Es war einmal Aleppo - Jennifer Benkau [12 - 15 Jahre]

  • Über den Autor:
    Jennifer Benkau, Jahrgang 1980, ist erfolgreiche Autorin und schreibt Fantasy- und Jugendromane sowie psychologische Thriller. 2013 erhielt sie den DELIA- sowie den UH!-Literaturpreis. Sie ist Mitglied des Autorenlabels INK REBELS (ink-rebels.de).
    Jennifer Benkau lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und vielen Tieren im Rheinland.


    Kurzbeschreibung:
    Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Antonia kommt mit ihrer Familie aus dem Urlaub, und plötzlich leben mehrere hundert Flüchtlinge nebenan.
    Klar – irgendwo müssen sie unterkommen. Aber ausgerechnet hier?
    Doch dann trifft Toni auf Shirvan. Und mit jeder skeptischen Frage, die sie ihm stellt, wird die Sache verzwickter.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch behandelt ein Thema, das uns alle seit gut einem Jahr beschäftigt, die Flüchtlingskrise und ihr Umgang damit. Jennifer Benkau beschreibt in ihrem Buch den Alltag einer Flüchtlingsunterkunft, die Schwierigkeiten der Helfer bei ihrer Arbeit, den Alltag der Flüchtlinge, die vieles nicht verstehen, sei es weil sie kein deutsch oder englisch sprechen, oder weil ihnen die deutsche Kultur einfach fremd ist.
    Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive von Toni, einer 16-jährigen die direkt neben der Erstaufnahmeeinrichtung lebt und bei der Rückkehr aus dem Urlaub davon überrascht wird.
    Ihre Familie spiegelt das wieder, was bei vielen in den Köpfen vorgeht, wenn es um Flüchtlinge geht: Angst vor dem Fremden, Bedenken wegen der Sicherheit, das berühmte Flüchtlingen muss geholfen werden, aber doch bitte nicht vor meiner Haustür. All das, über das überall wieder diskutiert wird, auch ich habe diese Diskussionen bereits geführt.


    Ich fand dieses Buch einfach grandios. Jennifer Benkau schafft es zu berühren. Man kann sehr gut nachvollziehen, warum Toni handelt wie sie handelt, aber auch das Verhalten von Shirvan und den anderen Flüchtlingen in der Einrichtung sind verständlich.
    Nebenbei erfährt man aus Shirvans Erläuterungen auch, was in Syrien passiert und warum es nicht so einfach ist den Krieg da unten zu beenden.
    Ich hoffe sehr, dass das Buch vielleicht auch an Schulen gelesen wird, meines Erachtens kann so dieses schwierige Thema altersgerecht vermittelt werden.


    Für mich ist dieses Buch definitiv eins meiner Jahreshighlights, ich werde es sicher weiterempfehlen und es, sobald eine Printausgabe erscheint, auch verschenken.


    Von mir 10 von 10 Punkte


    Edit: Ich habe den Thread verschoben, da es sich hier um ein Jugendbuch handelt. LG JaneDoe

  • Oh, vielen Dank für die schöne Rezension, streifi. :knuddel1
    Dieses Buch bedeutet mir so viel und jede Rezension bereitet mir Herzklopfen wie ein Blind Date.
    Booklooker & Richie, euch wünsche ich schöne Lesestunden :lesend


    Das Printbuch ist übrigens jetzt im VLB eingetragen und erscheint Anfang Dezember.
    Der Amrun Verlag, der die Printlizenzen hat, bietet es im Shop schon an, in Kürze ist es überall vorbestellbar, auch in jeder Buchhandlung. :wave

  • Ich habe es heute beendet und fand es einfach toll - bewegend, berührend und vor allem wurde die Geschichte von Toni mit der Realität gekonnt verknüpft.


    Diesem Buch wünsche ich noch viele Leser, egal ob Jugendliche oder Erwachsene. Da es in ein paar Tagen die Printausgabe geben wird, finden sich bestimmt noch mehr begeisterte Leser.


    Von mir 10 Eulenpunkte

  • Eigentlich bin ich eine Leseschnecke und meistens braucht ein solches Buch von 500 Seiten einige Tage - aber bei diesem gibt es kein „eigentlich“ und es war in einem für meine Verhältnisse rekordverdächtigen Tempo ausgelesen…


    Als ich eine ungeplante längere Zugreise in Angriff nehmen sollte, war ich froh, dass ich ein ungelesenes Buch dabei hatte. Ich machte es mir also im Zug mit „Es war einmal Aleppo“ gemütlich, legte Wasser und Vesper bereit und begann zu lesen… Plötzlich waren wir schon in Zürich und ich musste mich sputen, meine sieben Sachen rechtzeitig für den Umstieg einzupacken. Gegessen und getrunken hatte ich schon Mal nix – das hatte ich glatt vergessen. Obwohl sich eine solche Reise, die man alleine antritt, immer ewig hinzieht, war ich in diesem Falle froh, dass ich noch einige Stunden Bahnfahrt vor mir hatte und ich gleich weiter lesen konnte.


    Während dem Lesen sind mir mindestens 100.000 Gedanken im Kopf rum geschwirrt und dieses Karussell hat auch nicht aufgehört sich zu drehen, wenn ich den Reader Mal beiseitelegen musste. Es sind viele Informationen, die manchmal etwas auf mich eingestürmt sind. Gleichzeitig habe ich diese Informationen in mich aufgesogen und habe begonnen, einige Zusammenhänge viel besser zu verstehen. Ich hatte mich schon davor an der einen oder anderen Diskussion zur Flüchtlingsthematik beteiligt – aber eben nur mit meinem fundierten Halbwissen. Der Autorin ist es mit diesem Buch jedoch gelungen, mich an die Hand zu nehmen und mir einiges zu erklären, damit ich manches klarer sehen und vor allem verstehen kann.


    Das klingt jetzt möglicherweise recht trocken – aber „Es war einmal Aleppo“ ist alles andere als das. Diese Infos sind in eine Geschichte eingebettet, die so lebendig und bestechend erzählt wird, dass ich den Reader immer höchst ungern und gezwungenermassen beiseitelegte. Die Figuren sind realistisch und mit vielen Facetten und in den unterschiedlichsten Farben gezeichnet. Ich bin mir sicher, dass jeder Leser sich wiederfinden kann. Sicher, es ist auch eine Geschichte, auf die man sich einlassen muss. Man muss bereit sein, auch Mal unbequeme Wahrheiten zu erfahren und man muss bereit sein, auch sich selber und seine Einstellungen und Gedanken zu hinterfragen.


    Jennifer Benkau ist es aber in all dem eigentlich Unaussprechlichen gelungen, mir immer wieder Mal ein Lächeln zu entlocken. Die Geschichte zwischen Toni und Schirvan ist so einfühlsam erzählt, dass sie einem unter die Haut geht und im Buch findet der aufmerksame Leser immer wieder kleine Zeichen der Hoffnung. Oftmals sind mir Szenen sehr nahe gegangen und ich hatte während dem ganzen Buch immer wieder dicke Klösse im Hals und so manche Träne ist geflossen.


    In meinen Augen ist dieses Buch ungemein wichtig und ich hoffe, dass es noch sehr viele Leser finden wird. Zur Autorin sage ich jedenfalss einfach DANKE für dieses grandiose, bewegende, gleichzeitig informative Buch. Jennifer Benkau hat mich mitten ins Herz getroffen – und in den Verstand!


    Daher vergebe ich auch 10 Eulenpunkte.

  • Eine bewegende Geschichte! An einigen Stellen hat mich dieses Buch furchtbar traurig und betroffen gemacht, an anderen ist mir das Herz aufgegangen.Der Autorin ist es wunderbar gelungen, reale Informationen mit den fiktiven Erlebnissen von Toni zu verflechten. Obendrein gibt es einen schönen Einblick in die syrische Küche. Ein echtes Highlight gleich zum Jahresanfang! Ich vergebe sehr gerne 10 von 10 Eulenpunkten.

  • Wie reagiert man, wenn vor der Haustür über Nacht eine Unterkunft für Flüchtlinge entsteht? Mit diesen spannenden Roman kann der Leser es miterleben und durch die authentische Schilderung ist man ganz schnell mittendrin im Geschehen. Das Aufeinandertreffen zweier Kulturen wird durch die beiden Protagonisten Toni und Shirvan einfühlsam beschrieben.
    In diesen lesenswerten Roman verarbeitet die Autorin ihre Erfahrungen mit geflüchteten Menschen und gibt ihnen ein Gesicht. Dies ist ihr hervorragend gelungen.


    Jennifer Benkau hat hier einen berührenden und informativen Jugendroman geschrieben, den man noch sehr viele Leser wünscht.
    Klare Leseempfehlung!


    10 Eulenpunkte

  • Über den Syrienkonflikt mit den vielen Meldungen und den politischen Verwicklungen einen einigermaßen realistischen Eindruck zu bekommen ist für mich fast unmöglich. Jennifer Benkau hat die Hintergründe dieser humanitären Katastrophe, die in einer beispiellosen Flüchtlingswelle mündete sehr gut und verständlich aufbereitet. Sie bringt dem, von vielen Schreckensmeldungen in den Medien abgestumpften Lesern, das Leid und persönliche Schicksal einiger ausgewählter Protagonisten nahe. Sie webt dafür eine Geschichte, die man sehr gut nachempfinden kann und die trotz des ernsten Hintergrundes auch unterhält mit Stellen, über die man auch mal schmunzeln kann oder wo einem vor Rührung die Tränen kommen. Erhobene Zeigefinger oder missionarischen Eifer sucht man vergeblich.
    Ich kann dieses Buch von ganzen Herzen empfehlen und hoffe, dass es viele Leser findet.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Titel: Es war einmal Aleppo
    Autorin: Jennifer Benkau
    Verlag: Ink Rebels.
    Erschienen: Dezember 2016
    Seitenzahl: 510
    ISBN-10: 395869277X
    ISBN-13: 978-3958692770
    Preis: 14.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Antonia kommt mit ihrer Familie aus dem Urlaub, und plötzlich leben mehrere hundert Flüchtlinge nebenan. Klar – irgendwo müssen sie unterkommen. Aber ausgerechnet hier? Doch dann trifft Toni auf Shirvan. Und mit jeder skeptischen Frage, die sie ihm stellt, wird die Sache verzwickter.


    Die Autorin:
    Jennifer Benkau, Jahrgang 1980, ist erfolgreiche Autorin und schreibt Fantasy- und Jugendromane sowie psychologische Thriller. 2013 erhielt sie den DELIA- sowie den UH!-Literaturpreis. Sie ist Mitglied des Autorenlabels INK REBELS (ink-rebels.de). Jennifer Benkau lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und vielen Tieren im Rheinland.


    Meine Meinung:
    499 gelesene Seiten liegen hinter mir.
    Und was kann ich nun zu diesem Buch sagen? Positiv ist mir aufgefallen, wenigstens ist das mein Eindruck, das jede dieser 499 Seiten von der Autorin mit Herzblut geschrieben wurde. Sie macht ihren Leserinnen und Lesern nichts vor, sie bringt sich ein, das was sie schreibt wirkt ehrlich. Offenbar wurde ihre Hand, die Hand die die Feder hielt, geführt von viel ehrlichem Gefühl – vielleicht auch manchmal von ein wenig zu viel Gefühl.
    Nicht alles ist Emotion – bei allem Fühlen darf nie die Realität aus den Augen verloren werden.
    Und nicht alles ist einfach nur Schwarz oder Weiß.


    Und da komme ich schon zu meinem ersten Kritikpunkt. Mir fehlen oftmals die Zwischentöne – das Grau im täglichen Leben; grau jetzt nicht als Farbe, sondern als Zustand.
    Mag sein, dass ich es überlesen habe, aber es wird unterschieden zwischen Flüchtlingen und Asylbewerbern. Asyl kann nur der beantragen, der politischer Verfolgung ausgesetzt ist. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in einem Land sind kein Asylgrund.
    Diesen Menschen kann allenfalls für eine begrenzte Zeit Zuflucht gegeben werden; die Rechte eines anerkannten Asylbewerbers haben sie allerdings nicht.
    Gerade in diesen sehr emotionalen Auseinandersetzungen sollte man sich auf die rechtliche Komponente zurückziehen. Recht ist sachlich, taugt nicht für emotionale Ausraster – sondern beurteilt Sachverhalte nüchtern und emotionslos. Und nur auf einer solchen Basis ist offenbar zurzeit eine Sachdiskussion noch möglich.


    Und gerade diese Sachlichkeit kommt mir in diesem Buch zu kurz. Wobei ich natürlich nicht verkenne, dass es sich hier um ein Buch für Jugendliche handelt. Aber auch jungen Menschen sollte man immer klar sagen was Sache ist – ohne Abstriche und Beschönigungen.


    Man muss auch aufpassen, dass man die Dinge nicht zu verklärt sieht. Das passiert wenn man die notwendige Distanz vermissen lässt, wenn man ggf. nur die eine Seite sieht. Man sollte die Probleme, und es gibt erhebliche Probleme, nicht aus den Augen verlieren. Ein Umstand, der mir in diesem Roman einfach zu kurz kam.


    Vieles in diesem Roman ist mir einfach zu plakativ. Oftmals nur eine Aneinanderreihung von Klischees. Klischees beschreiben die „gute“ Seite, Klischees beschreiben die „böse“ Seite. Man findet dort genau das, was man teilweise an Agitation auf den einschlägigen Seiten im Internet lesen kann. Etwas salopp ausdrückt: TAZ vs. JUNGE FREIHEIT.


    Das Menschen vor dem Krieg aus ihrer Heimat fliehen ist verständlich. Und wie viele Menschen weltweit auf der Flucht sind, kann dem Flüchtlingsreport des UNO-Flüchtlingskommissars entnehmen. Es sind unglaublich viele Menschen.


    Und zu dieser Problematik fehlt mir in diesem Buch einfach mal die Einlassung, dass die Welt endlich beginnen sollte, die Ursachen der Flucht zu beseitigen. Potentiellen Flüchtlingen kann am besten damit geholfen werden, dass man ihre Heimatländer wieder sicher für jedermann resp. jederfrau macht.
    Man hilft den Flüchtlingen aber sicher nicht dadurch, dass man sie glorifiziert, wie es teilweise in diesem Roman geschieht.


    Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist die Ich-Erzählerin, Antonia, 12 Jahre alt. So wie sie sich verhält, so wie sie redet – müsste sie mindestens 16 Jahre alt sein.
    Ich habe mich daran erinnert wie es war, als ich 12 Jahre alt war. Das war die Zeit, als der Vietnam-Krieg begann täglich Gast in der Tagesschau zu sein. Aber haben wir uns dafür sehr interessiert? Für die politischen Zusammenhänge? Für das was genau dort überhaupt passierte? - Wenig, denn wir waren Kinder – unsere Interessen lagen woanders.


    Mir hat auch gefehlt, eine Exkursion in die jüngste Geschichte Syriens. Die Rolle der Baath-Partei Syriens. Die Rolle des Vaters von Baschar al-Assad, Hafiz al-Assad. Denn wenn man genau hinschaut, dann hat der Krieg in Syrien seine Wurzeln mit der Übernahme der Präsidentschaft durch Hafiz al-Assad im Jahre 1971.


    So bleibt vieles in diesem Roman nur an der Oberfläche.


    Fazit: Sicher ein notwendiges Buch – ein Jugendbuch, das es leider versäumt gnadenlos Klartext zu reden. Jugendliche muss man nicht schonen, sie können gern die Realität zur Kenntnis nehmen. Ein Roman bei dem es nur Schwarz oder Weiß gibt, Zwischentöne sucht man vergeblich.
    Trotzdem verdient die Autorin Respekt für dieses Buch. Sie hat ihre Sicht der Dinge dargelegt – und es steht allen frei, ebenfalls ihre Sicht der Dinge zu schildern. Und auch dieser Roman beweist, es gibt immer mehr als nur eine Sicht auf die Dinge.


    Ein lesenswertes Buch, ein Roman über den es sich lohnt zu diskutieren. Knappe 6 Eulenpunkte für eine ohne Frage stilistisch sehr ordentliche Leistung. Inhaltlich habe ich ein paar Bauchschmerzen gehabt, aber das ist ausschließlich meine Befindlichkeit.


    In einer Diskussion über meine Leseeindrücke sehe ich wenig Sinn. Ergebnis wäre wahrscheinlich eh nur der Vorwurf des Rechtspopulismus. Also, lassen wir das.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Vielen Dank für deinen Leseeindruck, den ich übrigens teile, Voltaire.
    Mir ist es an vielen Stellen auch zu einseitig, bzw. zu schwarz-weiß. Und ich tue mich ein bisschen schwer mit der Erklärung, dass das ja schließlich ein Jugendbuch sei. Ich traue da vielen Jugendlichen mehr zu.
    Hieraus allerdings abzuleiten, man könnte evtl. "rechtspopulistisch" sein, fände ich persönlich starker Tobak (ehrlich gesagt finde ich diesen Gedanken allein schon sehr irritierend). Ich bin alles andere als das.
    Vor der Arbeit, ihrem Engagement und auch der Sichtweise der Autorin auf dieses Thema, habe ich allerdings großen Respekt. Und man liest ihre Leidenschaft und ihr Anliegen aus jedem Satz heraus.


    Toni ist übrigens 16. :wave

  • Danke für eure Eindrücke Saiya und Voltaire.


    Ich persönlich habe lange überlegt ob ich das Buch lesen soll. Überlege noch immer.


    Ich gehöre, was die Thematik des Buches anbelangt, bekanntlich zur kritischen Fraktion, distanziere mich jedoch ganz klar von rechtem Gedankengut. Leider wird das kritischen Menschen schnell nachgesagt.


    Daher weiß ich nicht recht, ob das Buch etwas für mich ist. Ich denke, ich warte einfach noch ein paar Meinungen ab.

  • Vielen Dank für die Rezi, Voltaire. Ich habe das EBook gelesen und war bisher im Unklaren, wie ich eine Rezi formulieren soll. Aber jetzt brauche ich nur bei Voltaire zu unterschreiben.


    Die erste Hälfte fand ich super! 10 Punkte. Aber die zweite Hälfte war mir zu kuschelig weich - zu harmonisch, 5 Punkte. :wave

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein


  • Ob man der Thematik kritisch gegenüber steht oder nicht, spielt bei dieser Geschichte eine untergeordnete Rolle. Zumindest trifft das auf mich zu. Es kommt wohl eher darauf an, wie tief man im Thema drinsteckt und vielleicht auch auf das Umfeld. Ich selbst gehöre ja eher zur sog. "Wir-schaffen-das-Fraktion". Die vielen Informationen, die die Geschichte enthält, sind ja nicht falsch und können sicher auch helfen Vorurteile abzubauen. Einen "Lese-Versuch" ist es deshalb ganz sicher wert. Ich werde das Buch auch weiter empfehlen.

  • Euch allen DANKE für eure Eindrücke!


    Zitat

    Original von Voltaire
    In einer Diskussion über meine Leseeindrücke sehe ich wenig Sinn. Ergebnis wäre wahrscheinlich eh nur der Vorwurf des Rechtspopulismus. Also, lassen wir das.


    Ich habe vor längerer Zeit mal beschlossen, dass die Rezensionsthreads den Lesern gehören und ich mich hier nicht äußere. Dafür gibt es die Leserunden.
    Aber da ich schon zwei besorgte Nachrichten bekommen habe, und gefragt wurde, ob der Verdacht des Rechtspopulismus aufkommt, wenn man das Buch ktitisch sieht, mache ich hier eine Ausnahme.


    Nein. Nein, und dazu besteht auch kein Grund zur Sorge.
    Ich habe in meinem Leben noch niemandem den Vorwurfs des Rechtspopulismus' gemacht, der sich nicht rechtspopulistisch geäußert hat, ich habe es nicht vor und ich würde es auch nicht in von mir begleiteten Leserunden dulden.


    Davon ab ist das ein Roman. Unterhaltungsliteratur. Er erhebt weder den Anspruch, in jeglicher Hinsicht objektiv zu sein, denn er wird aus der Perspektive einer (menschlich) subjektiv wahrnehmenden Figur erzählt, noch den der Vollständigkeit über das gesamte Spektrum der Thematik (denn dann hätte er 5000 Seiten und das wäre sehr unbequem zu lesen :grin ). Aber das nur am Rande, bin schon wieder weg. Euer Raum :-]

  • Jennifer Benkau schafft es ein aktuelles, heikles Thema sehr gut und begreiflich umzusetzen. Ihr sehr guter Schreibstil lässt einen von der ersten Seite an mitfiebern, mitleiden und mitschmunzeln, mitfreuen. Zu keiner Zeit ist das Buch übertrieben oder langatmig.


    Eine Durchschnittsfamilie kommt aus dem Urlaub wieder und hat ein Flüchlingscamp vor ihrer Tür. Was mir gefällt, ist, die unterschiedliche Einstellung der Familie gegenüber den Flüchtlingen. Hier kann man wirklich alle Aspekte sehen, die gegen oder für das Thema stehen. Die unterschiedlichen Reaktionen sind schon sehr krass und man bekommt wirklich von allen Seiten einen Einblick.


    Ein rundum sehr gelungenes Buch um das Thema Flüchtinge und Wirtschaftsflüchlinge, über die verschiedenen Einstellungen der Deutschen, der Politik, die Hilfslosigkeit und die Helferbereitschaft, alles ohne große Umschweife dargestellt. Das ganze eingeflochten in eine beginnende Liebesgeschichte zwischen einer Deutschen und einem Syrer.


    Fiktive Charaktere, reale Informationen über die Geschehnisse in Syrien, aber auch anderen Ländern, die Flucht an sich und die Länder, durch die die Flüchtlingen gekommen sind, vermischen sich zu einer interessanten Geschichte, die bewegt, positiv und negativ. Es gibt Geschehnisse zum Schmunzeln, Geschehnisse, die wütend machen, Geschehnisse, die einen sehr traurig machen, Geschnisse, die betroffen machen. Ein kleines Highlight für mich: der Einblick in die syrische Küche.


    Ich finde es sehr gut, wie hier dieses Thema langsam nach und nach aufgerollt wird und im Laufe des Buches intensiviert wird, nicht zuviel, aber sehr verständlich.


    Ein sehr informatives und sehr berührendes Buch, dass Hoffnung macht. Volle Punktzahl und klare Leseempfehlung.

    :lesend Sven Koch - Dünensturm

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    Hörbuch: Jean-Luc Bannalec - Bretonische Idylle

    Hörbuch: Judith Lennox - Die Jahre unserer Freundschaft

    SuB: 321

  • Jennifer Benkau – „Es war einmal Aleppo“
    Rezension


    Als Toni mit ihrer Familie aus dem Urlaub zurückkommt, steht plötzlich eine Notunterkunft für Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft. Entsetzt beginnt ihr Vater, traumatisiert durch einen Überfall, Unterschriften dagegen zu sammeln, denn: „da wohnen ja nur gewaltbereite Männer.“ Toni schließt sich dem an, bleibt aber nachdenklich, wohingegen sich ihr Bruder mehr und mehr in Richtung rechte Szene orientiert.
    Von ihrer Freundin wird Toni dazu überredet, einmal mit in die Unterkunft zu kommen und ehrenamtlich zu helfen. Langsam verändert sich Tonis Blick auf die ganze Sache, sie lernt dort den jungen Syrer Shirvan kennen, der ihr viele Zusammenhänge erklärt und seine Heimat zeigt; Sie beginnt zu recherchieren, und stellt Fragen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte, unerlaubte Liebesbeziehung. Doch sie fliegen auf und Toni wird verboten, das Lager zu betreten. Jetzt braucht es eine wirklich gute Idee, um ihre Eltern umzustimmen…


    Meine Meinung:
    Es ist ein Jugendbuch, was sich flüssig lesen lässt, mit nachvollziehbar geschilderten Situationen, die wie aus dem Sommer 2015 gegriffen scheinen, dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise. Organisatorisches Chaos in den Unterkünften, Behördenversagen, Vorschriften.
    Jubel, Begeisterung und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, aber auch Berührungsängste, Hetze, Rassismus.
    Kriegs- und Fluchterfahrungen, Hoffnungen bei den Ankommenden. Das Dilemma der Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten, die manchmal so arm sind, dass sie sich zwischen Babymilch und Gasrechnung entscheiden müssen.
    Nichts wird ausgespart.
    Die ganze Geschichte ist aus Tonis Perspektive geschrieben, sodass der Leser ihren Wandlungs- und Lernprozess selbst glaubhaft durchmachen kann.
    Nicht jedes, aber viele Kapitel beginnen mit einem realen Tagesschau-Zitat oder einer fiktiven Textnachricht, die auf einen Aspekt der Flüchtlingskrise Bezug nehmen: Da sind verzweifelter werdende WhatsApp-Nachrichten an den Arzt im bombardierten Krankenhaus, die ohne Antwort bleiben oder auch Erleichterung nach der geglückten Überfahrt.
    Das Buch enthält wundervolle Einblicke in die syrische Küche und die glanzvolle Zeit Aleppos vor dem Krieg.
    Ein Roman, der geschrieben werden musste, um zu informieren und die Leute zu erreichen, die offen dafür sind, komplexe Themen von mehreren Seiten zu betrachten – erst recht, wenn sie sich vorher noch gar nicht damit befasst haben.
    Manchmal jedoch ist es Shirvan, der stört. Er ist der perfekt Englisch sprechende Musterflüchtling, der sofort alles erklären kann, passende Antworten parat hat und seine Kultur derart objektiv zu überblicken scheint, dass für mich hin und wieder doch durchschimmert, dass kein Araber, der damit verwachsen ist, dieses Buch geschrieben hat. Natürlich gibt es sehr liberale, tolerante und wissende Menschen, sogar sehr viele, aber für diese Art von Gesprächen zwischen Toni und Shirvan braucht es in der realen Welt viel Glück – und mehrere Leute.
    Das macht aber nichts, denn die Realität ist kein Roman und ich erwarte nicht, dass alle Neuankömmlinge meine Freunde werden – manchmal ist Toleranz auch ein friedliches Nebeneinander.


    Mit der Liebesgeschichte umgeht man auch geschickt Geschlechter- und Rollenkonflikte, die nicht ausbleiben können, ungeschriebene Gesetze, an denen du dich verletzt, wenn du sie brichst, wie ich selbst erfahren musste.
    Zum Abschluss möchte ich euch unbedingt noch etwas ans Herz legen, was das Buch ganz deutlich sagt:
    Geht demonstrieren, geht auf Mahnwachen, bedauert die Leidenden – und dann geht tanzen und tut fröhliche Dinge, wie auch die Leute vor dem Krieg sie taten, denn wer überleben will, der muss zuerst eines können: LEBEN!

    Lieblingsautoren u a: Alexander Moritz Frey, Hilary Mantel,...

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