Hier kann zum 2. Kapitel (Die Supersorgloszeit) geschrieben werden.
'Wir Kassettenkinder' - Kapitel 2
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Die Supersorgloszeit heißt dieses Kapitel.
Das hat mich echt etwas gewundert - empfandet ihr es so?Wir hatten Familie in der DDR, ein entfernter Verwandter ist 82 auf der Flucht erschossen worden und wir haben mehrfach Kram in die DDR geschmuggelt (oder raus - einmal einen Welpen) und waren auch oft in Westberlin - jedes Mal mit ziemlicher Angst über die Grenze. Das hat sich festgesetzt, Grenzen und Passkontrollen gruseln mich bis heute sehr.
Davon ab waren meine Eltern einfach sehr politisch interessiert, sodass Kriege und Katastrophen bei uns immer ein Thema waren. Ich weiß noch, wie meine Mama mich 1988 einmal weckte und rief: "Der Krieg ist zu Ende!" (Der Erste Golfkrieg), und im Radio lief total laut "Don't worry be happy".
Tschernobyl war für uns auch ein großes Thema, auf dem Schulhof wurde wild diskutiert, dass man wegen der Strahlen nicht mehr den Regen trinken, in den Wald gehen oder auf Bäume klettern darf! (Haben die meisten aber trotzdem gemacht.)Ach, und die Medien - ja!
Ich hab es im anderen Abschnitt ja schon gesagt: Ich bin definitiv mit zu viel TV und noch mehr Video aufgewachsen Meine Eltern wurden immer nervös, wenn das Heizöl geliefert wurde, aber für einen Videorekorder und die Videothek oder ein Super8-Gerät war immer Geld
Die Spieleabende wurden dann nach und nach zu Filmabenden, und ich habe Dutzende von Filmen (Star Wars, Batman und was nicht noch alles) durchs Wohnzimmerschlüsselloch verfolgt, weil ich die eigentlich noch nicht gucken durfte.
Eigene Kinderfilme hatten wir nur drei: Robin Hood, Hugo, das Nilpferd, und Ico, das tapfere Fohlen. Ich kann sie bis heute auswendig. Von vorne bis hinten! Ich glaube, in den 80ern hat man die Brut einfach noch vollkommen ohne jedes schlechte Gewissen vor dem Fernseher geparkt. -
Im grossen und ganzen war es eine Sorgloszeit für mich. Sicher war mir klar, dass es Terroristen gibt und sauren Regen. Und dass theoretisch jeden Tag eine Atombombe hochgehen könnte. Was mir im übrigen die meiste Angst gemacht hat.
Die innerdeutsche Grenze fand ich gruselig, allerdings bin ich erst im Sommer 89 das erste mal über die Transitstrecke nach Berlin gefahren. Das fand ich eher aufregend, allerdings waren wir als Schülergruppe auf dem Weg zum Kirchentag auch wohl eher uninteressant. Beim Ost-Berlin Besuch haben wir uns schön ruhig am Grenzübergang verhalten, auch als der Grenzer zu meiner Freundin meinte, sie wäre wohl nicht oft genug geschlagen worden, weil sie so klein war.Wetten dass haben wir auch immer als Familie gekuckt. Meine Kinder haben mit uns noch die letzten Folgen mit Gottschalk gesehen. Was ich als Kind ja geliebt habe war EWG mit Kulenkampff. Und meine Patenttante war sogar mal Champion beim großen Preis. Den Zeitungsausschnitt aus dem Gong dazu habe ich sogar noch.
Meine Mutter hat dienstags auch immer Dallas gekuckt. Und ich habe eine Zeit lang Mittwoch Abend Die Zwei geschaut, allerdings musste ich mich da wecken lassen und vorher schlafenDie Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist für uns als Familie auch immer noch eine Auszeit. Wir genießen die Zeit auch jetzt noch. Als Kind habe ich da immer viel gelesen und meine neuen Hörbücher gehört
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Hach ja - das paßt grade so gut, so in derWeihnachtszeit, die Zeit von damals wieder aufleben zu lassen. *seufz*
Bei mir war es dann aber doch eher die Weihnachtszeit der 70ger, die die schönen Erinnerungen wachruft.
In den 80gern waren meine Eltern getrennt und das war für meinen Bruder und mich nicht mehr so schön, da wir das Gefühl hatte, uns so aufteilen zu müssen.Trotzdem - da da ja schon die Jugendzeit bei mir vorherrschte, war es auf eine andere Weise schön.
Gerade die Silvesterzeit. Die ersten Partys, ganz besondere Partys. Damals fand ich das böllern noch richtig toll
Heute kann ich das gar nicht mehr ab.
Damals haben wir 50 Böller zusammengebunden und angezündet und fanden das cool.Urlaube waren auch bereits anders, aus obigem Anlaß. Aber auch schön.
Mein erster Polenbesuch fiel in die Zeit. Damals noch so richtig aufwändig. Wochen vorher Visa beantragen, dann durch die DDR via Berlin.
Doch, das war schon sehr spannend damals.Sorglos würde ich die Zeit so bei mir nicht bezeichnen. Oder eher bedingt sorglos. Trotzdem - ich schwelge beim lesen in positiven Erinnerungen an die Zeit.
Ich muß mir am Wochende mal meine alten Kassetten heraussuchen.
Also nicht die Hörspiele, da hatte bzw. habe ich hauptsächlich ??? Kassetten.
Hörspiele hatte ich ja noch auf Schallplatte.
Aber die selbstzusammengebauten. Die vom Radio aufgenommenen, oder auch vorm Fernsehen.Das hab ich tatsächlich gemacht, da es ja noch keinen Videorecorder gab.
Meinen Kassettenrekorder vor den Fernseher - eine Folge Unsere kleine Farm aufgenommen, dabei angesehen und wehe, jemand gab einen Mucks von sich.
Trotzdem war hinterher immer alles voller NebengeräuscheIch muß mal gucken, ob ich diese alten Aufnahmen noch habe
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Weihnachten wird bei uns ncoh immer genau wie in meinem Elternhaus gefeiert.
Frühnachmittags kommt Besuch zum Geburtstag meines Vaters, dann schmückt man den Baum und kocht parallel das Essen. Um 18:00 Uhr wird das Wohnzimmer verschlossen und die Geschenke hineingeschmuggelt. Dann gibt es Essen und DANACH Geschenke.
Das muss so!
Meine Kinder leiden heuer genauso wie ich damals, wenn noch jemand ein zweites Mal Nahcschlag will und sich das Essen hinzieht - aber ernsthaft änder wollen sie es auch nicht. Der Sohn meinte mal, es sei "niveaulos", vor dem Essen zu bescherenJa, und im Buch ist mir tatsächlich aufgefallen, was das für eine Konsumzeit war! Vor allem an Kinderspielzeug gab es solche Mengen - man kannte alles, man musste alles haben! Die Spielwaren der 80er haben sich auch ganz fest bei mir eingebrannt, auch die Sachen, die ich nicht hatte - und es war wirklich, wirklich viel, was man so haben wollte ...
Tatsächlich erscheint mir das heute nicht mehr ganz so krass viel Oder meine Kinder sind nicht ganz so gierigSupersorglos ... ich habe nochmal überlegt. Für mich waren eindeutig die 90er sorgloser. Das kann aber daran liegen, dass ich in der Teenagerzeit da einfach etwas dicht gemacht habe.
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Zitat
Original von Mulle
Die Supersorgloszeit heißt dieses Kapitel.
Das hat mich echt etwas gewundert - empfandet ihr es so?Wir hatten Familie in der DDR, ein entfernter Verwandter ist 82 auf der Flucht erschossen worden und wir haben mehrfach Kram in die DDR geschmuggelt (oder raus - einmal einen Welpen) und waren auch oft in Westberlin - jedes Mal mit ziemlicher Angst über die Grenze. Das hat sich festgesetzt, Grenzen und Passkontrollen gruseln mich bis heute sehr.
Davon ab waren meine Eltern einfach sehr politisch interessiert, sodass Kriege und Katastrophen bei uns immer ein Thema waren. Ich weiß noch, wie meine Mama mich 1988 einmal weckte und rief: "Der Krieg ist zu Ende!" (Der Erste Golfkrieg), und im Radio lief total laut "Don't worry be happy".
Tschernobyl war für uns auch ein großes Thema, auf dem Schulhof wurde wild diskutiert, dass man wegen der Strahlen nicht mehr den Regen trinken, in den Wald gehen oder auf Bäume klettern darf! (Haben die meisten aber trotzdem gemacht.)Genau das ist das Paradoxe an den Achtzigern: Obwohl es so viele schreckliche Sachen gab (ich hatte auch Ostverwandtschaft, auch wenn es keine so schockierende Geschichte wie eine verhinderte Flucht gab, sondern meine Tante mit den Repressalien, die sie für ihre Kirchenarbeit in Leipzig erdulden musste, ganz burschikos umgegangen ist), haben die Eltern, die noch den Krieg oder die Nachkriegszeit erlebt haben, einen auch von einigem abgeschirmt (das ist aber sicher unter anderem vom Alter abhängig, wie stark und in welchem Maß).
Vielfach war ja auch die Nachrichtenlage eher mau, es war schwierig, bei Tschernobyl wirklich was Verbindliches rauszukriegen. Aber um den ganzen Themenkomplex Umwelt und Friedensbewegung geht's auch erst ein bisschen später im Buch... Da will ich jetzt nicht vorgreifen
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Zitat
Original von streifi
Im grossen und ganzen war es eine Sorgloszeit für mich. Sicher war mir klar, dass es Terroristen gibt und sauren Regen. Und dass theoretisch jeden Tag eine Atombombe hochgehen könnte. Was mir im übrigen die meiste Angst gemacht hat.Ich habe mich umso mehr gegruselt, als die schlimmste Befürchtung der Umweltbewegung, Atomkraftwerk explodiert, wahr geworden ist. Da war ich zwölf, und zum Geburtstag gab's prompt Gudrun Passzwangs "Die letzten Kinder von Schewenborn" und im Folgejahr dann "Die Wolke". Ich konnte nachts nicht schlafen, das war definitiv zu viel für mein kindliches Gemüt... Hat mich aber für immer geprägt ... Ich bin dann auch immer eher Öko gewesen und gehe heute noch auf Demonstrationen...
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Zitat
Original von Johanna
Ich muß mir am Wochende mal meine alten Kassetten heraussuchen.
Also nicht die Hörspiele, da hatte bzw. habe ich hauptsächlich ??? Kassetten.
Hörspiele hatte ich ja noch auf Schallplatte.
Aber die selbstzusammengebauten. Die vom Radio aufgenommenen, oder auch vorm Fernsehen.Das hab ich tatsächlich gemacht, da es ja noch keinen Videorecorder gab.
Meinen Kassettenrekorder vor den Fernseher - eine Folge Unsere kleine Farm aufgenommen, dabei angesehen und wehe, jemand gab einen Mucks von sich.
Trotzdem war hinterher immer alles voller NebengeräuscheIch muß mal gucken, ob ich diese alten Aufnahmen noch habe
Oh ja - bitte! Und erzähl mal, was dir so über den Weg gelaufen ist!!