Lesung von Nina George aus "Das Traumbuch" am 28.10.2016 in Hannover bei Hugendubel

  • Ach was war ich aufgeregt. Nina George hat mit dem „Lavendelzimmer“ mein Herz und meine Seele zutiefst berührt. Es ist für mich mein absolutes Lieblingsbuch. Auch das Traumbuch habe ich bereits gelesen und ich war auch hier wieder total begeistert. Als ich nun hörte, dass Nina nach Hannover kommt, habe ich die Gunst der Stunde genutzt. Seit längerem begleite ich sie auf ihrem Weg auch per Messenger und wir haben uns schon einige Male geschrieben. Es war immer ein sehr reger, interessanter und herzlicher Austausch. Nun war es aber soweit und ich würde Nina das erste Mal persönlich erleben. Für mich eines meiner Highlights in diesem Jahr.


    Ich weiß nicht, wieviel Zuhörer da waren, aber die Stühle waren alle besetzt, als Nina pünktlich um 20.15 Uhr mit der sehr netten Mitarbeiterin von Hugendubel ans Mikro trat.
    Als diese anfing Nina zu begrüßen und vorzustellen, schweifte Ninas Blick durchs Publikum und ja, tatsächlich, entdeckte sie mich. Sie bat um eine kurze Unterbrechung, kam auf mich zu und begrüßte mich mit meinem Namen und einer Umarmung. Ich war total perplex und habe mich tierisch gefreut, dass sie mich anhand meines Fotos bei Facebook so schnell erkannt hat.


    Nina macht so viele Lesungen und kennt so unendlich viele Menschen, dass ich mich wirklich als Leser und anhand unseres Austausches sehr ernst genommen gefühlt habe.


    Dann ging es aber wirklich los. Fast zehn Minuten wurde Nina sehr gut recherchiert vorgestellt. Diese hing gebannt aufgestützt auf einem Stehtisch an den Lippen der Mitarbeiterin und freute sich über deren Worte.


    Nina George, ist 43 Jahre alt, und hat auch schon unter dem Namen Anne West und mit ihrem Mann Jo Kramer zusammen als Jean Bagnol Bücher geschrieben. Für ihr Buch „Die Mondspielerin“ hat sie den DeLia und auch den friedrich-Glauser-preis erhalten.


    Ihr „Lavendelzimmer“ stand zwei Jahre in Deutschland auf der Spiegel-Bestsellerliste. Auch in Amerika hat sie den Durchbruch mit diesem Buch geschafft und stand dort in der New York Times Bestsellerliste. Der Roman wurde in 33 Sprachen übersetzt und erschien u.a. in Australien, Polen, Israel und Italien. Übrigens: Die Filmrechte für diesen Roman wurden verkauft ... Käufer ist „20 Fox Century“. Auf die Verfilmung bin ich sehr gespannt und Nina auch. Auch wenn sie keine Mitspracherechte hat, zwei Eintrittskarten für die Premiere wird sie erhalten.


    Bevor der große Durchbruch kam, machte sie eine jounalistische Ausbildung bei Penthouse und schrieb u.a. Kolumnen und Reportagen u.a. für den Cosmopolitan. Sie ist eine der wenigen Schriftsteller, die vom schreiben leben kann.


    Das ist aber noch nicht alles. So ist Nina George inzwischen auch politisch tätig. Sie ist im Präsidium der PEN und setzt sich dort speziell für die Urheberrechte ein. Desweiteren hat sie auch die Aktion Lieblingsbuch ins Leben gerufen. Und zu guter letzt hat sie am 9. Oktober diesen Jahres auch noch das „Netzwerk Autorenrecht“ gegründet.


    Für mich eine sehr bemerkenswerte und auch bewundernswerte Karriere.


    Dann war es endlich soweit und Nina trat ans Mikrofon. Sie erzählte kurz zu ihren beiden Büchern „Lavendelzimmer“ und „Traumbuch“. Sie verglich die Bücher mit Farben, die ja auch teilweise in den Covern auftauchen. Während das Lavendelzimmer wie der Himmel über der Provence aussieht: ein warmes durchscheinendes blau, ist das Traumbuch eher ein melancholisches, anderes blau.


    „Das Lavendelzimmer“ schrieb Nina, als ihr Leben zerbrochen war. Als ihr Vater starb, zerbrach auch sie und sie brach sich das Genick. Sie zerbrach fast an der Trauer, dem Schmerz und nach einem Jahr war sie dann soweit und schrieb dieses Buch. Das Buch, das nicht nur mein Herz und meine Seele zutiefst berührte.


    Danach passierte 10 Monate nichts. Sie schrieb, verwarf, fand nicht wieder die richtigen Worte, wartete, schrieb ... bis wieder ein einschneidendes Erlebnis passierte. Sie war unterwegs mit ihrem Mann im Urlaub, am Ärmelkanal. Sie wollten Essen gehen und sie musste eine kleine Entscheidung treffen: Käse oder Krabben. Man empfahl ihr die Krabben. Und dann passierte es: eine Lebensmittelvergiftung. Zwei Stunden nach dem Essen ging es los. Sie konnte nicht mehr halten, sie entglitt sich selber. Das erste Krankenhaus war nicht geeignet. Jo fuhr weiter. Auf dem Weg zum zweiten Krankenhaus, begann sich die Realität aufzulösen, auch dort konnte ihr nicht geholfen werden. Bis zum dritten Krankenhaus war es fast zu spät. Nina fühlte sich ihrem Vater sehr nah, aber hier konnte ihr geholfen werden. Sie lag mehrere Tage im Koma. Und das was sie dort fühlte, erlebte ... das war die Idee zum Traumbuch.


    „Das Traumbuch“: Hier geht es um Freunschaft und die Beziehungen zwischen Vater und Sohn und Vater und Tochter. Es geht um die kleinen Entscheidungen, die das Leben beeinflussen. Es geht um Zwischenwelten. Um das Thema Koma. Wenn man zurück kommt? Würde man das? Was dann? Es geht um drei Menschen in 49 Tagen. Drei Perspektiven. Henry, der Kriegsreporter, Eddie, eine Verlegerin, und Sam, einem Synästhetiker.


    Dann fing Nina an den Anfang zu lesen. Sie trug sehr gefühlvoll vor. Sie war dabei, lebte, litt mit ihren Protagonisten. Mit Händen und Füssen, mit viel Betonung, mit wechselnden Stimmlagen, nahm sie die Zuhörer in den Bann.


    Dann machte sie eine Pause und berichtete, dass ihre Lektorin nach dem 1. Abschnitt nicht begeistert war. Warum ins Koma?


    Nina hat sich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt, recherchiert. Sie fragte Betroffene und hörte feinsinnige Geschichten. Sie fragte Agnostiker, Atheisten, Buddhisten, Esotheriker, Neurologen, die Karmaforschung und auch einen Quantenmechaniker. Dieser brachte ihr am meisten und erzählte ihr anhand eines Toastbrotes (in diesem Fall mussten es Bücher tun, da sie kein Toastbrot dabei hatte), über die verschiedenen Möglichkeiten des Lebens: was wäre wenn. Und das war der Auslöser. Im tiefen Koma konnte sie Henry auf Reisen schicken, mehrere Leben durchleben lassen: Melancholische blaue Phasen in Paris, der Bretagne, im Südsudan, in Kabul.


    Dann las Nina wieder einen Abschnitt. Und dies tat sie noch intensiver als davor. Man versinkt in der Geschichte .... zusammen mit ihr.


    In der nächsten Lesepause erzählte sie, dass Sam ihre heimliche Lieblingsfigur ist. Ein 13jähriger Junge, der auf der Stufe zwischen Verlieren und Verweilen ist, hochbegabt, feinfühlig, auf der Stufe zum Erwachsen werden. In dieser Zeit wird er es. Ein sensibler und doch starker Junge. Ihr Rat an alle. Vertrauen sie Jugendlichen. Aber warum ein Synästhetiker? Weil Nina sich sehr gut in ihn hineinversetzen kann, da sie selber sehr ausgeprägte Sinnesreize hat und ähnlich fühlt.


    Dann las sie einen letzten Teil und erzeute bei allen Gänsehaut. Sie untermalte eine ihrer Lieblingsszenen mit Tangomusik, bei der man spüren konnte, wie sehr sie diesen Tanz liebt, annimmt, lebt. Sie nahm Haltung an, führte, spürte und wir auch.


    Als sie endete, war es lange still. Alle waren so gefangen von ihrer Vorstellung. Auch mir fehlten die Worte und als sie fragte, ob jemand noch Fragen hatten, kamen diese nur zaghaft, zögerlich. Doch sie kamen. Darüber freute sich Nina und beantwortete sie gerne und ausführlich.


    Anschließend nahm sie sich noch jede Menge Zeit um ihre Bücher zu signieren. Es war kein schnelles „Dahin-Signieren“. Nein. Obwohl die Schlange lang war, nahm sie sich für jeden einzelnen Zeit, machte auch Fotos. Als ich dann an der Reihe war (hab mich schließlich auch brav angestellt), bekam ich zwei so wundervolle Widmungen, dass ich wirklich ein paar Tränchen in den Augen hatte. Na ja, wer mich kennt, weiß ja, wie emotional ich bin. Als auch ich nach einem gemeinsamen Foto fragte, war Nina sofort bereit ... und wie. Das könnt ihr an den Fotos sehen. Sehr herzlich, total lieb nahm sie mich in den Arm und drückte mich. Wir sprachen noch eine kleine Weile miteinander. Dann war Schluss, Nina hatte Hunger und auch die Mitarbeiter von Hugendubel wollten bald heim. Inzwischen war es schon halb elf. Wir verabschiedeten uns mit einer fetten Umarmung.


    „Das Traumbuch“ werde ich ein zweites Mal lesen. Diesmal unter anderen Voraussetzungen, jetzt wo ich die Hintergründe kenne und ich bin gespannt, ob und wie ich diesmal empfinden werde. Und „Die Mondspielerin“ liegt auch noch auf meinem SuB und wird schnellstmöglich gelesen.


    Ich als eine von Ninas „Seelenleserin“ (Wort aus der Widmung), die Nina schon lange begleitet, werde auch weiter bei ihr sein.


    Nina schreibt, um Menschen zu berühren und das tut sie. Nicht nur mich.


    Nina : Danke meine liebe Nina. Danke für diesen wundervollen Abend, für deine Nähe, deine Worte. Danke, dass du jedem von uns das Gefühl gegeben hast, etwas besonderes zu sein und speziell mir. Ich bin sehr froh, dass es dich gibt.


    Sollte ich hier irgendetwas nicht richtig wieder gegeben haben, bitte ich um Entschuldigung und hoffe, es sind nur Kleinigkeiten.

  • Vielen Dank, Schubi, für die sehr anschauliche und emotionale Beschreibung des Abends. Leider war ich beruflich in Berlin, sonst hätten wir uns vielleicht dort auch getroffen.


    Zumindest hast Du mich jetzt doch sehr neugierig auf "Traumbuch" gemacht.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Auch von mir vielen Dank für diesen tollen Bericht,
    klingt nach einem ganz besonderen Abend. :-)

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Das freut mich sehr, dass es für Dich ein so besonderer Abend war und Deine Erwartungen noch übertroffen wurden.
    Danke für den anschaulichen Bericht, ich glaube, ich muss doch noch einen Versuch mit ihren Büchern wagen.

  • Ich war zweimal bei Lesungen aus diesem Buch- meinem einsamen Jahreshighlight 2016, beide Male war ich emotional von Nina George mitgenommen an die Ränder dessen, was wir wissen und wissen wollen über die, die in dieser Zwischenwelt sind-leben?

  • beowulf :
    Es war dies Jahr auch meine erste Lesung. Es ist schön, dass es dir ähnlich ergangen ist wie mir. Ich habe zwar das Buch schon gelesen und war emotional auch zwischen den Welten, dem Hoffen und Bangen, dem "was sein kann" oder auch nicht.
    Nun habe ich einiges mehr über die Gründe erfahren, wie dieses Buch entstand und die Recherchen hierzu. Es war absolut faszinierend. Wenn ich das Buch jetzt noch einmal lese, werde ich es mit anderen Augen - und wahrscheinlich noch emotionaler - lesen und erleben.

    :lesend Mary Kay Andrews - Winterfunkeln

    --------------------

    Hörbuch: Andreas Föhr - Totholz

    SuB: 324