Der gestrige Morgen fing mit einer schönen Überraschung an. In meinem Adventskalender war eine Karte für die Lesung von Christoph Ransmayr im Literaturhaus Frankfurt - und das noch am selbigen Abend. Da ich von dem Buch "Cox oder Der Lauf der Zeit" sehr begeistert war bzw. bin, war das natürlich ein tolles Geschenk!
Trotz Husten und Halsschmerzen machte ich mich auf den Weg an das Frankfurter Mainufer.
Zunächst einmal war ich von dem Literaturhaus als Gebäude schon begeistert.
Hier ein kleiner Eindruck.
Bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg war dort die Stadt-Bibliothek untergebracht.
Der stilvolle Lesungssaal war bis in den letzten Winkel bestuhlt.
Als ich meinen Blick durch die Zuhörerschaft schweifen ließ, bekam ich den Eindruck, dass Literatur etwas für ältere, wohlbetuchte Leute ist. Auf jeden Fall war es ein schönes Gefühl, zu den jüngsten Besuchern zu gehören.
Das Literaturhaus wird von einem Verein getragen. Ein Vertreter dieses Vereins übernahm auch die Begrüßung.
Christoph Ransmayr war sichtlich angeschlagen und kokettierte gleich zu Beginn mit seinem "desolaten Zustand." Er habe seine Stimme am Sonntag vorsichtshalber in Wien an der Wahlurne zurückgelassen.
Zunächst erzählte Ranymayr, dass er durch eine Reise zu der Buchidee inspiriert wurde. Auf dem Rückweg von Tibet nach Irland fiel sein Flug aus. Ransmayr hing in Peking fest und so beschloss er, ein paar Tage zu bleiben, um sich die Stadt anzusehen. Ein Freund führte ihn durch die Verbotene Stadt und sie besichtigten dort einen Pavillon, der einen Teil der Uhrensammlung des Kaisers Qiánlóng beherbergte. Als Hobby-Astronom begeisterte ihn eine Uhr, deren Gehäuse aus einem Kegel bestand. Auf diesem Kegel waren Figuren in Miniaturform angeordnet - Bauern, Soldaten, Konkubinen u.a., deren Zahl sich zur Spitze hin verjüngten und den Blick auf selbige richteten. Dort oben überragte der Thron des Kaisers die gesamte Szenerie. Auf einem Schild las Ransmayr, dass diese kunstvolle Uhr von einem gewissen James Cox angefertigt worden war. So entstand die Idee, den meisterhaften Uhrmacher und seinen größten Fan, den Kaiser von China, literarisch aufeinander treffen zu lassen. Die Figuren des Buches "Cox oder Der Lauf der Zeit" haben also historische Vorbilder, eine wirkliche Begegnung der beiden gab es nie.
Um es vorweg zu nehmen- Ransmayr Stimme hielt trotz Erkältung, und so kam ich in den Genuss, die ersten beiden Kapitel des Buches neu zu entdecken. Denn Ranymayr bot mehr als eine Lesung - er hauchte der Geschichte und seinen Figuren Leben ein. Ich hatte den Eindruck, dass er das Buch auswendig vortrug, so sehr hielt er Kontakt zu seinem Auditorium. Gekonnt verlieh er seinen kunstvollen Sprachkonstruktionen eine Stimme, so dass es ein Genuss war, ihm zuzuhören. Stellenweise kam es mir vor, als hörte ich eine ganz neue Geschichte, obwohl ich das Buch gerade erst ausgelesen hatte, so stark spielte Ransmayr mit den Betonungen seiner Sätze und zog die Zuhörer ganz in den Bann der Geschichte.
Im Anschluss signierte der Autor natürlich noch seine Bücher. Bei dieser Gelegenheit konnte ich ihn fragen, ob die Schriftzeichen auf der Umschlagseite eine Bedeutung haben. Ranymayr bejahte dies. Auf der Umschlagseite sei eine ganze Geschichte abgebildet. Leider habe ich den Namen des Verfassers vergessen, aber es ist ein Philosoph, der sich in Geschichten ausdrückt.
Das war sicherlich nicht mein letzter Besuch im Literaturhaus Frankfurt. Ich bin sehr froh, dass ich diesen beeindruckenden Autor erleben durfte. Ein wirklich gelungener Abend.