt wurden. Auch meine Mädels hatten einen Jungen mit in der Klasse, der sich recht schnell integriert hat und am Ende des Jahres auch die Fahrradprüfung erfolgreich mitgemacht.
Am Ende haben sich die Leute vollkommen umsonst aufgeregt.
Aber da wurde mir klar, wie schnell auch vernünftige Leute sich verunsichern lassen.......
In der angeheirateten Familie mag ich mittlerweile auch nicht mehr diskutieren, da wird gerne mal die generelle Integrationsproblematik mit der Flüchtlingssituation vermischt und an allem ist Frau Merkel ganz alleine schuld. Da hab ich mittlerweile keine Lust mehr drauf, weil nur die eigenen Argumente vorgebracht werden und die anderen nix zählen.
ZitatOriginal von Mulle
man muss auch gar nicht so weit gehen: Setz mal irgendwo einen Kindergarten hin ... Da werden sich auch viele (prinzipiell kinderliebe) Menschen erstmal auf die Hinterbeine stellen.
Gutes Beispiel. Bei mir in der Gegend gibt es gerade heftige Diskussionen, da für eine Schule ein Anbau geplant wird.
ZitatOriginal von Mulle
Dass Deutschland nicht vorbereitet wurde, obwohl die Situation deutlich vorhersehbar war.
Ich kann euch dazu gerne mehr erzählen, wenn ihr Interesse habt?
Aber immer doch!
ZitatOriginal von xexos
Jenny wählt für die Familie im Buch die klassische Rollenverteilung einer deutschen Familie. Vater wirtschaftlich und kühl kalkulierend, Mutter emotional und etwas unbedarft, älterer Sohn oberflächlich und jüngere Tochter unerfahren aber interessiert. Es könnte aber auch Donna Leons Brunetti-Familie sein.
Ich glaube Signora Brunetti würde Dir für diese Äußerung aufs Dach steigen.
Die Mutter kam mir eher so vor, als würde sie ihrem Ehemann meinungsmäßig folgen um Konflikte zu vermeiden. Ich habe ja was gegen Durchschnittsbeurteilungen und ob deutsche Väter generell wirtschaftlich und kühl kalkulierend sind bestreite ich mal.
ZitatOriginal von Booklooker
Ich finde, dass genau das im Buch sehr gut eingefangen ist. Ich hätte fast angefangen mit den Eltern und mit Alex zu diskutieren
So geht es mir auch nur allzu oft im Bekanntenkreis. Auch leute von denen ich das nie erwartet hätte, plappern , wie Alex hier im Buch einfach völlig unreflektiert irgendwelche Facebook-Post nach und halten alles für bare Münze.
ZitatOriginal von Findus
Ich glaube Signora Brunetti würde Dir für diese Äußerung aufs Dach steigen.
Die Mutter kam mir eher so vor, als würde sie ihrem Ehemann meinungsmäßig folgen um Konflikte zu vermeiden. Ich habe ja was gegen Durchschnittsbeurteilungen und ob deutsche Väter generell wirtschaftlich und kühl kalkulierend sind bestreite ich mal.
Der Vater ist noch traumatisiert und die Mutter will ihn nicht aufregen. Die Mutter kann ich mir gut vorstellen, dass sie Deutschunterricht gibt in der Unterkunft. Toni sagt irgendwo, dass Mutter wie eine Lehrerin aussieht.
ZitatOriginal von xexos
Aber immer doch!
Ich erlaube mir mal, mich selbst zu kopieren, okay? Das habe ich in der ersten Leserunde zum Buch in einem anderen Forum zum Thema "Deutschland war vom plötzlichen Ansturm der Flüchtlinge überfordert" geschrieben.
(Wobei ich damit nicht im Nachhinein meckern und motzen will - das liegt mir gar nicht. Es macht für mich nur mit vielen kleinen Beispielen gemeinsam klar, worin das eigentliche Chaos begründet lag: Der innereuropäische Kern hat einfach geschlafen und sich auf ein Gesetz verlassen (Dublin-Verordnung), das aufgrund der schwierigen Situation der Grenzländer zum Scheitern verurteilt war. Das hätte man erkennen müssen - aber vermutlich (reine Unterstellung) hofft man in der Politik darauf, dass es nicht in der eigenen Legislaturperiode "knallt".
Flüchtlige kommen seit langer Zeit nach Europa, nur wurden die Grenzländer Griechenland und Italien mit dem Problem sehr lange allein gelassen, bis sie kapitulieren mussten. Ungefähr zeitgleich passierten in den ersten Monaten im Jahre 2015 mehrere Dinge: Russland mischte sich ganz aktiv in den Syrienkrieg ein, was für die Menschen dort eine unglaubliche Katastrophe bedeutete, denn plötzlich kamen zu den Fassbomben der eher kleinen syrischen Armee noch Kampfjets, Raketen, Bomben aller Art und Giftgas.
Für die kämpfende Opposition (ich mag diesen Rebellen-Begriff ebenso wenig verwenden wie die Freie Syrische Armee, die da nur ein kleiner Part ist, zu großreden zu wollen), die bis dahin gute Chancen sah, wurde die Lage plötzlich fatal: Gegen Russland können die nicht gewinnen. Für die gesamte politische Opposition und sämtliche Aktivisten bedeutete das: Assad wird gewinnen - und sich ihnen früher oder später entledigen. Politische Gegner "verschwinden zu lassen" ist in der Familie al Assad seit Jahrzehnten üblich.
Zeitgleich erstarkte der IS (was übrigens auch bewusst durch die syrische Regierung unterstützt wurde, indem man massenhaft Gefangene freiließ) - und zwar nicht nur in Syrien sondern auch im Irak. Mit dem IS erstarkten auch die nah verwandten Taliban in Afghanistan. (Zu den Gründen gibt es wahnsinng spannende Spekulationen, die jetzt hier aber zu weit führen. Nur soviel: Zufall war das alles nicht!)
Das war aber noch nicht alles! Zeitgleich, zum denkbar schlechtesten Moment, kürzte die UN die Hilfmittel für die Flüchtlingscamps in den Nachbarländern Syriens drastisch. Dort konnten keine weiteren Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen werden und denen, die dort waren, wurde gesagt, dass man sie über den Winter womöglich nicht mehr würde versorgen kommen. Arbeit zu finden war den Syrern kaum möglich: In Jordanien und Libanon (beides sehr arme, gebeutelte Länder) kam zu der Zeit ein syrischer Flüchtling auf 4 Einwohner - dass das ohne Hilfsgelder nicht zu schaffen war, liegt auf der Hand.
Es passierte aber noch etwas: Assad flirtete mit der libanesischen Regierung. Im Raum stand plötzlich die große Bedrohung, dass eine Million Syrer - politisch verfolgte Syrer - ausgeliefert werden könnten. Man muss dazu wissen, dass der Libanon seit den Kriegen dort in den 80ern jahrelang von der Assad-Regierung geschröpft und ausgenommen wurde, man hasst und fürchtet den syrischen Präsidenten dort.
Das alles geschah im Frühjahr 2015. Trotzdem reagierte Europa nicht. Bzw. erst im Sommer, als die Menschen dann kamen und sich herausstellte: Die werden überraschenderweise nicht alle in Griechenland - selbst ja vollkommen am Ende - bleiben.
Die Versäumnisse muss die Politik sich einfach ankreiden lassen. Man hätte sich vorbereiten können und müssen!
Nun kommt ein weiterer Punkt zum Tragen: Die Syrer hatten nach vier Jahren Krieg und nun nebe Iran auch noch Russland an der Front wenig Hoffnung, das Assad noch gestürzt werden könnte oder abtreten würde. Die Familie regiert nun seit einem halben Jahrhundert - und wenn sie den Krieg gewinnen, dann vermutlich auch noch mal so lange. Für einen Flüchtling bedeutet das: Er wird nie wieder zurückgehen können - für Assad sind das alles Verbrecher.
(Ich habe die Tage erst wieder über eine Kollegin von einem gehört - der ging aus GB zurück nach Syrien und kam ohne Zehen wieder ...)
Die Leute waren also nicht auf der Suche nach einem sicheren Dach überm Kopf, um die nächsten 1-2 Jahre durchzustehen - die brauchten eine Perspektive für die Zukunft. Natürlich überlegt man sich da: Wo hat meine Familie die besten Chancen. Das würden wir auch tun - ich würde, wenn ich alles hinter mir lasse, nicht in ein Land gehen, in dem ich am Ende obdachlos auf der Straße lande oder über Jahre kein Recht zu arbeiten habe oder wo meine Kinder nicht in die Schule gehen dürfen. Und wer würde in ein Land gehen, in dem es kein Recht auf Familienzusammenführung gibt, wenn er Familie zurücklassen muss?
Daher kristallisierten sich natürlich ein paar Länder heraus, in die die Menschen wollten. Das war ja längst nicht nur Deutschland, aber als reiches Land, das jeder kennt, gehörte es natürlich dazu.
Übrigens hat Syrien enge Verbinungen zu Deutschland: Während der DDR-Zeiten gab es kaum einen syrischen Studenten, der nicht ein oder zwei Semester in Ostberlin studiert hat. Es lebten vor dem Krieg auch viele Deutsche in Syrien. Während der Nazi-Herrschaft sind viele Europäer vor den Nazis nach Syrien geflüchtet - auch Deutsche, die sich dort niedergelassen haben. Und auch viele DDR-Bürger sind nach Studienaustauschen dort geblieben, es gab vor dem Krieg eine sehr große deutsche Community in Syrien. Viele Flüchtlingshelfer schauen immer ganz irritiert, weil eine Menge junger Menschen aus Syrien klassische deutsche Namen tragen - Linda, Simon, Andreas, Lina und Katrin sind sehr beliebt.
Syrien fühlte sich verbunden mit Deutschland. Nur hatte Deutschland das kleine Land offenbar längst vergessen.
ZitatOriginal von Findus
Die Mutter kam mir eher so vor, als würde sie ihrem Ehemann meinungsmäßig folgen um Konflikte zu vermeiden. Ich habe ja was gegen Durchschnittsbeurteilungen und ob deutsche Väter generell wirtschaftlich und kühl kalkulierend sind bestreite ich mal.
Bei der Anlage der Familie habe ich mich tatsächlich ziemlich an der Nachbarschaft unserer NUK orientiert. - Bloß den Bruder musste ich dazuerfinden, so jemanden hatten wir mWn nicht. (Aber viele, die die Helfer von einem Tag auf den anderen nicht mehr grüßten. Ein Kollege sagte dazu in einem Zeitungsinterview sehr lakonisch: "Macht nichts. dafür grüßen mich jetzt andere.")
Die Mutter prinzipiell aufgeschlossen, aber in der Familie zu harmoniesüchtig, um groß Paroli zu bieten.
Beim Vater habe ich mir erlaubt, etwas darzustellen, was ich im "wahren Leben" unglaublich oft beobachtet habe. Vorsicht, kleiner Spoiler:
ZitatOriginal von Schwarzes Schaf
Ich bin Klassenlehrerin einer Vorbereitungsklasse mit 16 Kindern aus Syrien und dem Irak, denen ich seit einem Jahr Deutsch beibringe und finde mich oft in der Situation wieder, dass ich bei unreflektierten Äußerungen mir persönlich gegenüber oder Kommentaren im Internet zum Thema wütend werde.
Diese Verallgemeinerungen und dieses "alle über einen Kamm scheren" kann ich absolut nicht nachvollziehen.
Das ärgert mich auch immer wieder so sehr
Ich habe da auch noch immer keine wirkliche Lösung für gefunden. Ich versuche meist, ganz freundlich zu bleiben und auf Sachebene zu diskutieren - aber das ist wahnsinnig ermüdend, bei Leuten, die einfach nur ihre Vorurteile pflegen wollen und an allem anderen eigentlich gar nicht interessiert sind.
Gleichzeitig merkt man aber ganz oft auch, dass man diese Gespräche nicht umsonst führt, dass dann doch mal ehrlich hinterfragt wird, wenn vielleicht auch nicht sofort.
Andererseits ärgern mich vor allem herablassende Äußerungen und Rassismus auch wieder so sehr, dass ich die Lust verliere, sachlich zu bleiben. Ich würde dann einfach zu gerne richtig sauer werden - was am Ende natürlich nichts besser macht.
Tja, und manchmal hab ich auch schon geschwiegen, bzw. in größerer Runde so getan, als hätte ich das Thema gar nicht wahrgenommen - einfach weil ich das Diskutieren müde war. Danach ging es mir aber viel schlechter.
Zu Anfang hatte ich immer das große Bedürfnis, die Leute einfach mal mit in die NUK zu nehmen. Kommt mit rein, nehmt euch nen Kaffee, sagt mal hallo. Der Rest ergibt sich.
Aber zum einen war die Hemmschwelle für die Leute natürlich sehr, sehr groß und zum anderen wurde die NUK dann auch leider sehr bald "zugemacht", sodass man nur noch mit Zugangsberechtigung rein kam.
Diese Hemmschwelle, die habe ich auch
Diese "normale" Begegnung, die fehlt mir
Und einfach so in eine Flüchtlingsunterkunft gehen, das traue ich mich auch nicht
Wo begegnet man sich also, auf der Straße, im Supermarkt
Aber da gibt es auch kaum Berührungspunkte bzw halt auch keine Gespräche
Inge, vielleicht gibt es ja bei euch so eine Art "Interationales Café" oder sowas?
Oder - wenn du magst - frag doch mal bei der örtlichen Flüchtlingshilfe an, ob es mal eine Gelegenheit gibt, unverbindlich reinzuschnuppern, auch wenn eine zeitfressende Aufgabe nicht infrage kommt. Bei uns gibt es z.B. imer mal gemeinsame Kochaktionen, hin und wieder wird ein Kinderfest vorbereitet oder eine andere Aktion.
Sowas finde ich immer ganz easy-going, weil man dann direkt etwas zu hat (miteinander) und nicht gehemmt in der Gegend herumsteht.
(So wie ich! Als ich das erste Mal in die NUK spazierte, stand ich da - mein Baby auf dem Arm - und war total überfordert. Ich wollte echt gern helfen, wusste aber nicht wie und kam mir SO BLÖD vor, wie ich da rumstand, nicht wusste, was ich machne sollte und Angst hatte, die Leute anzustarren ... Tausend Dank an Rose aus Damaskus, die mich mit drei Brocken Englisch und fünf Kilo Herzlichkeit begrüßte, mir einen Tee machte und mich in 10 Minuten integrierte Zwei Stunden später hatte ich einen Deutschkurs - so kann's gehen.)
So ... den ersten Teil habe ich nun auch gelesen. Der Aufbau und Anfang des Buches gefallen mir sehr gut. Eine – eigentlich – Durchschnittsfamilie kommt aus dem Urlaub wieder und hat ein Flüchlingscamp vor ihrer Tür.
Was mir gefällt, ist, die unterschiedliche Einstellung der Familie gegenüber den Flüchtlingen. Hier kann man wirklich alle Aspekte sehen, die gegen oder für das Thema stehen. Die unterschiedlichen Reaktionen sind schon sehr krass, aber ich kann sie mir auch sehr gut vorstellen. So bekommt man wirklich von allen Seiten den Einblick.
Jeden dieser Gedankengänge kann ich nachvollziehen. Meist ist es ja die Unwissenheit, die eben gegen das Thema Flüchtlinge, steht. Solange man diese nicht direkt vor der Haustür hat, beschäftigt man sich eben nicht so intensiv damit. Nun wird man konfrontiert und dann geht es los. Ich denke, dass es mir auch erst mal unheimlich wäre.
Toni gefällt mir. Obwohl sie immer noch traumatisiert ist durch einen früheren Überfall, ist sie bereit, mit Fee dorthin zu gehen, sich selber einen Überblick zu verschaffen, zwar widerwillig, aber sie tut es. Ich kann sehr gut ihre Angst verstehen, gegenüber den „dunklen“ Ausländern. Ich muss ehrlich sagen, dass mir am Anfang auch nicht wohl war, wenn ich diese im „Pulk“ gesehen habe. Inzwischen weiß man mehr und hat auch mehr Hintergrundinfos. Ich hasse Vorurteile und habe versucht mich eben schlau zu machen, ohne auf die ganze Hetze zu hören. Aber es macht schon Angst, wenn man mit Leuten spricht, die von ihrer Meinung nicht abweichen und die Augen verschließen, Scheuklappen anlegen (siehe Tonis Bruder). Ich denke, dass die Mutter auch eher in Richtung Toni geht, allerdings aufgrund des „Familienfriedens“ einfach nicht zu ihrer Meinung stehen will und kann und in ihrem beschaulichen Leben weitermachen will. Sie verdrängt.
Schirvan ist für mich eine starke Persönlichkeit, auch wenn man weiß, dass es in ihm anders aussieht. Er hat viele Weisheiten parat, wie z. B. dass es immer schlechte Menschen gibt. Überall von 100 sind halt immer 2 – 3 dabei, ob bei Ausländern oder Deutschen.
Sehr gut nachvolllziehbar auch die Hilflosigkeit der Helfer vor Ort. Wenn man denkt es kommen 100 und dann sind es aufeinmal 200. Wie soll man die alle unterbringen, versorgen. Vor allem, wenn die Bürokratie einem so viele Steine in den Weg legt. Trotzdem Hut ab vor diesen Menschen, die damit total überfordert waren/sind und trotzdem gegen Windmühlen kämpfen. Ich habe beruflich mit einer niedersächsischen Behörde zu tun. Ich weiß, dass man dort teilweise Personal abgezogen hat, z. B. meine direkte Kontaktperson, und es für ein halbes Jahr für das Thema „Flüchtlinge“ eingesetzt hat. Menschen, die nie vorher mit dem Thema zu tun hatten. Meine Kontaktperson wurde damit auch überrumpelt. Sie sagte, es wäre total viel zu tun, man musste sich erstmal in ein völlig fremdes Thema einarbeiten und doch hatte sie im Nachhinein das Gefühl, doch etwas sinnvolles getan zu haben, wenn es auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Ihre Arbeit, die sie eigentlich hatte, wurde nicht neu besetzt in diesem Zeitraum. Andere mussten sie mit auffangen. Also kein zusätzliches Personal.
Mir gefällt es bisher sehr gut und ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht, ob einige der Familienmitglieder noch von ihren festgefahrenen Meinungen abweichen werden und wie es im Flüchtlingscamp aussieht, weitergeht und ich würde auch gerne mehr erfahren von den Menschen dort.
Ich bin auch durch den ersten Abschnitt durch und es gefällt mir sehr gut. Von Mulle kenne ich bisher nur die "Dark Canopy"-Dulogie, aber die mochte ich sehr gerne, gerade wegen ihrer spannenden Charaktere.
Und ich glaube, das könnte hier auch der Fall sein. Ich mag Toni sehr sehr gerne. Und ich finde es sehr spannend und auch realistisch, dass die Protagonistin mit den gleichen Vorbehalten herangeht, wie es wohl viele andere auch tun würden: Was ich nicht kenne, kann ich nicht einschätzen - was ich nicht einschätzen kann, verunsichert mich. Aber sie hat Mut, sie versucht, das Trauma zu überwinden und stellt sich dem - tolles Mädchen.
Gleichzeitig kann ich ihre Situation in ihrer Familie sehr gut verstehen. Man weiß nicht, wie man damit umgehen soll, wenn Menschen, die man mag, sich populistisch oder unrelektiert zu dem Thema äußern. Einerseits habe ich das Bedürfnis, dagegen zu argumentieren, andererseits weiß ich, dass ich mittlerweile bei dem Thema so emotional reagiere, dass ich - meist unfreiwillig - in Streit gerate. Das mir als "Kopfmensch" das passiert, irritiert mich.
Vieles in dem Buch liest sich für mich wie ein Deja-Vu - insbesondere Kommentare aus den sozialen Netzwerken oder die Reaktionen zum Thema Smartphones bei Flüchtlingen. Da wird schon auf den ersten 100 Seiten sehr viel abgedeckt. Und es kommen alle zu Wort, ohne dass jemand niedergebrüllt wird.
Sehr beklemmend ist das, was über die bürokratischen Schwierigkeiten und die Überforderung erzählt wird. Andererseits kann es einen ja nicht wirklich überraschen, wenn man sich anschaut, dass auch kleinere Herausforderungen schon manche Verwaltungen an ihre Grenzen führen können. Ich meine das nicht abwertend, aber die Leute, die dann letzten Endes den Einzelaufwand tragen mussten, wurden wohl wirklich vollkommen überfordert damit - ich kann ja nicht mehr arbeiten als der Tag Stunden hat.
Und ich mag Schirvan Ich bin gespannt, was er Toni und damit uns noch erzählt.
Zitat
Original von Inge:
Diese Hemmschwelle, die habe ich auch
Diese "normale" Begegnung, die fehlt mirUnd einfach so in eine Flüchtlingsunterkunft gehen, das traue ich mich auch nicht...
Mir ging es letztes Jahr auch so. Dann wurde ich im Eine-Welt-Laden gefragt, ob ich mitkomme zu 1. Treffen für eine neuzugründende Unterstützergruppe für ein leerstehendes Krankenhaus, in das Flüchtlinge einquartiert werden sollten.
Auf diesem Gründungstreffen lernte ich dann Lipi kennen, die die (kostenlosen, ehrernamtlichen) Deutschkurse im gesamten Stadtteil koordiniertete und durfte in zwei verschiedenen Deutschkursen schnuppern... und schwupps, wurde ich eingesogen. Einmal da, war alles ganz leicht. Ich bin seitdem dabeigeblieben, habe mit einigen auch noch an einem Musikprojekt teilgenommen so sind einige richtig gute Freundschaften entstanden, die ich nicht mehr missen möchte.
Ich finde es macht Mut zu lesen, dass es vielen ähnlich geht und man nicht alleine da steht. Das ist eine schöne Abwechslungen zu den ganzen furchtbaren "Meinungen", die sonst so plakativ und polemisch geäußert werden.
Irgendwie ging in meiner Einbildung der erste Abschnitt bis Kapitel 14. Jetzt habe ich festgestellt, dass ich bis Kapitel 9 auch gestern schon hätte schreiben können. Naja, jetzt bin ich ziemlich hinten dran und das meiste, was mir beim Lesen eingefallen ist, wurde schon geschrieben.
Mir bleibt nur noch zu sagen, dass ich den anderen nur zustimmen kann. Mir gefällt die Beschreibung der Situation, die so geschickt mit der mutigen Toni und ihrer vorverurteilenden Familie verflochten ist. Viele der "Argumente" gegen Asylsuchende kommen mir leider sehr bekannt vor. Ich bin immer wieder erschrocken, wie Menschen, die ich für interlligent gehalten habe, so einen Müll von sich geben können.
Mulle - danke für den Überblick über die Geschehnisse vor der eigentlichen Flüchtlingskrise. Natürlich hätte Deutschland vorbereitet sein müssen - und die Dublin-Verordnung habe ich schon immer für schieren Unsinn gehalten, gerade wenn man sich ansieht, welche Länder die Grenzländer sind. Die haben gar keine Möglichkeit, das aufzufangen.
Wenn ich sage, dass hier jemand unvorbereitet war, meine ich das nicht auf der politischen Ebene. Ich denke da eher an die hilfswilligen Menschen vor Ort, die Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz und so weiter. Da fehlen einfach auch Strukturen, Materialien, Ablaufpläne für so eine Situation. Und dass da von politischer Ebene aus so viel Chaos entsteht - damit konnten diese Helfer wirklich nicht rechnen. Ich meine, eigentlich hat man doch den Eindruck, in einem gut organisierten Land zu leben (manchmal überorganisiert, aber das ist ein anderes Thema). Und dann sowas?
Ich komme zum Beispiel einfach nicht über die Sache mit dem Verschieben von Lager zu Lager hinweg. Da werden hunderte Menschen mehrfach geimpft und gleichzeitig hört man dann von empörten Müttern, dass ihnen in Kinderarztpraxen gesagt wurde, dass Impfstoffe knapp werden. Und wer ist wieder schuld? Die Flüchtlinge.
Und dass die Verantwortlichen nicht wissen, wie viele Menschen sie wo einquartiert haben und dementsprechend Essen und sonstige Dinge anliefern - das ist auch so eine Sache, mit der ich hier in Deutschland nicht rechnen würde. Eigentlich hätte ich erwartet, dass die Verantwortlichen wissen, wie viele Menschen wo sind und diese entsprechend versorgen können.
Und dann sind da noch Menschen wie Schirvan, der ja einen Bruder hat, bei dem er unterkommen könnte. Damit ist er nicht alleine, viele haben hier Verwandschaft, die sie aufnehmen würde (ich kenne solche Fälle auch aus dem direkten Umfeld) - aber sie dürfen nicht. Dabei wäre das eigentlich nur hilfreich...
Ja, Ellemir, das war für mich auch immer wieder schier unglaublich.
Wieviele Ressourcen und Geld da verschwendet wird - nicht, weil es eben an den Stellen nötig ist, sondern nur, weil die Strukturen schlecht und die Regelmaßnahmen unsinnig sind ...
Und das hat leider kein Ende gefunden. Im Moment bekommen z.B. auch Syrer sehr oft nur subsidiären Schutz - das bedeutet, sie dürfen erst mal ein Jahr in Deutschland bleiben und müssen den Schutzstatus dann verlängern lassen. Sie dürfen allerdings auch keinen Familiennachzug beantragen, finden durch den eingeschränkten Schutz nur sehr schwer Wohnung, Ausbildungsplatz oder Arbeit - denn wer stellt jemanden ein, der vielleicht nächstes Jahr schon wieder weitergeschickt wird?
So *verhindert* man Integration.
Gegen diesen Bescheid kann nur in einer Frist von 14 Tagen geklagt werden - auch schwer wahrnehmbar, da die meisten Flüchtlinge ihre deutschen Helfer gar nicht so oft sehen und die Sachlage oft erst nach der Frist übersetzt und erklärt bekommen ... und fnde dann mal so schnell einen Fachanwalt.
Von den Abschiebungsbescheiden z.B. für Afghanen, die auch regelmäßig die Menschen treffen, die sich am besten intregrieren, will ich gar nicht erst anfangen
Es läuft vieles einfach ganz wahnwitzig schief. Das ist besonders schlimm, weil es nicht nötig wäre. Jeder Betrieb würde da längst mit Qualitätskontrollen und Prozessoptimierung arbeiten, um alles effektiver zu machen - aber die Behörden ...
Zurück zu 2015: In den Camps - und unseres war eines der Besseres, unsere Bewohner haben sich wohlgefühlt und waren gern bei uns, auch wenn es nur eine Turnhalle war* - hatte ich manchmal unterschwellig das Gefühl, in einem Entwicklungsland gelandet zu sein. Beim Rauskommen musste ich mich manchmal richtig schütteln und war total erstaunt, wieder in dem Land und in der Stadt zu sein, die ich kenne.
Ganz eigenartiges Gefühl.
Auch so ein Scherz übrigens: Unsere NUK bekam dann irgendwann zusätzliche Sanitäranlagen installiert und eine Gemeinschaftsküche eingebaut. 6 Wochen später wurde sie als Unterkunft nicht mehr benötigt und zur Turnhalle zurückgebaut ...
*) Eine befreundete Familie wurde im Herbst in eine Zeltstadt in Hessen umgesiedelt. Die haben Wochen lang gekämpft, zu uns zurückkommen zu dürfen: In den Luxus der zugigen Turnhalle! Aber ihr neues "Heim" bestand aus einer vollkommen abgelegenen, eingezäunten Schlammlandschaft mit nassen, ungeheizten Zelten - da saß das Paar dann mit drei kleinen Kindern zwischen 2 und 6 Jahren, das mittlere wurde krank und die schafften es über 5 Tage nicht, einen Kinderarzt dahin zu schicken. Der kam erst, als ich der Campleitung am Telefon androhte, am nächsten Tag mit Presse anzureisen.
In das Camp durften übrigend auch erst nach einigen Wochen ein paar Ehrenamtler. Besucher nicht! Das war wie ein Knast - dort gab es auch die Stacheldrahtzäune ringsrum.
In einem gut organisierten, friedlichen und reichen Land wie Deutschland ist sowas einfach unfassbar.
Dass Integration durch so einen Scheiß verhindert wird (sorry für den Kraftausdruck), man aber dann hinterher von fehlendem Willen zur Integration spricht, ist schiere Ironie, oder?
(Wobei ich auch weiß, dass sich nicht jeder integrieren möchte, sondern hofft, dass möglichst schnell alles vorbei ist und er zurück kann. Verstehe ich ja auch)
Meine Erfahrungen mit dem Thema sind allerdings etwas älter - ich habe zu Beginn meiner Ausbildung in einem internationalen Kinderzentrum gearbeitet, gerade als die Kriege im ehemaligen Jugoslawien so richtig losgingen. Da gab es auch eine Menge Irrsinn im Bereich Aufnahme und Integration der Flüchtlinge zu bestaunen.