Konklave - Robert Harris

  • Konklave
    Robert Harris
    Heyne / Random House
    HC, 350 Seiten
    21,99 Euro
    ISBN: 978-3-453-27072-5


    Inhalt:
    Der Papst ist tot. Die um den Heiligen Stuhl buhlenden Gegner formieren sich: Traditionalisten, Modernisten, Schwarzafrikaner, Südamerikaner ... Kardinal Lomeli, den eine Glaubenskrise plagt, leitet das schwierige Konklave. Als sich die Pforten hinter den 117 Kardinälen schließen, trifft ein allen unbekannter Nachzügler ein. Der verstorbene Papst hatte den Bischof von Bagdad im Geheimen zum Kardinal ernannt. Ist der aufrechte Kirchenmann der neue Hoffnungsträger in Zeiten von Krieg und Terror – oder ein unerbittlicher Rivale mit ganz eigenen Plänen? Die Welt wartet, dass weißer Rauch aufsteigt...


    Autor:
    Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren. Er war Reporter bei der BBC, Redakteur beim Observer und Kolumnist bei der Sunday Times und dem Daily Telegraph. Er schrieb mehrere Sachbücher, und seine Romane Vaterland, Enigma, Aurora, Pompeji, Imperium, Ghost, Titan, Angst, Intrige und zuletzt Dictator wurden allesamt internationale Bestseller


    Meine Meinung:
    Ich habe ja schon so manches Buch zum Thema katholische Kirche gelesen, aber noch nie etwas vergleichbares. Robert Harris schildert mit großer Sachkenntnis und ebenso ausgeprägtem erzählerischem Gespür vom regelmäßig wiederkehrenden Ausnahmezustand im Vatikan. Er beleuchtet in seinem Roman die persönlichen Konflikte wie auch die Erwartungen der Welt an die Kardinäle. 'Konklave' ist aus meiner Sicht eines der großen Highlights in diesem Jahr, ich vergebe 10 Punkte.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Auch ich war von diesem Buch überzeugt. Es ist für einen Politthriller über weite Strecken überraschend unspektakulär, und wird doch von Wahlgang zu Wahlgang immer spannender. Mehr und mehr baut sich Druck innerhalb der Wahlberechtigten auf. Die internen Intrigen sind realistisch und glaubwürdiger als die weltumspannenden Verschwörungen mit denen andere Autoren so gern auffahren.
    Auch dass die Hauptfigur, aus den Wahrnehmung geschildert wird, aus dem Kreis der Konklave stammt, funktioniert gut. Das wirkt stärker als es ein Protagonist von Außen hätte bewirken können.


    Viele der Figuren basieren auf reale Persönlichkeiten oder sind denen zumindest nachempfunden. Manche konnte ich identifizieren, aber nicht alle.


    Schließlich wirken auch Ereignisse von Außen auf den Wahlkampf ein. Da der Roman ein paar Jahre in der Zukunft handelt, ist die beschriebene Gefahr der Zunahme von Anschlägen nicht unrealistisch.


    Das Ende bleibt nicht ohne Überraschungen.

  • Der Roman beginnt mit einem für die katholische Kirche einschneidendem Ereignis: Der Papst ist gestorben. Sede vacante, der Papststuhl ist unbesetzt – das ist die Ausgangslage der Handlung, und schon bald wird klar, dass es darum gehen wird, welcher Kardinal den Stuhl Petri künftig einnehmen soll. Als Leser verfolgen wir die Geschehnisse aus der Sicht des Kardinals Lomeli, der als Dekan des Kardinalskollegiums unter dem just gestorbenen Pontifex eine wichtige Stellung innehatte. Seine Position bringt mit sich, dass er das nächste Konklave, die Papstwahl, leitet. Deshalb zählt er nicht zu den aussichtsreichen Kandidaten, die wir bald darauf kennenlernen. Sie alle sind völlig unterschiedlich, und es entfaltet sich eine Art Kammerspiel, bei der die Kardinäle versuchen, Anhänger auf ihre Seite zu ziehen und die notwendige Anzahl Stimmen auf sich zu vereinen. Das Konklave wird durcheinandergewirbelt, als ein neuer Kardinal eintrifft, den der alte Papst im Geheimen ernannt hatte. Und die Frage ist nicht nur, ob der neue Heilige Vater ein aufgeschlossener oder ein konservativer Mann sein soll. Besonders Lomelis Loyalität gerät an ihre Grenzen, als sich die Hinweise darauf mehren, dass der ein oder andere Kardinal mit unlauteren Mitteln um das höchste Amt der Kirche kämpft…


    Anfangs ist es noch recht kompliziert, sich die verschiedenen Namen und Ämter zu merken, ich habe mich jedoch schnell in die Figurenkonstellation hineingefunden. Anschaulich erleben wir durch Kardinal Lomeli die eigentümliche Atmosphäre im Vatikan. 118 Männer aus allen Teilen der Welt werden ohne Kontakt zur Außenwelt eingeschlossen, einer von ihnen wird als Papst wieder herauskommen – das ist nicht nur eine physische, sondern auch eine psychische Enge, die sich gerade bei Lomeli auf das Gemüt auswirkt. Die Darstellung, wie Ränke und Intrigen geschmiedet werden, war fesselnd zu lesen – trotz allem Zeremoniell erscheint die Papstwahl in dieser Hinsicht als ziemlich weltliche Angelegenheit. Es gilt, die richtigen Worte zu finden, die Gegner gegeneinander auszuspielen. Lomeli hat dabei eine eigentümliche Doppelrolle. Er leitet die Wahl und soll deshalb möglichst neutral wirken, gleichzeitig ist er selbst wahlberechtigt und auch wählbar. Ich konnte gut nachfühlen, wie er mit sich selbst haderte, je mehr sich die Ereignisse im Konklave zuspitzten. Immer mehr Enthüllungen kommen zwischen den verschiedenen Wahlgängen ans Licht, und bis zum Ende bleibt offen, wer es nun wird.


    Harris ist es gut gelungen, die Spannungen zwischen den Figuren zu entfalten und die Atmosphäre einer Papstwahl abzubilden (soweit ich das freilich beurteilen kann). Lomeli als Protagonist ist ein menschlicher, nachvollziehbarer Charakter, der um seine Schwächen weiß und dennoch versucht, richtig zu handeln. So hatte ich großen Spaß an dem Roman, in den viel Recherche geflossen ist. Lediglich die allerletzte Enthüllung am Ende fand ich etwas zu dick aufgetragen.


    Zwar betont der Autor, dass es sich bei den Figuren um fiktive Personen handelt, trotzdem kann eine gewisse Ähnlichkeit des zu Beginn verstorbenen Papstes mit dem aktuell amtierenden Franziskus I. kaum geleugnet werden. Das trägt zu einem realistischen Gefühl beim Lesen bei. Auch sonst habe ich mich gut im Roman zurecht gefunden und fand auch die Karte des Vatikans am Anfang sehr hilfreich. Sprachlich ist der Roman souverän und lebendig geschrieben. Trotz der eigentlich guten Übersetzung sind mir allerdings eine ungewöhnlich große Menge an Grammatikfehlern aufgefallen, was mich richtig geärgert hat. Ob das nun dem Übersetzer oder dem Korrektorat anzulasten ist – mit Schnitzern wie „wo wir den letzten Papst gewählt haben“ oder „er wollte mit niemand sprechen“ (dies kam mehrere Male vor!) hätte ich bei einem auflagenstarken Bestseller in so einem Verlag nicht gerechnet (ich beziehe mich auf die Taschenbuchausgabe).


    Ich bewerte die unterhaltsame Lektüre mit 8 Punkten.


    (Jetzt habe ich den Thread ja doch noch gefunden, gut, dass ich keinen aufgemacht habe!)