EU Verfassung

  • Morgen ist der erste große Schicksalstag für die EU Verfassung. Frankreich stimmt über Annahme des Gesetzes ab. Vermutlich wird es ein Non geben. Ehrlich gesagt wäre ich darüber froh.


    Wie steht ihr zur EU Verfassung?


    Meine Meinung:


    Brüssel will hier einen Weg gehen, der wenn von den Bürgern mitgetragen werden muss. Brüssel sichert sich mit dieser Verfassung noch mehr Kompetenzen und wird daher die Politik noch weiter beeinflußen.
    Die Entwicklung geht klar von einem Staatenbund zu einem Bundesstaat, darüber sollte das Volk entscheiden, ob es das will.


    Dazu kommt noch der europäische Haftbefehl. Von nun an werden EU Bürger ausgeliefert. Im Prinzip nichts schlechtes, wenn ein Österreicher in Frankreich ein Verbrechen begeht kann das Verfahren von mir aus in Frankreich stattfinden. Das Problem: Die EU kann nun mit anderen Staaten Verträge darüber schließen, bereits mit USA gemacht, d.h. EU Bürger können dann an die USA ausgeliefert werden und unter Umständen dort auch die Todesstrafe erhalten.


    Nächster großer Punkt: es wird in Brüssel eine Verteidigungsbehörde eingerichtet, die den einzelnen Mitgliedsstaaten eine Rüstungspolitik vorschreiben kann. Das ist ein klares Zeichen von Aufrüstung, weil die EU in Zukunft Weltpolizei spielen kann. Angeblich ist bereits ein Einsatz im Kongo in Planung.
    Als die USA noch ihre Verteidigungsdoktrin erstellte, wurde von der EU scharf kritisiert, dass die USA sich nicht an den UN Sicherheitsrat gebunden sieht. Von der Bedeutung die selbe Bestimmung ist auch in der EU Verfassung, d.h. für einen Krieg wäre kein Mandat der UNO von nöten.

  • Ich wäre dafür das Volk direkt (und zwar nicht Staat für Staat, sondern Europaweit "Ein Bürger - Eine Stime") zu fragen.


    Fakt ist jedoch: Ohne diese Verfassung wird Europa zugrunde gehen.


    Ein Staat wie Malta könnte nach geltender Regelung Entscheidungen kippen, über die die übrigen 24 Staaten sich einig wären, da momentan immernoch die Einstimmigkeits-Regelung gilt, die bei 10 Mitgliedsstaten schon problematisch war.


    Europa braucht eine Verfassung, die das Zusammenleben von Menschen aus 25 Staaten "handlebar" macht.



    P.S. EU-Bürger werden sicherlich nicht ausgeliefert werden, wenn Ihnen die Todesstrafe droht... Immer schön die Kirche im Dorf lassen.

    "Warum ich?" fragte der Frosch.
    "Geschmackssache." sagte der Storch.

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  • Zitat

    Original von Woltri
    Ich wäre dafür das Volk direkt (und zwar nicht Staat für Staat, sondern Europaweit "Ein Bürger - Eine Stime") zu fragen.


    wäre natürlich am wünschenswertensten, aber leider hält man in Brüssel äüßerst wenig bis gar nichts von direkter Demokratie


    Zitat

    Fakt ist jedoch: Ohne diese Verfassung wird Europa zugrunde gehen.


    Ein Staat wie Malta könnte nach geltender Regelung Entscheidungen kippen, über die die übrigen 24 Staaten sich einig wären, da momentan immernoch die Einstimmigkeits-Regelung gilt, die bei 10 Mitgliedsstaten schon problematisch war.


    Europa braucht eine Verfassung, die das Zusammenleben von Menschen aus 25 Staaten "handlebar" macht.


    Ich bin nicht prinzipiel gegen eine Verfassung, nur nicht diese. Es wäre zwar sicher von Vorteil, wenn ziemlich bald eine vernünftige Verfassung vorhanden wäre, aber die EU ist durchaus noch ein paar Jahre ohne eine Verfassung lebensfähig.


    Seit dem Vertrag von Nizza gibt es nur noch in einigen wenigen Bereichen den Zwang der Einstimmigkeit. Im Rest ist schon überall Mehrheitsprinzip, also es müssen nur 13 Länder zustimmen.



    Zitat

    P.S. EU-Bürger werden sicherlich nicht ausgeliefert werden, wenn Ihnen die Todesstrafe droht... Immer schön die Kirche im Dorf lassen.


    Es wäre natürlich wünschenswert, aber es ist nach dieser Verfassung in Verbindung mit dem Abkommen mit der USA rechtlich möglich. Und allein das finde ich schon einmal äußerst bedenklich.

  • Da ich mal Jura studiert habe (lang ists her), stehe ich der EU-Verfassung sehr skeptisch gegenüber. Nur ein Staat der genau das tun, nämlich als "EIN" Staat auftreten will, gibt sich eine Verfassung. Es läuft tatsächlich auf Dauer auf einen Bundesstaat statt Staatenbund hinaus.
    Die Einstimmigkeitsregelung wäre auch ohne Verfassung änderbar gewesen, das ist nicht der Hauptgrund für die EU-Verfassung, aber damit lässt sie sich pressetauglich rechtfertigen...

  • columbo : Sehr gute Frage...


    Noch ne Frage ist "Wie nennt man denn das Konstrukt, das bisher gilt?"


    "Verfassung" ist ein Name.


    Verfassung muss nicht zwangsläufig einen Bundesstaat suggerieren.
    Gerade in einer Bundesrepublik, die gar keine "Verfassung" hat, sondern nur ein provisorisches Grundgesetz, das solange gelten soll, bis das gesamte deutsche Volk sich selbst eine Verfassung gibt (was nach Meinung vieler Grundgesetzexperten vor 15 Jahren hätte passieren müssen) weiß ich nicht, ob solche Begrifflichkeiten immer das meinen, was sie suggerieren.

  • Zitat

    Mal ganz frech gefragt: Was spricht denn gegen einen Europäischen Bundesstaat????


    Wenn man die EU in einen Bundesstaat umwandeln würde, würden alle Länder ihre Souverenität komplet verlieren. Hier geht es jetzt nicht darum, ob ein Bundesstaat EU positiv/negativ wäre, aber dafür sollte man mMn das Volk befragen, ob es das überhaupt will. Bzw. muss darüber in den meisten Ländern sogar das Volk abstimmen. Z.B. in Österreich wäre eine Volksabstimmung, wenn es zu einem Bundesstaat kommen würde, also zu einem echten, eine Volksabstimmung zwingend nötig. Wobei bereits jetzt ein großer Teil der Verfassungsrechtler der Meinung ist, dass für diese Verfassung ohne Volksabstimmung gar nicht möglich ist.
    (Haider will die Verfassung deshalb vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten)
    Ich denke dafür würde sich keine Mehrheit finden.


    Zitat

    Noch ne Frage ist "Wie nennt man denn das Konstrukt, das bisher gilt?"


    Bisher ist es ein Staatenbund.


    Zitat

    Verfassung muss nicht zwangsläufig einen Bundesstaat suggerieren


    das stimmt schon, nur geht die Tendenz durch diese EU Verfassung inhaltlich klar in Richtung Bundesstaat. Die EU wird durch diese Verfassung kein Bundesstaat, aber es stellt die Weichen für die Zukunft ganz klar in diese Richtung.


    edit: Formatierung bei Zitat

  • Zitat

    Original von taciturus
    das stimmt schon, nur geht die Tendenz durch diese EU Verfassung inhaltlich klar in Richtung Bundesstaat. Die EU wird durch diese Verfassung kein Bundesstaat, aber es stellt die Weichen für die Zukunft ganz klar in diese Richtung.


    Ist doch ok, wenn die Weichen dahin gestellt werden.


    Wenn es soweit ist wird man sehen, ob sich die Politiker dann über 200 Millionen Menschen hinwegsetzen.


    Zum jetztigen Zeitpunkt ist ein "non" aus Frankreich jedenfalls fatal.

  • Zitat

    um jetztigen Zeitpunkt ist ein "non" aus Frankreich jedenfalls fatal.


    ich denke nicht. ich fände ein "oui" ehrlich gesagt um einiger schlechter. Aber auch wenn es morgen ein oui gibt, ist da immer noch ein yes aus great britain ausständig, was sicher auch nicht leicht zu erreichen werde. Und wenn alle Stricke reißen, dann werden die Niederländer oder Iren nein sagen.


    Momentan wird in EU Kreisen die Stimmung verbreitet, dass es keine Alternative zu dieser Verfassung gibt. Das ist mAn völliger Blödsinn, da die EU durchaus auch ohne diese Verfassung noch eine zeitlang vernünftig arbeiten kann (könnte). Ausserdem könnte man dieser Verfassung auch eine Nachbearbeitung zuführen.
    Alle großen Gesetze haben eine gewisse Zeit gebraucht, bis sie wirklich rund laufen. Die EU Verfassung wurde ziemlich schnell aus dem Boden gestampft und praktisch ohne öffentlicher Diskussion beschloßen. Ob das wirklich sinnvoll ist sei dahingestellt.


    Vermutlich würde nach einem nein, der europäische Haftbefehl gestrichen werden, vielleicht auch Verteidigungsbehörde (aber dagegen sind die Franzosen nicht, weil sie davon mehr profitieren) und danach würde man eine neue Abstimmung machen und dann würde sich wahrscheinlich ein ja ausgehen. Oder man stimmt einfach nocheinmal ohne Veränderung ab, was meiner meinung nach das am wenigsten sinnvolle wäre.

  • Und solange passiert nur noch, was ALLE 25 Regierungen einträchtig beschießen. Sprich NICHTS MEHR...


    Großartige Alternative...


    Dann kann man die EU auch besser gleich abschaffen...

    "Warum ich?" fragte der Frosch.
    "Geschmackssache." sagte der Storch.

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  • damit ich jetzt keinen blödsinn erzähle, habe ich extra nocheinmal nachgeschaut.


    bereits im Vertrag von Amsterdam wurde die qualifizierte Mehrheit ausgebaut, also nicht mehr Einstimmigkeit
    das wurde im Vertrag von Nizza dann auf fast alle Bereiche ausgeweitet


    nachzulesen in: Stolzlechner, Einführung in das öffentliche Recht

  • Auf Dauer wäre natürlich ein EU-Bundesstaat ein klarer Vorteil. Allerdings in der augenblicklichen Lage wäre ein solcher Bundesstaat von vorn herein zum Scheitern verurteilt.
    Das bisherige Konstrukt wurde total überhastet und ohne eine vernünftige Grundlage (die geographische mal abgesehen) durchgezogen. Die Folge waren u. a. unsere derzeitigen wirtschaftlichen Probleme. Man kann nicht 25 Staaten, zu Beginn waren es ja weniger, zusammenschalten, ohne gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen. Angefangen beim Rechtswesen bis hin zu den sozialen Gegebenheiten besteht ein totales Ungleichgewicht. Erst wenn in den letzten Winkeln einer solchen Vereinigung auch die gleichen Grundlagen vorhanden sind, kann man an ein Verschmelzen denken. Hier wurden seit Adenauer und deGaulle die Hausaufgaben nicht gemacht.
    Der größte Fehler war schon die gemeinsame Währung. Eine Währung bedarf einer einzigen Regierung, die dafür die Verantwortung trägt. Das Gezerre der letzten Monate zwischen Brüssel und Eichel im Verein mit Frankreich ist mir noch deutlich vor Augen. Die Krux dabei war, daß jeder und keiner Recht hatte. Eine Folge eben der Kompetenzteilung zwischen Brüssel, Berlin und Paris.
    Bezeichnend finde ich die Aussage von Juncker, die Franzosen solange wählen zu lassen, bis ein Ergebnis rauskommt, das ihm passt. Leute, das hat mit Demokratie nichts mehr zu tun. Wir in der BRD sind da allerdings noch schlechter dran, denn wir werden erst gar nicht mehr gefragt. So gesehen, befinden wir uns doch noch mitten im Feudalismus bzw einer Abart davon, nämlich einer Oligarchie. Bis zur Demokratie in Europa wird es noch ein weiter Weg sein, dessen Ende wir wohl nicht mehr erleben werden.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • In einer Demokratischen Verfassung muß drinstehen, wie die Regierung zustandekommt. Entweder, daß ein Präsident vom Volk gewählt wird, oder ein Kanzler/Premierminister/wasauchimmer vom Parlament gewählt wird. So etwas müßte ziemlich vornean stehen, wo man es leicht findet.


    Ich hab beim Versuch, die Verfassung zu lesen, nicht all zu weit durchgehalten, aber was ich gelesen habe, setzt das Vorhandensein einer "Regierung" bereits vorraus: es ging von Anfang an um die Kompetenzvertteilung zwischen "der Union" (sei es der Ministerrat oder die Kommission) und den einzelnen Mitgliedsstaaten. Dieses "die Regierung ist die Regierung, weil sie regiert" ohne über die Legitimation überhaupt nachzudenken, erinnert stark an die Autokratie der russischen Zaren und ähnliche Regierungsformen. Ich stimme Demo zu, derzeit läuft es in Europa stark in Richtung feudale Oligarchie. Man könnte noch von "Aristokratie" reden, wenn die Wahlverfahren in den einzelnen Mitgliedsländern irgendwie qualifizierte Leute an die Macht brächten, aber in unseren Medien-Demokratien gewinnt ja eh nur, wer am überzeugendsten lügen kann...

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Das bisherige Konstrukt wurde total überhastet und ohne eine vernünftige Grundlage (die geographische mal abgesehen) durchgezogen.
    ...
    Erst wenn in den letzten Winkeln einer solchen Vereinigung auch die gleichen Grundlagen vorhanden sind, kann man an ein Verschmelzen denken.
    ...
    Der größte Fehler war schon die gemeinsame Währung. Eine Währung bedarf einer einzigen Regierung, die dafür die Verantwortung trägt.


    Hm, das sehe ich nicht so. Manchmal müssen eben schon mal die Steine ins Rollen gebracht werden, damit nachfolgend etwas passiert. Wenn man nur darauf wartet, bis jeder mal soweit zu sein scheint, dann wird tatsächlich nie etwas Konstruktives dabei rauskommen.


    Einer EU-Verfassung wäre ich grundsätzlich nicht abgeneigt, aber im Moment scheint es mir damit wirklich noch ein bischen zu früh zu sein. Aber sicherlich ist das der richtige Weg zu noch mehr Gemeinsamkeit in Europa, vorallem wenn man sich die katastrophale amerikanische Aussenpolitik der letzten Jahre ansieht.


    Gruss,


    Doc

  • Genau diesen Blickwinkel haben die Regierenden in den Ländern vermutlich auch gehabt und das Ergebnis ist unsere derzeitige wirtschaftlich Katastrophe. Die Franzosen haben nicht umsonst mit "Non" gestimmt, und ich denke, in Deutschland wäre dasselbe Ergebnis rausgekommen, deshalb durften wir ja auch nicht wählen. Dabei hat das Volk meist den besseren Überblick. :grin
    Ein gemeinsames Europa wäre mit Sicherheit schon viel weiter gediehen, wenn die Regierungen alle ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Und die bleiben nun mal die Schaffung gleicher Bedingungen und Grundlagen in jedem Mitgliedstaat. Natürlich ist das eine gigantische Aufgabe, doch sie wäre schon längst zu bewältigen gewesen, wenn hier nicht Macht- und Anspruchsdenken ständig im Vordergrund stünden. So aber haben wir jetzt den Salat und die kleinen Leute dürfen mal wieder den Mist der "Öberschten" auslöffeln.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Ich denke hier macht es sich jetzt vor allem Brüssel zu leicht. Die Schuld allein auf die wirtschaftliche Lage und die innenpolitische Situation in Frankreich zu schieben, ist schon wieder mal ein ganz großer Fehler.
    Vielleicht sollte man auch einmal einige Artikel des Inhalts überdenken.


    Schaffung gleicher Grundlagen:
    Das dürfte gerade im Hinblick auf die Osterweiterung innerhalb dieser kurzer Zeit nicht möglich sein. Soweit ich mich erinnern kann, hat es vor der Erweiterung Studien gegeben, dass die meisten Länder der Osterweiterung ca. 30 Jahre benötigen werden um auf EU Standard zu gelangen.


    Ich denke, dass der durch diese Verfassung noch größere Souverenitätsverlust hat auch einen Ausschlag zum nein gegeben. Es wäre daher vielleicht zu überlegen, ob es sinnvoll wäre, wenn die EU einige Kompetenzen wieder an ihre Mitgliedsländer abgeben würde, natürlich nur solche bei denen es sinnvoll ist.

  • Es war einfach vorauszusehen, dass das Projekt EU-Verfassung mit nationalen Abstimmungen nicht durchzusetzen ist.


    Ich bin Demokrat, ich bin für Wahlen, aber wenn, dann bitte EU-weit, denn die EU lebt von der Gemeinschaft, und nicht von innernationalen Reibereien in den einzelnen Ländern, die schließlich in Frankreich die EU-Verfassung wohl vernichtet haben.


    Es ist keine Katastrophe, aber ein Rückschritt in der gemeinschaftlichen Europäisierung.


    Wer die EU-Verfassung etwas studiert hat, weiß so wie ich, dass sich die Bürger beim "Non" ins eigene Fleisch schnitten.


    Mit der Eu-Verfassung wäre die EU so demokratisch wie nie - mehr Rechte für die Bürger, mehr Macht dem Parlamentarismus wäre ein Grundstock der Verfassung gewesen.


    Aber kein Wunder:


    Die Verfassung war für den Durchschnittsbürger zu unverständlich ...

  • Die Ablehnung aus Frankreich war eine tolle Sache für die USA, die damit für längere Zeit aus Europa kein politisches Gegengewicht fürchten müssen.


    Gut für die USA, aber schlecht für die Welt!