Klappentext (kopiert von Amazon):
Um Haaresbreite überlebt die Goldschmiedin Johanna Gerke einen grausamen Anschlag. Sie verliert ihr Gedächtnis und kann sich nur mühsam wieder zurück ins Leben kämpfen. Der Täter entkommt unerkannt, die Polizei steht vor einem Rätsel. Wer hasst Johanna so sehr, dass er sie umbringen will? Je mehr verwirrende Details sie über die vergangenen Monate in Erfahrung bringt, desto klarer wird: Es muss jemand aus ihrer unmittelbaren Umgebung sein. Und er wird alles versuchen, damit es ihm beim nächsten Mal gelingt …
Von Anna Martens sind bei Midnight erschienen:
Engelsschmerz
Identität unbekannt
Blinde Schatten
Meine Meinung: „Ich.Kenne.Dich.“ (S. 131), dieser Satz ängstigt.
…dummerweise kennt Johanna Gerke sie nicht, die Person, der sie den Krankenhausaufenthalt verdankt. Nein, kein Unfall, wie sie im Aufwachen unter Schmerzen noch dachte – es war ein Überfall, an den sie sich aber nicht erinnert. Und es kommt noch schlimmer: ihre Handtasche ist verschwunden, mit Wohnungsschlüssel, Mobiltelefon und mit allen Papieren. Ihre Hand wurde so brutal verletzt, dass ihr Weiterarbeiten als Goldschmiedin und damit ihre kreative und finanzielle Existenz gefährdet ist. Die Polizei nennt es einen sehr persönlichen Angriff mit einem Täter vermutlich aus dem nahen Umfeld. Und hat sie sich wirklich schon vor einem Monat von ihrer großen Liebe getrennt? Was bedeuten die Gedanken an eine Schwangerschaft?
Das ist einmal eine Lektüre, die den Begriff Psychothriller verdient – keine Sexualsadisten, keine Folterszenen, nein, aber ein geschickter Spannungsaufbau mit immer wechselnden Verdächtigen und Verdächtigungen. Amnesie, das ist ein Thema, dass ich in spannender Lektüre schon immer faszinierend fand – hier bekam ich die Quittung. Was bleibt, wenn man sich seiner selbst nicht mehr sicher sein kann? Wie geht man mit Vorwürfen des Umfeldes um, wenn man nicht sicher sagen kann, dass es anders gewesen sei? So sagt ihre Kollegin Kathrin, mit der sie und eine weitere Freundin ein Schmuckgeschäft betreiben: „Du weißt selbst, dass unser Verhältnis in letzter Zeit nicht gerade einfach war.“ S. 84 Nein, das weiß Johanna leider nicht mehr. Sie hat es schwer, der Polizei einiges zu vermitteln: sind wirklich Nachthemden aus ihrer Wohnung verschwunden? Versucht jemand, in ihre Wohnung zu gelangen – oder hängt das nur mit ihren Panikattacken zusammen? Und wer ist Freund, wer ist Feind? Früh liest man noch eine ganz andere Sicht auf die Dinge, ohne dass mir das wirklich Hinweise gab: „Sie musste leiden. Das war keine Absicht gewesen.“ S. 52 Wer schleicht da herum?
Fazit: Ein Pageturner, bei dem ich immer wieder auf der völlig falschen Fährte war bis praktisch kurz vor der Auflösung. Eine Auflösung, bei der glaubhaft klar wird, dass mit mehr Offenheit vieles hätte vermieden werden können. Eine Protagonistin, die nachvollziehbar immer mehr in Panik zu versinken droht. Weitere Charaktere, die alle noch ihre eigenen Geschichten mit sich tragen, teils aus den banalsten Gründen zur weiteren Verwirrung führen, teils sogar in guter Absicht. Ein Handlungsort in Bayern, ohne Regionalkrimi zu spielen. Ein echt guter Psychothriller einer deutschen Autorin, die nicht versucht, irgendwelche Schickimicki-Szenarien einzubauen. Gut! Gerne wieder!
4,5 von 5 Punkten