Der Autor: Joost de Vries studierte Geschichte und Journalismus und war Kulturredakteur einer Zeitung, bevor er mit dem Schreiben - von Romanen natürlich, geschrieben hat er vorher schon - begann!
(Lee Morgan und George Benson sind als Rezensionsbegleiter absolut ungeeignet! Mal sehen was der frühe Miles Davis beitragen kann!)
Das Buch: Als Historiker ist Josip Birk zwar angesehen, aber durchaus nicht unumstritten, wie es bei Wissenschaftlern die sich der Erforschung Hitlers verschrieben haben öfters vorkommt.
Als der Gute eines Tages aus einem Hotelzimmer fällt nimmt sein Freund und Schüler Friso de Vos natürlich an, das es nun ihm zufällt das Erbe seines Mentors anzutreten und dieses in der Öffentlichkeit zu vertreten.
Doch da ist schon einer, der genau das tut. Jemand von dem Friso noch nie gehört hat, den die Medien allerdings als legitimen Thronfolger feiern, der seine profunden Kenntnisse über Brik als Mensch, als Forscher und als Freund in alle ihm entgegengereckten Mikrofone spricht!
(Jeah, Miles funktioniert! Seeehr inspirierend...)
Friso kennt diesen Mann nicht, aber er mag ihn nicht, diesen unbekannten Emporkömmling der ihm nicht nur das ihm zustehende Erbe streitig macht, er nimmt ihm quasi auch das, was ihn so lange ausmachte, ein Stück seiner Identität.
Als Friso auf einer Konferenz, zu der sie beide geladen sind, mit dem unbekannten Widersacher verwechselt wird dreht Friso den Spieß kurzerhand um.....
Meine Rezension: Das klingt spannend, oder? Wie eine richtig tolle Geschichte....
Nun ja, diese Handlung ist nicht vollkommen unwichtig, allerdings......
Ich will es mal so erklären: Stellt euch eine Wäscheleine vor, meinetwegen mag sie rot sein (vonswegen "Roter Faden" und so....) , wobei die Farbe keine Rolle spielt, die Metapher funktioniert auch mit einer gelben Leine .....
Ok, an dieser Leine hängen nun viele bunte Wäschestücke und schaukeln lustig im Wind.
Natürlich ist die Leine wichtig, den ohne sie hätten wir, Wind hin oder her, nur einen bunten Wäschehaufen. Und sowas ist nun wirklich nicht interessant.
Wichtig ist hier vor allem die Wäsche, die Leine - die oben geschilderte Handlung - tritt dabei eher in den Hintergrund, reduziert auf eine Funktion, aber darüber hinaus nicht von Bedeutung.
Tatsächlich haben wir hier einen ebenso anspruchsvollen wie unterhaltsamen Schelmenroman, eine moderne Eulenspiegelei, die es wahrhaft in sich hat! Die Diskussion um Geschichte - vor allem unsere! - und ihre Deutung im Spiegel der (populären) Kultur und ihrer sich ändernden Wahrnehmung und damit der Bewertung verlangt dem Leser durchaus einiges ab. Es macht allerdings einen ungeheuren Spaß sich vorbehaltlos auf diese Thesen, Theorien und Denkmodelle einzulassen und dem Autor zu folgen und einfach mitzuspielen.
Natürlich ist dieser Teil unserer Geschichte und eine künstlerische Auseinandersetzung damit gerade für uns nicht ohne Probleme. Und de Vries wagt sich beim Niederreißen von Grenzen weiter vor als ich persönlich das auf diesem Niveau bisher lesen durfte - was allerdings durchaus auch etwas befreiendes hat.
Es oblag schon immer der Kunst, Grenzen niederzureißen, Denkmuster zu hinterfragen und den "Meinungs- Status-Quo" herauszufordern - nicht selten wurden die Künstler von Zeitgenossen gescholten und geschmäht, bis sehr oft das eben noch revolutionäre - oder ketzerische - im Mainstream aufging.
Jost de Vries verfügt über genug Wissen und Bildung, um dieses Buch zu einem durch seine Fabulierlust ungestümen Leseerlebnis zu machen (Mist, Miles hat fertig..... )
dem man sich nicht entziehen will, gespannt folgt man ihm Seite um Seite durch immer neue Bilder und Gedankenspiele.
Ich hatte das Glück und da Privileg den Autor im Rahmen einer Veranstaltung des Heyne-Verlags kennenlernen zu dürfen - allerdings vor der Lektüre des Buches. Allerdings haben mich seine Schilderungen an dem Abend bei der späteren Lektüre durchaus bereichert.
Joost de Vries ist eine meiner (wenigen.... Zu wenigen!) Neuentdeckungen 2016 - und ich bin Sicher das wir von ihm noch so einiges zu lesen kriegen werden!