Wenn der Weg der Dankbarkeit und Ehre immer angenehm und bequem wäre, dann wäre es kein großes Verdienst, ihm zu folgen; aber er führt oft in entgegengesetzte Richtung als unser eigennütziges Verlangen und widerstrebt mitunter auch unserem besseren Empfindungen. (Seite 417)
Meine gelesene Ausgabe:
Originaltitel: Waverly, or, ‘Tis Sixty Years Since
Aus dem Englischen von Gisela Reichel
Nachwort, Anmerkungen, Zeittafel und Literaturhinweise von Kurt Gamerschlag
597 Seiten, kartoniert
DTV Verlag, München 1982
ISBN-10: 3-423-02105-5
ISBN-13: 978-3-423-02105-0
Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)
Die dem Roman den Namen gebende Hauptfigur, Waverly, ist Erbe des gleichnamigen großen Gutes. Seine Familie war seit jeher Anhänger der vertriebenen Stuarts. Er erhält ein Offizierspatent und wird mit seiner Einheit nach Schottland geschickt.
Während seines Urlaubes lernt er dort Mr. Bradwardine, einen alten Freund seines Onkels, sowie dessen Tochter Rose kennen. Kurz darauf macht er die Bekanntschaft von Clanchef Fergus Mc-Ivor und dessen Tochter Flora. Durch ein Mißverständnis reicht er seinen Abschied bei der Armee ein, schlägt sich im beginnenden Jakobitenaufstand auf die Seite der Anhänger des zurückgekehrten Charles Edward Stuart und nimmt an den Kämpfen mit der Armee des Königs teil. Als die Sache der Aufständischen verloren zu gehen droht, ist auch seine Lage nahezu aussichtslos.
Über den Autor
Walter Scott wurde am 15. August 1771 in Edinburgh geboren. Wegen einer Kinderlähmung-Erkrankung blieb sein rechtes Bein gelähmt. Er studiert Jura; nach dem Abschluß unterrichtet er moderne Sprachen. 1796 erste anonyme Veröffentlichung einer Übersetzung; 1797 heiratet er Charlotte Charpentier, mit der er fünf Kinder hatte. Er beginnt schriftstellerisch sowie als Übersetzer (u. a. Götz von Berlichingen) zu arbeiten. 1799 wird er zum stellvertetenden Grafschaftsrichter von Selkirkshire ernannt. 1806 erhielt er den Posten eines Sekretärs am Edinburger Gerichtshof, der ihn zeitlich nur wenig beanspruchte, weswegen er sich seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmen konnte. 1820 wurde er Baronet, 1826 machte sein Verleger, mit dem er auch finanziell verbunden war, bankrott, so daß er sein Vermögen verlor. Er lehnte jedoch Hilfe ab und wollte die Schulden aus eigener Kraft zurückzahlen. Hierbei hat er sich kräftemäßig verausgabt; nach mehreren Schlaganfällen starb er am 21. September 1832 und wurde in Dryburgh Abbey begraben.
Informationen im Internet:
- < Klick > - die Wikipedia-Seite zum Roman
- < Klick > - der Wikipedia-Artikel zum Autor
- < Klick > - Walter Scott beim Gutenberg-Projekt
- < Klick > - das Walter Scott Digital Archive der Edinburgh University Library (in englischer Sprache)
- < Klick > - der Wikipedia-Artikel zum (2.) Jakobitenaufstand
Meine Meinung
Es hat mich zunächst verwundert, als ich nach dem Buch, das sich nicht in meiner Bibliothek befand, zu suchen begann, daß es anscheinend seit Jahren keine richtige lieferbare Verlagsausgabe von „Waverly“ mehr gibt. Im Nachwort wird Walter Scott als „der große Ungelesene“ bezeichnet, zu dem er im Laufe der verstrichenen Jahrzehnte geworden ist. In der Tat ist das Buch, mit dem Scott das Genre des historischen Romans begründete, für heutige Lesegewohnheiten zumindest ungewöhnlich und auf jeden Fall nicht einfach so „wegzulesen“. Von Anfang an erfordert die Lektüre volle Aufmerksamkeit und vor allem erst einmal Geduld, denn es dauert runde hundert Seiten, etwa ein Fünftel des gesamten Buches, bis die Handlung in Fahrt kommt, bis die „langsame Einleitung“, wie man es bei einer Sinfonie bezeichnen würde, zu Ende ist. Ich habe in dieser Zeit selbst des öfteren ans Abbrechen gedacht, aber dann doch immer „noch ein Kapitel“ gelesen - und bin mehr als froh darum. Denn das Durchhalten hat sich wirklich gelohnt.
Scott schreibt in einem wunderschön altmodischen Stil, der so recht zur Handlung paßt, die im Jahre 1745 angesiedelt ist. Dabei hatte er von Anfang an eine eher gebildetes Publikum im Kopf, denn der Roman ist gespickt mit literarischen Zitaten und Anspielungen sowie (im Original) mit Einsprengseln in lateinischer, französischer und italienischer Sprache, welche in meiner Ausgabe zum Glück auf Deutsch wiedergegeben werden. Es empfiehlt sich daher, ist man kein Experte in Literatur- und sonstiger Geschichte, eine Ausgabe mit Anmerkungen, die auf diese Verweise hinweist und sie erläutert. Günstig ist auch, wenn man sich mit britischer bzw. schottischer Geschichte und Struktur zumindest in Ansätzen auskennt oder sich zuvor kurz kundig macht (was in meiner Ausgabe durch das Nachwort möglich ist).
Es dauerte, wie gesagt, geraume Zeit, bis ich in dem Roman „zuhause“ war. Das Durchhalten hat sich aber mehr als gelohnt. Nicht nur vermag das Buch ein Gefühl für die Verwicklungen und Lebensumstände im schottischen Hochland um 1745 zu vermitteln, immer wieder flicht Scott auch Bezüge zu seiner Gegenwart, also die Zeit zwischen etwa 1805 und 1814, ein; verweist auf die Veränderungen in die eine wie die andere Richtung. Er spricht das im Nachwort auch selbst an: „Älteren Lesern wird es Ereignisse und Personen ins Gedächtnis zurückrufen, die ihnen in ihrer Jugend vertraut waren; und der heranwachsenden Generation kann es eine Vorstellung vom Leben ihrer Vorfahren vermitteln.“ (S. 550)
Es versteht sich, daß Scotts Stil sich vom heute üblichen unterscheidet. Er erzählt bisweilen weitschweifig, macht immer wieder Schlenker, läßt solcherart aber ein recht umfassendes Bild seiner Figuren und der Landschaft, in der sie unterwegs sind, erstehen. Haupt- wie Nebenfiguren haben und bekommen ihre Geschichte; manches, was man zunächst als unwichtig ansehen mag, gewinnt im Verlauf der Handlung an Bedeutung und ist wichtig zu wissen. Scott hat seinen Roman sehr gut durchkomponiert.
Der Held der Erzählung, Edward Waverly, muß im Verlauf eine gehörige Entwicklung vom sorglosen Jugendlichen zum verantwortlichen Erwachsenen durchmachen. „Er fühlte sich berechtigt, mit Entschlossenheit, wenn vielleicht auch seufzend, zu sagen, daß das Märchen seines Lebens zu Ende war und die wirkliche Geschichte nun begann. Er kam bald in die Lage, diese Behauptung durch Vernunft und Gleichmut beweisen zu müssen.“ (S. 455) Ob er diese „Vernunft und Gleichmut“ nun erreicht hat, was aus seinen Bekanntschaften im schottischen Hochland geworden ist, und wer gar den fürchterlichen Krieg überlebt hat, sei hier natürlich nicht verraten; das alles wird bis zum Endes des Buches in aller notwendigen Deutlichkeit ausgeführt. Es lohnt sich durchzuhalten und einzutauchen in eine Geschichte aus längst vergangenen Tagen
Mein Fazit
Nach etwas schwerfälligem und umständlichem Beginn entführt Walter Scott in die Welt der schottischen Highlands des Jahres 1745, mitten hinein in den Jakobitenaufstand und die Zeit danach. Der noch heute lesenswerte erste Roman von Walter Scott, mit dem er den Romantyp des historischen Romans begründet hat.
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