Sophia konnte trotz ihrer Anspannung ein herzhaftes Gähnen kaum noch unterdrücken. Zu allem Übel fing auch noch ihr Magen an zu knurren und ihr wurde jetzt erst bewusst, dass sie anscheinend seit Stunden Nichts mehr gegessen hatte. Kraftlos liess sie sich auf eine der Stufen sinken und besann sich auf den Inhalt ihrer Plastiktüte. Sie stocherte etwas unmotiviert darin herum, um sich dann für einen Schokoriegel zu entscheiden. Nach dem zweiten Bissen erfüllten die süssen Botenstoffe der Schokolade endlich ihren Dienst und entfalteten in ihrem Magen und in ihrem Kopf eine beruhigende Wirkung. Ihre Beine taten ihr immer noch weh und sie legte sich auf die Stufen. Sie wollte zur Ruhe kommen, nachdenken. Noch an dem letzten Bissen kauend und schluckend, verschränkte Sophia die Arme hinter dem Kopf und blickte zur hochgewölbten Decke des Saales hinauf. Das Murmeln und das leuchtende Pulsieren der Riesenausgabe ihres Artefaktes nahm sie nur noch am Rande wahr, als sie versuchte sich auf das Alles einen Reim zu machen. Es dauerte nicht lange, bis sie von all ihren umherschwirrenden Gedanken in einen traumlosen Schlaf geführt wurde.
Als Sophia wieder erwachte, spürte sie die Anspannung der vergangenen Stunden in jedem Knochen. Sie blinzelte und versuchte schlaftrunken ihre Umgebung zu erfassen. Durch das Fenster fielen warme Sonnenstrahlen auf ihr Gesicht und jetzt erst bemerkte sie, dass sie sich in der vertrauten Umgebung ihres Wohnzimmers befand. Umständlich und mit rasenden Gedanken rappelte sie sich von der allzu bequemen Patchwork-Couch hoch und blickte sich rasch um. "Meine Güte, ich habe das doch Alles nicht nur geträumt?", hörte sie sich selbst reden und erschrak dabei vom Klang ihrer eigenen Stimme, die rauh und belegt klang. Unsicher und unentschlossen stand sie in der Mitte des Raumes und versuchte zu erfassen, was eigentlich geschehen war, seit sie das Büro verlassen hatte. Wie spät war es eigentlich? Ihr Blick fiel auf die kleine Pinoccio-Uhr in ihrem Bücherregal. Pinoccios Nase zeigte auf 8 Uhr. Wie unter Schock stehend, griff sie zum Mobilteil ihres Telefons, das auf dem Couchtisch vor ihr lag. Nach ein paar Sekunden hörte sie schon die vertraute Stimme ihres Chefs in der Leitung. Mit einer halbherzigen Entschuldigung meldete sie sich für den heutigen Tag krank und mit einer ebenso halbherzigen Floskel ihres Chefs für eine gute Besserung war das Gespräch so schnell beendet, wie es begonnen hatte. Sie hatte Durst, sogar gewaltigen Durst und noch mit dem Telefon in der Hand ging sie hinüber in die kleine Küche. Das angenehme helle Blau der Wände, dass sie beim Aussuchen im Baumarkt soviel Zeit und Mühe gekostet hat, kam ihr an diesem Morgen blass, regelrecht farblos vor. Sie nahm ein Glas und drehte den Wasserhahn auf, als ihr auffiel, dass sie noch ihre Schuhe vom Vortag anhatte. Ihr Blick fiel nach unten zu ihren Füssen. Das Glas entglitt ihrer plötzlich kraftlos gewordenen Hand und zersprang beim Aufprall in der Spüle. Ihre Schuhe waren staubig - so staubig, als ob sie durch einen Sandkasten damit gelaufen wäre. Sie streifte die Schuhe ab, hob eine der einstmals schwarzglänzenden bequemen Bürotreter hoch. Über dem Spülbecken drehte sie ihn herum und liess den Sand aus dem Schuh herausrieseln. Fassungslos starrte sie in die Spüle, als ihr ein trockenes krächzendes Stöhnen aus der Kehle fuhr. Den Schuh fallenlassend, stürmte Sophia zurück ins Wohnzimmer. Ihre Augen suchten den Boden ab und entdeckten unter dem Couchtisch die grosse Handtasche. Wie ein Footballspieler in Reichweite eines Touchdowns, warf Sophia sich förmlich auf die Tasche und riss sie auf. Ihr Atem stockte. Darin befand sich das blauschimmernde Artefakt aus dem Cola-Automaten!! Sie hatte nicht geträumt. Mit Tränen, die gleichzeitig Erleichterung, aber auch Verzweiflung ausdrückten sass Sophia auf dem Wohnzimmerteppich und hielt krampfhaft ihre Tasche fest. Das Klingeln des Telefons liess sie zusammenzucken...