Elisa Albert: Einschnitt
dtv 2016. 216 Seiten
ISBN-13: 978-3423260909. 15.90€
Originaltitel: After Birth
Übersetzerin: Miriam Mandelkow
Verlagstext
»Geil, urkomisch, brandheiß und beglückend aufrichtig.« Karen Russell
Vor einem Jahr hat Ari ihr erstes Kind zur Weltgebracht. Walker ist ein munteres, fröhliches Kerlchen, doch Ari wurde von dem ungeplanten Kaiserschnitt völlig aus der Bahn geworfen. Sie meint, eine Versagerin zu sein, die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben und fühlt sich unendlich allein. Als Mina Morris, ehemaliger Rockstar und hochschwanger, in ihre Nachbarschaft zieht, hofft sie, in der älteren und selbstbewussteren Frau eine Bundesgenossin zu finden – ihren früheren negativen Erfahrungen mit Frauenfreundschaften zum Trotz. Auf einem furiosen Ritt durch Aris Leben rechnet Elisa Albert scharfzüngig und schonungslos mit den modernen Mythen rund um Schwangerschaft, Geburt und Frauensolidarität ab.
Die Autorin
Elisa Albert, geboren 1978 in Los Angeles, hat an der Brandeis University, Massachusetts, und an der Columbia University in New York Literatur studiert. Ihre Texte erscheinen in verschiedenen Magazinen und Anthologien. Daneben ist sie als Lehrbeauftragte an der Columbia School of the Arts tätig. Für ihre Short Storys hat sie verschiedene Auszeichnungen erhalten, eine Auswahl erschien 2006 unter dem Titel „Was ist in dieser Nacht so anders“. 2008 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, „Das Buch Dahlia“. Elisa Albert lebt mit ihrer Familie in Upstate New York.
Inhalt
Die Icherzählerin Ariella/Ari hat vor einem Jahr ihren Sohn Walker durch Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Die junge Doktorandin lebt in nicht gerade geklärter Beziehung mit einem älteren Uni-Dozenten. Vom Geburtsverlauf fühlt sie sich überwältigt und gedemütigt; sie bräuchte vermutlich eine Therapie und eine Behandlung ihrer Depressionen. Von Ari wird pures Mutterglück erwartet und dass sie bald wieder tatkräftig an ihrer Promotion arbeitet. Doch ihr Leben scheint beendet zu sein, sie empfindet sich als Gefangene in der eigenen Wohnung, auf ein Anhängsel des Kindes reduziert. Paul, dem Kindsvater kann man nichts vorwerfen, er steht jeden Morgen auf, um vor seinem Job das Kind zu versorgen. Aris Versuche, ihre Geburtserlebnisse zu bewältigen, scheitern. Die Selbsterfahrungsgruppe für unglücklich verlaufene Geburten scheint ihre Depression nur zu verschlimmern. Das Buch enthält einige wenige sinnvolle Gedanken zur Mutterschaft und zum Perfektionismus-Druck unter Müttern. Ari ist offenbar lange unfähig, für sich und andere Mütter ihrer Generationen Strukturen zur gegenseitigen Unterstützung zu schaffen. Eine Frau, die keine Mutter mehr hat, keine Schwestern und keine Freundinnen, muss sich irgendwie organisieren. Und sei es, dass sie die Hilfe der schwulen Nachbarn annimmt, wie Ari.
Fazit
„Einschnitt“ ist ein sehr wütendes Buch, dessen Wüten ich nicht in allen Punkten nachvollziehen kann. Eigenheiten des amerikanischen Gesundheitssystems, fehlende weibliche Rollenmodelle und fehlende Netzwerke für amerikanische Mütter ändern sich vermutlich nicht, indem eine Mutter sich öffentlich ausk..tzt. Befremdlich fand ich die Dramatisierung von Aris Opferrolle in der Verknüpfung von Geburt, dem Holocaust und dem von Ari empfundenen Druck, eine gute Jüdin zu sein und einen guten jüdischen Sohn zu erziehen.
Als Schwangere oder junge Mutter hätte ich das Buch vermutlich an die Wand geknallt und zukünftig als Türstopper benutzt. Ich hätte schlicht den Faden im Text verloren und hätte es in seiner depressiven Stimmung nicht vertragen. Andererseits ist die Organisation von Netzwerken für junge Eltern in jeder Gesellschaft ein wichtiges, lohnendes Thema. Der gedankliche Weg zurück bis zum Holocaust scheint mir dafür jedoch nicht erfolgversprechend zu sein.
4 von 10 Punkten