Bethan Roberts: Das Kind der Anderen
Verlag Antje Kunstmann 2016. 320 Seiten
ISBN-13: 978-3956141218. 22€
Originaltitel: Mother Island
Übersetzerin: Astrid Gravert
Verlagstext
An einem warmen Junimorgen kommt Maggie Wichelo, eine einsame junge Frau, in dem gemütlichen Haus an, wo sie als Nanny arbeitet. Alles erscheint ganz normal. Es ist das Haus ihrer Kusine Nula. Nula hat wieder angefangen zu arbeiten und Maggie den zweijährigen Sohn Samuel anvertraut. Maggie ist konsequent, effizient und liebevoll, eine bessere Nanny gibt es nicht – so sieht sie sich selbst, und Nula und ihr Mann sehen es auch so. - Aber heute wird Maggie Samuel einfach mitnehmen in ein Bootshaus auf der Insel, auf der sie ihre Teenager-Zeit verbracht hat: Anglesey, die von den Inselbewohnern Mon, Mam Cymru oder die Mutter von Wales genannt wird. Für Maggie hat alles auf dieser Insel angefangen: Das ist der schöne, bedrohliche und mysteriöse Ort, wo sie mit fünfzehn den Sommer verbracht hat, wo ihr Bruder Joe und ihre Kusine Nula sich verliebt, ihre Eltern sich getrennt haben und ihr Onkel die großartige Menai Strait gemalt hat. Auf dieser Insel ist Maggies Leben zerbrochen, und hier versucht sie, es wieder zusammenzusetzen. -Das Kind der Anderen ist ein spannender und verstörender Roman über Liebe, Verlust und darüber, was es bedeutet, Mutter zu sein.
Die Autorin
Bethan Roberts, geboren in Oxford, hat als Autorin und Produktionsassistentin beim Fernsehen gearbeitet und Creative Writing an der Chichester Universität und dem Goldsmith College unterrichtet. Sie lebt mit ihrer Familie in Brighton. Ihre Romane „Stille Wasser“ (2008), „Köchin für einen Sommer“ (2009) und „Der Liebhaber meines Mannes“ (2013) wurden von der Kritik hochgelobt. Für ihren neuen Roman hat sie den renommierten Jerwood Fiction Uncovered Prize erhalten.
Inhalt
Maggie wird heute das Kind holen. Bei diesem harmlos klingenden Satz stellten sich mir die Haare auf den Unterarmen auf; denn Maggie wird den zweijährigen Samuel entführen, dessen Kindermädchen sie ist. Es hätte alles perfekt sein können. Samuels Mutter kann wieder ganztags arbeiten, seit Maggie sich um Samuel kümmert. Maggie hat bereits Erfahrung in mehreren Familien gesammelt. Sie ist äußerst kompetent und mehr als ein einfaches Kindermädchen. Doch wie bei jedem anderen Elternpaar bisher auch, für das Maggie arbeitete, kriselt es nach der Geburt des ersten Kindes in der Beziehung von Samuels Eltern. Greg spricht nicht mit Nula, sondern erkundigt sich auf sonderbare Art bei Maggie, wie es seiner Frau geht. Trotz der Entlastung durch Maggie wirkt Nula überfordert, fast desinteressiert an ihrem Sohn. Maggie wird zum Prellbock für unausgesprochene Konflikte des Ehepaars Shaw. Ihre Beziehung zu Samuel ist beinahe zu innig, ihre Fürsorge zu perfekt, so dass seine Mutter sich ausgegrenzt fühlt. Aber auch auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn reagiert Nula eifersüchtig. Eine fatale Rivalität zwischen den beiden Frauen schaukelt sich hoch, wer die bessere Mutter für Samuel ist. Die Wurzeln ihres Machtkampfs liegen weit zurück. Ein langer Rückblick erzählt von jenem denkwürdigen Sommer auf der Insel Mon in Anglesey, in dem Nulas Vater sich für seine Nichte Maggie interessierte und Nula mit Maggies Bruder Joe zusammen war. Nun ist Maggie mit Samuel auf dem Weg auf die Insel ihrer Kindheit. Ein verstörender Unterton hat sich bis zu diesem Stand der Ereignisse aufgebaut, der Böses befürchten lässt. Maggie ist sich vermutlich selbst noch nicht klar, was sie auf der Insel sucht und was sie von Joe will, zu dem der Kontakt seit damals abgebrochen ist. Gefährlich nur, dass Maggie keinen Plan hat, wie es mit ihr und Samuel weitergehen soll.
Fazit
Bethan Roberts ist eine Meisterin verstörender Untertöne. Die - klassische - Rivalität zweier Frauen um ein Kind zeigt sie im modernen Umfeld einer Karrierefrau und ihrer Angestellten. Maggie kann schwer damit umgehen, dass sie nur eine Angestellte ist und konnte schon früher nur schwer den Abschied verkraften, wenn die von ihr betreuten Kinder in den Kindergarten kamen und ihr Vertrag damit endete. Doch die Ursache der Eskalation liegt tiefer, als der bloße Abschied von einem niedlichen Kind vermuten lässt. Raffiniert formuliert und fesselnd wie ein Psychothriller liest sich dieser Roman, wenn auch die Ursache des Dramas vorhersehbar ist und die Ursachenforschung damit reichlich lang ausfällt. Dennoch ein feinfühlig beobachtetes Buch über Mutterschaft und das Nicht-Mutter-Sein.
8 von 10 Punkten